Brückenmaßnahme für zugewanderte Akademiker

Projektleiter Klaus Deimel, Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, erläutert die Brückenmaßnahme „Betriebswirtschaftliche Kennzahlen und Controlling“. Dort werden praxisorientierte akademische Fachstudieninhalte bestehend aus aktuellem, praxisrelevantem und wissenschaftlichem Fachwissen kombiniert mit praxisrelevanten Schlüsselkompetenzen, wie z.B. Sozial-, Methoden-, Problemlösungskompetenzen, unter Einsatz innovativer Lehrmethoden in einer Kleingruppe von 18 Teilnehmern vermittelt.


Bildnachweis: Hochschule Bonn-Rhein-Sieg

BANKINGNEWS: Worum geht es in dem Projekt?

Klaus Deimel: Durch ein praxisnahes Lehrangebot sollen zugewanderte Akademiker auf die Berufspraxis im Bereich Controlling und Rechnungswesen, insbesondere in kleinen bis mittelständischen Unternehmen, vorbereitet werden und sich fachlich, überfachlich, sprachlich und berufspraktisch für die derzeitigen Erfordernisse des Arbeitsmarktes qualifizieren. Unsere 10-monatige Qualifizierungsmaßnahme knüpft an den Vorkenntnissen und Berufserfahrungen der Teilnehmer an und ergänzt diese um das aktuelle Fachwissen.
Angereichert wird dies durch interkulturelle Trainings und Bewerbungsworkshops sowie verschiedene Exkursionen zu Unternehmen und die Teilnahme an einschlägigen Fachtagungen. Eine Praktikumsphase soll den Teilnehmern Gelegenheit bieten, Erfahrungen mit Bewerbungsverfahren und Vorstellungsgesprächen auf Deutsch als Fremdsprache zu sammeln und ihre vertieften Fachkenntnisse und Berufserfahrungen in den Unternehmen vor Ort anzuwenden.

Wie ist das Projekt entstanden?

Federführend wird dieses Projekt von der Otto Benecke Stiftung e.V. betreut, die schon seit vielen Jahren Fort- und Weiterbildungsangebote für Migranten auf unterschiedlichen Ebenen betreut. Die Stiftung hat das Projekt ausgeschrieben und das BRS Institut für internationale Studien e.V. (An-Institut der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg), das sich zum Ziel gesetzt hat, internationale Zusammenarbeit und internationale akademische Austauschprogramme durchzuführen, hat sich auf die Ausschreibung beworben und den Zuschlag erhalten. Zudem wird das Projekt im Rahmen des IQ Förderprogramms aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert.

Wie kann die deutsche Wirtschaft, insbesondere die Bankbranche, von dem Projekt profitieren?

Alle Teilnehmer besitzen eine sehr hohe Motivation und überdurchschnittliches Engagement. Unisono sagen alle Teilnehmer, dass sie unbedingt im deutschen Arbeitsmarkt Fuß fassen wollen. Darüber hinaus können Unternehmen von den interkulturellen Erfahrungen aus den unterschiedlichen Heimatländern der Teilnehmer und von deren Sprachkenntnissen profitieren, insbesondere wenn Kontakte in die Heimatländer der Teilnehmer geknüpft und vertieft werden sollen. Diversität ist ein weiteres Stichwort, das derzeit in vielen Unternehmen disku-tiert wird.

Welche Kriterien werden bei der Auswahl der Teilnehmer angewandt?

Alle Teilnehmer des Programms haben bereits ein abgeschlossenes, wirtschaftswissenschaftliches Hochschulstudium in  ihren Heimatländern absolviert und besitzen bereits einschlägige Berufspraxis. Die Teilnehmer wurden gemeinsam durch die Otto Benecke Stiftung e.V. und die Studienleitung der Weiterbildungsmaßnahme am BRS Institut für internationale Studien e.V. ausgewählt. Alle Bewerber wurden mit Hilfe von Einzelinterviews an zwei Tagen ausgewählt. Erfragt wurden die Motivation und die persönlichen Hintergründe für den Besuch der Brückenmaßnahme. Zudem wurden in seperaten Tests die Sprachkenntnisse und die fachlichen Vorkenntnisse der Teilnehmer abgeprüft.

Welchen Eindruck haben sie? Wird sich dieses Projekt deutschlandweit durchsetzen?

Die Integration von gut ausgebildeten Migranten in den deutschen Arbeitsmarkt kann einen wertvollen Beitrag zur Abmilderung der Folgen des demografischen Wandels leisten. Darüber hinaus können solche Maßnahmen vor dem Hintergrund der derzeitigen Flüchtlingsdebatte  positive Impulse für eine berufliche Integration dieser Menschen schaffen. Insofern ist eine weitere Verbreitung solcher Ausbildungsmodelle wünschenswert. Die Anzahl der erfolgreich in den Arbeitsmarkt vermittelten Teilnehmer ist der Maßstab, an dem sich das Projekt messen lassen muss.

Wie sehen letztendlich die Chancen der Projektteilnehmer, nach erfolgreichem Abschluss, am deutschen Arbeitsmarkt aus?

Da das Programm von uns zum ersten Mal durchgeführt wird, kann über die Erfolgschancen nur spekuliert werden. Positive Signale sind für mich, dass einige Teilnehmer bereits jetzt – zur Halbzeit des Programms – erste Einladungen zu Bewerbungsgesprächen bekommen haben.

Prof. Dr. Klaus Deimel leitet das Projekt Brückenmaßnahme „Betriebswirtschaftliche Kennzahlen und Controlling“ zusammen mit seinem Kollegen Prof. Dr. Andreas Wiesehahn an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg in Sankt Augustin und Rheinbach. Dort hat Deimel zudem eine Professur im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften.