340-Sextillionen

„Woaßt du ibahapts, wia gern dass i di mog?“ Das ist die bayerische Version eines wunderschönen Nicht-nur-für-Kinder-Buchs mit dem hochdeutschen Titel „Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?“. Darin geht es um zwei Hasen, die sich gegenseitig darin überbieten, dem jeweils anderen in bildlicher Sprachen mitzuteilen, wie gern er ihn hat. Wenn Sie Ihrer…


„Woaßt du ibahapts, wia gern dass i di mog?“ Das ist die bayerische Version eines wunderschönen Nicht-nur-für-Kinder-Buchs mit dem hochdeutschen Titel „Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab?“. Darin geht es um zwei Hasen, die sich gegenseitig darin überbieten, dem jeweils anderen in bildlicher Sprachen mitzuteilen, wie gern er ihn hat. Wenn Sie Ihrer / Ihrem Liebsten heute eine Freude bereiten wollen, dann sagen Sie ihm: „Woaßt du ibahapts, wia gern dass i di mog? So vui wia‘s IP-Adressen gibt.“ Damit dürften Sie zwar zunächst ähnlich viel Verwirrung stiften wie Alan Greenspan bei seinem Heiratsantrag, aber Sie haben den Rekord geknackt, denn Sie lieben ihn / sie 34 000.000.000.000.000.000.000.000.000-fach. Das sind – bezeichnenderweise – 340 Sextillionen…

Heute läuft der erste große Test, neue Internet Protocol (IP)-Adressen zu vergeben. Die alten reichten nicht mehr aus, es gab nur 4,3 Milliarden Stück – das entspricht im Verhältnis einem „I mog di net!“. Sollten Sie heute also Probleme bekommen, liegt das an diesem IPv6-Test, oder daran, dass Sie ihre Gefühle nicht im Griff haben. Wenn Sie sich bei Ihrem(r) Angebeteten noch nicht ganz sicher sind, dann reduzieren Sie eben Ihre Liebesbekundungen und sagen „So vui wia‘s Rettungspaketmilliarden gibt.“ 110 (GR) + 85 (IR) + 78 (PO) = 273 Milliarden Euro – das sind Regionen, die einem Münchner schon vom Hypothekenantrag her halbwegs vertraut vorkommen.

Da jedoch noch weitere Rettungspaketmilliarden ins Haus stehen, ist es insbesondere Wolfgang Schäubles högschder Wunsch, den Privatsektor an den Kosten zu beteiligen. Gestern wurde bekannt: Schäuble bekniete EZB-Präsident Jean-Claude Trichet in einem Brief, einer Beteiligung des Privatsektors in Form einer „weichen Umschuldung“ zuzustimmen. Er wünsche sich das 340-Sextillionen-fach, schrieb Schäuble sinngemäß. Doch Trichet wird sich von dieser Anmache unbeeindruckt zeigen. Trichet weiß, dass bei einer weichen Umschuldung die Ratingagenturen die Daumen senken, das Land mit „in Default“ bewerten und die EZB damit schachmatt setzen würden. Denn: akzeptiert die EZB trotz Default-Urteil weiterhin griechische Anleihen als Sicherheit, betreibt die Zentralbank eine Monetisierung von Staatsschulden – ein geldpolitisches Kapitalverbrechen. Lehnt die EZB hingegen griechische Anleihen als Sicherheit ab, riskiert sie, die Finanzmärkte ins Chaos zu schicken.

Als Ausweg erfanden Europas Politiker daher das Rollover-Modell. Jetzt kam raus: auch ein solches Verfahren würden die Ratingagenturen als „erzwungene freiwillige Maßnahme“ bewerten und Griechenland folgerichtig mit „in Default“ bewerten. Es bleibt dabei: Entweder der öffentliche Sektor (EU, IWF, EZB) übernimmt sämtliche Rettungspaketkosten, oder aber man riskiert Lehman-ähnliche Vehältnisse an den Märkten mit ungewissen Rückwirkungen auf die Realwirtschaft.

Vor letzterem Szenario hat selbst Barack Obama Angst. „Bitte lass das nicht zu“ flehte der US-Präsident gestern unsere Angela Merkel an, als er ihr eine Fähnlein Fieselschweif-Plakette überreichte. Und Fed-Präsident Ben Bernanke goss zusätzlich Öl ins Feuer, als er meinte, die Erholung der US-Wirtschaft verlaufe „holprig“ und „enttäuschend“. Jetzt noch ‚ne Finanzmarktkrise, so könnte man beide Statements zusammenfassen, dann rutschen wir gleich wieder in eine Rezession.

In Relation zu den Analystenerwartungen waren die amerikanischen Konjunkturdaten zuletzt so schlecht wie im vierten Quartal 2008 kurz vor dem Höhepunkt der Wirtschaftskrise (Bloomberg-Anwender wählen CESIUSD Index). Deutschland strahlt hingegen in vollem Glanze, wie die Zahlen zu den Industrieaufträgen gestern zeigten. Die Bundrenditen stiegen an, wohingegen die US Treasury-Renditen (im späten Handel) fielen. Bei weiteren schwachen US-Daten wird‘s für die Bundrenditen jedoch nahezu unmöglich, einen nachhaltigen Aufwärtstrend zu entwickeln. EUR-USD schickt sich derweil zum zweiten Mal in diesem Jahr an, die Marke von 1,50 ins Visier zu nehmen (aktuell: 1,4670). Ein großer Schritt in diese Richtung könnte morgen erfolgen, sollte Trichet auf der EZB Pressekonferenz bestätigen, dass die Notenbank 340-Sextillionen-fach wachsam gegenüber Inflationsrisiken ist…