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„Das erfordert mehr Mut“

Was macht eigentlich ein Agile Coach in einer Bank? Diese Frage kann Christine Stumpf genau beantworten.


Christine Stumpf ist Koordinatorin Solution Lab bei der Hanseatic Bank und ist Dozentin für Agile Methoden.

BANKINGNEWS: Was machen agile Methoden aus und wie werden sie umgesetzt?
Christine Stumpf: Agile Methoden gehen davon aus, dass unsere Arbeitsweise möglichst flexibel auf sich schnell ändernde Anforderungen reagieren muss. Deshalb bevorzugen wir ein iteratives Vorgehen, Experimente und kurze Feedbackloops mit Kunden und Anwendern. Die Methoden setzen wir Schritt für Schritt um, indem wir mit den Teams Boards aufbauen, die ihre Arbeit visualisieren. Wir coachen sie darin, ihre Aufgaben nach dem Wert für Anwender und entsprechend der Unternehmensstrategie zu priorisieren und sie dann eine nach der anderen zu erledigen. Außerdem trainieren wir das Planning. Dabei werden die Anforderungen der Nutzer auf Teilaufgaben heruntergebrochen. In diesem Schritt wird viel Wissen ausgetauscht, wodurch ein stabileres Team entsteht, das besser gegen den Ausfall von einzelnen Experten gewappnet ist und mehr Selbstverantwortung übernehmen kann.

Was unterscheidet die Arbeit eines Agile Coach in einer Bank im Vergleich zu anderen Branchen?
Wir haben im Bankenbereich viele regulatorischen Rahmenbedingungen. Sie können dazu führen, dass man zunächst denkt, Prozesse könnten nicht geändert werden, weil sie ja regulatorisch bedingt sind. Deshalb erfordert es in einer Bank noch etwas mehr Mut und von uns Coaches noch mehr Erklärung und Aktivierung des Veränderungswillens.

Wie gehen Sie in der Schulung der Mitarbeiter vor, insbesondere bei jenen, die noch nicht damit gearbeitet haben?
Schon bevor ich als Agile Coach zur Hanseatic Bank kam, wurden externe Schulungen zu den Grundlagen agiler Arbeitsweisen angeboten. Somit gab es eine gute Basis für unsere Arbeit. Wir gehen experimentell und freiwillig vor. Dabei bieten wir den Teams eine Begleitung in der täglichen Arbeit an, genauso wie das Ausprobieren von agilen Projekten in Lab-Phasen. Die Mitarbeiter können eigene Ideen pitchen, die wir viermal im Jahr für jeweils vier Wochen umsetzen. Auch die Bewerbung für crossfunktionale Teams und die Rollen in diesen Teams ist freiwillig.

Was sind die größten Probleme, auf die Sie stoßen?
Eines der schwierigsten Dinge ist, dass ein Team schon sehr selbstorganisiert, selbstverantwortlich und agil arbeiten kann, dass aber die Ergebnisse doch noch von der Flexibilität, von Deadlines und Verfügbarkeiten anderer Teams und Systemen abhängen. Da stoßen wir an Grenzen, die das Team allein nicht lösen kann. Da geht es dann auf die nächste Ebene, die bereichsübergreifende Zusammenarbeit. Es muss eine abgestimmte Priorisierung auf allen Ebenen geben – das ist eine große Herausforderung. Zwischen den Teams gibt es viele Abhängigkeiten und es gibt fast kein Team, das wirklich End-to-End für seine Ergebnisse selbstverantwortlich arbeiten kann.

Wie schnell zeigen sich Ergebnisse?
Die Geschwindigkeit ist unterschiedlich, weil die Teams, deren Aufgaben, Rahmenbedingungen und Herausforderungen verschieden sind. Es gibt Teams, die sind überraschend schnell.Sie erkennen sofort den Wert einer Methode für ihre Arbeit und setzen sie direkt um. Andere brauchen etwas länger. Wir sehen die Ergebnisse unter anderem da, wo Teams, Abteilungen oder schon ganze Bereiche mit Boards arbeiten. Und wir sehen die Ergebnisse bei Projekten, die zunächst mit einem Prototyp starten. Mit dieser Vorgehensweise sind wir nicht nur schneller, sondern lernen stetig dazu und können in Sprints das Projekt so lange im Dialog mit den Anwendern weiterentwickeln, bis der Kunde zufrieden ist.

Wo sehen Sie noch Potenzial für Banken zur Weiterentwicklung?
Im Sinne des konsequenten Innovationsmanagements gibt es immer Potenzial zur Weiterentwicklung, das gilt auch für Banken. Wir stehen in der Innovationsphase von Blockchain und Künstlicher Intelligenz noch am Anfang, müssen aber dranbleiben, um uns auch die nächsten 50 Jahre am Markt zu behaupten. Parallel dazu haben die meisten Banken bei ihren Entwicklungen den tatsächlichen Mehrwert für Kunden nicht ausreichend im Blick – im Gegensatz zu Start-ups, die die Finanzbranche kräftig aufmischen. Hier muss ein Umdenken stattfinden, wenn die Banken weiterhin erfolgreich sein wollen.

Interview: Lea Hoffmann