Der Anstieg der Renditen am Rentenmarkt ist ein Warnschuss.
Anfang Mai gab es einen heftigen und weithin unerwarteten Absturz der Kurse am Anleihemarkt. In wenigen Tagen egalisierte der Euro-Bund-Future – das Kursbarometer für den deutschen Rentenmarkt – den Anstieg der Vormonate und fiel von 160 auf 152 Punkte zurück. Solche starken Kursbewegungen gab es in der Vergangenheit nur in Krisenzeiten, z.B. 2008 und 2011 und nach der deutschen Wiedervereinigung. Echte Erklärungen dafür gab es nicht. Eigentlich kauft die Europäische Zentralbank (EZB) seit einigen Monaten Anleihen, das hätte die Kurse stützen müssen. Letztlich handelt es sich vermutlich um eine Korrektur der Übertreibung der Vormonate. Der Euro-Bund-Future hatte längst „unnatürliche“ Höhen erklommen, denn ein Kursniveau von 160 Punkten entspricht einer durchschnittlichen Rendite von null Prozent für deutsche Staatsanleihen.
Steigende Anleiherendite ist schlecht für Aktien
Die unerwarteten Turbulenzen am Rentenmarkt beunruhigten auch die Akteure an den Börsen und belasteten dort die Kurse. Das ist kein Wunder, denn die Höhe der Renditen für Anleihen entscheidet maßgeblich darüber, ob Aktien für Anleger attraktiv sind. Lassen sich z.B. mit Anleihen interessante Renditen erzielen, dann sind Aktien weniger anziehend, zumal die Anlage in Anleihen mit einem geringeren Risiko verbunden ist. Es gibt daher oftmals einen umgekehrten Zusammenhang der Entwicklung der Renditen am Anleihemarkt und den Kursen am Aktienmarkt. Die Umlaufrendite am deutschen Rentenmarkt (die durchschnittliche Rendite für Papiere mit unterschiedlichen Laufzeiten) ist seit Anfang Mai deutlich gestiegen, und zwar von 0,05 auf fast 0,60 Prozent. So hoch war die Umlaufrendite seit Dezember nicht mehr.
Der Anleihemarkt ist keine Einbahnstraße
Je höher die Renditen am Anleihemarkt sind, umso mehr setzen Anleger auf festverzinsliche Wertpapiere und umso unattraktiver sind Aktien. Schließlich ist das Kursrisiko bei Aktien in der Regel höher als bei Anleihen. So einfach und direkt ist der Zusammenhang zwischen Anleihemarkt und Aktienmarkt zwar oftmals nicht, aber im Grunde ist das zutreffend. Aber ist eine Anleihe mit einer Rendite von 0,60 Prozent wirklich eine gute Alternative zur Aktienanlage? Ich denke: Eher nicht. Und das sehen auch die meisten Anleger so. Die Nervosität an den Börsen, speziell in Europa, ist eher auf die Erkenntnis zurückzuführen, dass die Entwicklung am Rentenmarkt keine Einbahnstraße ist. Der Kurssturz beim Euro-Bund-Future (bzw. der Anstieg der Umlaufrendite) hat das verdeutlicht.
Das KGV am Aktienmarkt steigt nicht ewig
Die Renditen bei Anleihen fallen nicht ins Bodenlose, können sogar wieder steigen. Das heißt für Aktienanleger: Irgendwann verlieren Aktien ihre Attraktivität gegenüber Anleihen und werden zu teuer, die Bewertungen können nicht unbegrenzt zulegen. Nicht zuletzt deshalb gehen auch die Experten der Investmentbank Goldman Sachs davon aus, dass die Bewertungen von US-Aktien nicht mehr weiter steigen werden, wenn die US-Notenbank Fed die Zinswende einleitet. Ich gehe davon aus, dass die erste Zinserhöhung durch die Fed in diesem September erfolgt. Die Grafik zeigt, dass das Kurs-Gewinn-Verhältnis KGV für den US-Aktienmarkt insgesamt seit dem Tief bei 13,3 im Krisenjahr 2009 auf über 27 gestiegen ist. Das entspricht in etwa dem durchschnittlichen Niveau der Jahre 2004 bis 2008. Diese Phase der „Re-Inflationierung“ der Aktienpreise dürfte nach Ansicht von Goldman Sachs bald vorbei sein. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Das muss nicht das Ende der Kurssteigerungen an den Börsen bedeuten.
