BANKINGNEWS: Was sind die aktuell schwierigsten Herausforderungen für Banken?
Dirk Emminger: Es gibt interne Aspekte wie etwa Kostendruck durch die Niedrigzinsphase und Kosten durch Regulierung, aufgrund derer man viel Budget benötigt, um eine Bank auf der IT-Seite überhaupt laufen lassen zu können. Folglich bleibt wenig übrig, um noch Innovation zu fahren. Das sind die internen Herausforderungen. Die externen sind, dass neue Player auf den Markt kommen. User-Experience wird extrem wichtig. Eine Bank wie N26 ist hier Vorreiter und sie spielen diesen Vorteil auch sehr gut in der Neukundenakquise. Doch auch im Firmenkundensegment kommt Neues auf den Markt, während im Payment-Bereich große amerikanische Unternehmen vor den Toren Deutschlands stehen. Zudem beginnen viele Nicht-Banken damit, Finanzdienstleistungsprodukte anders zu verpacken und damit an den Start zu gehen.
Oft hören wir Kritik an der Silo-Denkweise von Banken bezüglich ihrer IT-Struktur. Haben externe Supporter es wirklich so schwer, eine Lösung zu implementieren?
So pauschal würde ich es nicht ausdrücken. Mit Sicherheit ist es ein Problem, dass viele Banken in den letzten Jahren diverse Projekte gefahren haben, um ihre Strukturen sauber abzubilden. Es gibt wahrscheinlich keine Bank, die nicht bereits das dritte Data-Warehouse-Projekt hat. Die Frage ist: Wie vereinbare ich diese Altsysteme mit Veränderungen im Kundenverhalten? Früher hatten wir die klassische Filiale, vielleicht mal das Telefon. Heute haben wir auf der Kanalseite, ohne das Wort Omnichannel noch zusätzlich zu belasten, diverse Punkte: Wir haben alleine bei den heutigen Online-Auftritten eine Vielzahl von Endgeräten neben den klassischen Kontaktpunkten. Diese treffen auf alte IT-Strukturen, die die Komplexität nicht mehr abbilden können. Auf der Implementierungsseite ist weniger die Technologie ein Problem, als vielmehr das prozessuale Thema rund um die bestehenden Altsysteme.
Ist das nicht ein Widerspruch? Banken bemühen auf der einen Seite den Begriff Omnichannel. Auf der anderen Seite bleibt es intern bei der Silo-Denkweise.
Absolut. Hier wird auch im Marketing unheimlich viel Geld verschwendet. Der Klassiker: Man macht aus einem analytischen CRM eine digitale Kampagne und verschickt im schlimmsten Fall Post an 200.000 Kunden, die dann aber in ihrem Antwort-Fluss nicht mehr vernünftig integriert werden. Das widerspricht dem Marketing-Ansatz vollkommen. Betrachtet man Strukturen außerhalb der Bank, wird deutlich, dass dort viel modernere Systeme verwendet werden, um auf allen Kanälen präsent zu sein.
Temenos zufolge seien 61 Prozent der Banker mit ihrem eigenen Marketing nicht zufrieden. Wo sehen Sie die Gründe dafür?
Oftmals sind Marketing-Daten nicht aktuell. Es ist heute nicht mehr ableitbar, wenn ich irgendwann einmal für eine Kontoeröffnung eine Filiale aufgesucht habe, dass ich dann andere Dinge auch über eine Filiale kommunizieren möchte. Des Weiteren haben klassische Banken irgendwann entschieden, eine App zu launchen. Jetzt stellen Sie sich vor, Sie haben eine Kampagne aufgesetzt und wollen Kunden neue Kreditkarten anbieten. Nun stellen Sie fest, dass das anklickbare Bild der Kampagne falsch ist. Wen kontaktieren Sie dann?
Einen Lernprozess integrieren
Mit einem Gespräch ist es wohl nicht getan.
Genau. Sie müssen im Zweifel mit mehreren Entwicklern und Fachbereichen sprechen – im Falle eines tieferliegenden Fehlers in einer Kampagne sprechen Sie dann auch noch mit je einem Entwickler für die jeweilige Plattform der App. Zudem mit dem Verantwortlichen auf der Infrastruktur-Ebene, d.h. solche Kampagnen sind häufig digital gar nicht sinnvoll durchführbar. Daher rührt die Zahl.
Betonen Sie deswegen, dass nun ein Paradigmen-Wechsel im Marketing nötig sei? Und wie müsste dieser aussehen?
Wir müssen den Kunden temporär auf der Customer Journey begleiten und passende Themen für ihn anbieten. Dabei kann man sich an klassischen W-Fragen orientieren: Wen spreche ich als Kunden an? Also muss ich Kunden-Cluster bilden. Warum spreche ich ihn an? Das ist fast psychologischer Natur, denn ein Kunde reagiert nicht auf die dritte Kreditkarte, wenn er bereits zwei besitzt. Wann spreche ich ihn an? Ich muss nicht nur den Zeitpunkt herausfinden, sondern auch welchen Kanal ich verwende. Was will ich ihm anbieten? Es muss also ein sinnvolles Produkt für ihn geben.
Sie gehen in der individuellen Kundenansprache also einen Schritt weiter.
Ja. Wir benötigen ein Tool, das gesammelte Kundendaten analysiert. Ich muss regelbasiert herausfinden, mit welchen Themen ich den Kunden konfrontiere. Es ist vollkommen irrelevant, wenn der Kunde seinen letzten Dauerauftrag löscht und ich ihm dann eine neue Kreditkarte anbiete. Stattdessen muss ich eine Kundenrückgewinnungsaktion starten und mir den Kanal vorher genau überlegen. Marketing muss sich dahingehend ändern, nicht mehr in riesigen Kundengruppen zu denken und es muss dringend einen Lernprozess integrieren, also eine Reflexion darüber, wie und ob das Ganze funktioniert hat. Wir haben eine vollständig digitale User-Experience-Plattform, die es Bankmitarbeitern ohne Entwicklungsskills ermöglicht, digitale und realtimebasierte Kampagnen über alle Kanäle zu fahren. Wir können dies unabhängig vom darunterliegenden Kernbankensystem anbinden und mit dieser Software auch bestehende Big-Data-Analysen matchen sowie daraufhin in Realtime alle Kanäle bespielen.