Die US-Unternehmen zeigen Stärke
Zum einen gibt es keinen Deckel für die Aktienbewertungen, wie der extreme Anstieg des KGV in den Zeiten der Internetblase von 1997 bis 2001 zeigt (siehe Grafik). Es könnte eine neue Übertreibungsphase geben, schließlich bleibt trotz der Zinswende in den USA genügend Liquidität im Markt. dafür sorgt nicht zuletzt die EZB mit ihrer extrem expansiven Geldpolitik. Zum anderen steigen die Unternehmensgewinne in den USA weiter. Das kann die Kurse nach oben treiben, auch ohne dass die Aktienbewertungen (gemessen z.B. am KGV) zulegen. Blickt man hinter die Geschäftszahlen, die die US-Unternehmen für das erste Quartal vorgelegt haben, dann zeigt sich eine überraschende Stärke. Vordergründig gibt es zwar einen Rückgang der Unternehmensgewinne um 4,7 Prozent, aber den verursachen vor allem die Ölkonzerne, deren Erlöse wegen des massiven Einbruchs beim Ölpreis stark gesunken sind. Die Ölaktien besitzen ein hohes Gewicht am US-Aktienmarkt. Rechnet man die Ölaktien aus den Zahlen heraus, dann bleiben für die übrigen US-Unternehmen im ersten Quartal ein Umsatzplus von 3,9 Prozent und ein Gewinnplus von 8,6 Prozent.
Bereinigung einer Übertreibung
Der Gewinntrend bei den US-Unternehmen zeigt also weiter nach oben. Auch in Deutschland legen die Gewinne der Unternehmen im Durchschnitt derzeit zu, und zwar nicht nur getrieben vom schwachen Euro. Hierzulande muss aber auch die „Expansion der Aktienbewertungen“ noch nicht zu Ende sein. Sprich das KGV der DAX-Unternehmen kann weiter steigen. Zum einen weil die Aktienbewertungen in Europa immer noch niedriger sind als in den USA. Zum anderen weil die EZB noch lange nicht den Leitzins anheben wird und weiter Liquidität in die Märkte pumpt. Daher werden sich auch die Kurse am Anleihemarkt wieder stabilisieren. Unserer Ansicht nach bedeutet daher der Kurssturz des Euro-Bund-Future keine Trendwende, sondern nur die überfällige Bereinigung einer Übertreibung am Anleihemarkt.
Fazit
Der Kurssturz am Anleihemarkt war ein Warnschuss für alle, die glaubten, es gäbe nur noch eine Richtung. Eine Trendwende wurde damit allerdings noch nicht eingeleitet, weder am Anleihemarkt noch am Aktienmarkt. Das extrem niedrige Zinsniveau bleibt weiterhin das Hauptargument PRO Aktienanlage. Dazu kommt besonders in Deutschland die relativ robuste Verfassung der Konjunktur. Kurzfristig wird aber die Verunsicherung an den Märkten anhalten, vor allem wegen der Kapitalumschichtungen, die die bevorstehende Zinswende in den USA auslöst. Hinzu kommen die unabsehbaren Folgen der Schuldenkrise in Griechenland. Für Anleger bedeutet dies: Weiterhin ist es eine gute Strategie, in Korrekturen, die durchaus heftig ausfallen können, Aktienpositionen aufzubauen.
Bildnachweis: Dax Vestor
Stefan Böhm – Experte für Aktien, Anleihen und Versicherungen – ist Börsianer mit Leib und Seele. Über seine Wissensplattform Böhms DAX-Strategie stellt der erfahrene Börsenjournalist sowohl Börsenanfängern als auch –profis wertvolle Tipps und Analysen kostenfrei zur Verfügung. Seit 1994 publiziert der Börsenexperte in renommierten Fachmagazinen (u.a. als Chefredakteur des Optionsschein-Magazins) und erhielt dadurch einen ausgezeichneten Ruf in der Finanzbranche. Seit 2001 publiziert er als Geschäftsführer der ATLAS Research GmbH das Premium-Börsenmagazin DaxVestor, den kostenfreien Börsenbrief Böhms DAX-Strategie sowie das Geldanlage-Magazin Die Rendite-Spezialisten. Stefan Böhm hat nachweislich 2006 das erste Mal vor der Finanzkrise gewarnt. Ab März 2007 setzte er konsequent auf fallende Kurse (v.a. bei Bank-Aktien): +335% Gewinn! Auch warnte er im Januar 2008 vor einem Crash der Hypo Real Estate (Kurs damals 22 Euro) und weiterer Bank-Aktien. Seit 2012 setzt Böhm auf steigende Aktienkurse, 2014 sagte er den Rohöl- & Rubel-Crash nahezu punktgenau voraus!