1958: Das Gesetz zur Gleichberechtigung gilt – hat das auch jeder mitbekommen?

Es ist fast zu einem mühseligen Thema geworden: Gleichberechtigung von Männern und Frauen. Besonders in der Arbeitswelt besteht hier Nachholbedarf. Dabei ist die Gleichberechtigung in Deutschland seit rund 70 Jahren Gesetz. Eigentlich.


Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist heute selbstverständlich, sollte sie zumindest sein. Wir reisen ins Jahr 1958, damals trat das Gleichberechtigungsgesetz in Kraft.

Heute sollte die Gleichberechtigung von allen Personen selbstverständlich sein. Besonders im Berufsleben gibt es bei der Bezahlung von Männern und Frauen jedoch nach wie vor gravierende Unterschiede. Stichwort: Gender Pay Gap. Das betrifft Arbeitnehmerinnen in der Finanzindustrie in hohem Maße. Hier verdienen Frauen rund ein Drittel weniger.

Und: Sie bekommen hier nicht nur weniger Geld als ihre Kollegen, sie haben auch oftmals Schwierigkeiten in höhere Positionen aufzusteigen. Vor kurzem hat die EZB ein Frauenförderprogramm auf den Weg gebracht, dass Frauen bei Einstieg und Aufstieg in der Institution helfen soll. Die Europäische Zentralbank hat sich das Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2026 der Frauenanteil in den unterschiedlichen Management-Ebenen auf 40 Prozent bis 51 Prozent steigen soll.

Ob Quoten der richtige Weg sind, Frauen in solche Positionen zu verhelfen, wird kontrovers diskutiert – von Männern, aber auch von Frauen. Fakt bleibt: Es geht offenbar nicht anders. Besonders, wenn hauptsächlich Männer in Führungsetagen sitzen und entsprechend Entscheidungsgewalt darüber haben, wen sie einstellen. In Alltags- und Arbeitswelt gilt leider immer noch: Dass wir Gleichberechtigung haben, ist wohl noch nicht bei jedem angekommen.

Gleichberechtigung wird Gesetz

Dabei ist seit 1949 per Gesetz vorgeschrieben: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Diesen elementaren Satz haben vier Frauen und 61 Männer im Grundgesetz (Artikel 3 Absatz 2) verewigt.

Aber: Was schriftlich verankert war, wurde nicht zwangsläufig direkt in der Realität ausgelebt. In den Köpfen der Bürger der damals frisch gegründeten Bundesrepublik Deutschland war ein anderes Geschlechterverständnis festgesetzt: Der Mann ist das Familienoberhaupt, das die letzte Entscheidungsgewalt hat. Die Frau sollte sich um Haushalt und Kinder kümmern. So stand es auch im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) von 1896.

Welches Gesetz hatte denn nun „Recht“? Zunächst verstieß also das neue Grundgesetz mit seinen Bemühungen um Gleichberechtigung gegen das weiterhin geltende Bürgerliche Recht. Doch die Gründermütter und -väter hatten das im Blick: In Artikel 117 im Grundgesetz wurde eine Übergangsregelung verankert. Sie besagte: Das alte Gesetz bleibt so lange gültig, bis der Gesetzgeber zu einem neuen Ergebnis kommt. Als Frist dafür wurde der 31. März 1953 angesetzt. Bis dahin musste das erste Parlament ein neues Gesetz ausarbeiten, das die Vorhaben des BGB an den Gleichberechtigungsgrundsatz anpasst.

Gleichberechtigungsgesetz: Der lange Weg zu was?

Das klappte nur mit mäßigem Erfolg: 1954 wurde ein Entwurf der Regierung und Anträge von verschiedenen politischen Parteien übermittelt und der Unterausschuss „Familienrechtsgesetz“ debattierte von 1955 bis 1957 zu ausstehenden Fragen und Änderungen.

Nach hitzigen Diskussionen über die mögliche Erwerbstätigkeit von Frauen, den Güterausgleich bei Trennung und die Wiedereinführung des Letztentscheids (von dem man sich eigentlich schon 1956 losgesagt hatte und der letztlich auch abgelehnt wurde)  beschloss der Deutsche Bundestag am 3. Mai 1957 das „Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts“. In Kraft getreten ist es am 1. Juli 1958. Die neuen Regelungen in dem sogenannten Gleichberechtigungsgesetz sollten nun die im Grundgesetz festgeschriebene Gleichberechtigung von Mann und Frau auch im Bundesrecht umzusetzen.

Darin war zwar die Letztentscheidung des Mannes nicht mehr zu finden, jedoch hatte der Mann – nach wie vor – bei Erziehungsangelegenheiten klares Vorrecht. Vorschläge, die eine Vormundschaft für beide Eltern vorsahen, wurden abgelehnt. Ein „Kompromiss“ wurde auch in puncto Erwerbstätigkeit getroffen: Frauen durften arbeiten, sofern sie dadurch Mann und Kinder nicht vernachlässigen.

Grundlagen für die Gleichstellung

Ein wichtiger Schritt in Richtung Gleichberechtigung wurde allerdings im Gesetz erreicht: Die Regelung zur „Zugewinngemeinschaft“ besagte, dass alles, was die Ehepartner zusammen in der Ehe erwirtschaftet haben, zu gleichen Teilen unter den Partnern aufgeteilt wurde. Und somit fiel auch das von der Frau in die Ehe eingebrachte Vermögen nicht automatisch dem Mann zu.

Letztlich bleibt festzuhalten, dass das erste Gleichberechtigungsgesetz von 1958 die ursprünglichen Ziele nicht vollkommen umsetzen konnte. Das klassische Rollenverständnis und die traditionelle Rollenverteilung im privaten und öffentlichen Bereich blieben bestehen.

Dennoch wurden mit dem Gesetz wichtige Grundlagen für die Gleichstellung der Geschlechter gelegt. Denn Regelungen zum Mutterschutz, zu den Rechten nichtehelicher Kinder und zur Aufgabenteilung in der Ehe folgten im Lauf der Zeit. Und auch die Finanzielle Inklusion von Frauen in Deutschland hat Fortschritte gemacht: 1962 durften Frauen erstmals ein eigenes Bankkonto eröffnen und damit ihr Geld selbst verwalten. Im Jahr 2017 besaßen 95 Prozent der Frauen in Deutschland ein eigenes Konto, wie die Bundesbank meldete.

Finanzbranche: vollkommen in Frauenhand?

Und wie sieht es bei denen aus, die das Geld verwalten? In der Finanzbranche beobachtet man mittlerweile nicht nur bei der EZB Bemühungen, das Thema Gender oben auf die Agenda zu bekommen. Einige Banken zeigen, dass sich hier bereits etwas getan hat. Es gab zwar schon Anfang des 20. Jahrhunderts in eine Bank vollkommen in Frauenhand: Die „First Woman’s Bank“ im US-amerikanischen Clarksville ist aber bis heute ein Einzelfall.

Doch schaut man sich in Europas Banken um, findet man Frauen an der Spitze: Carola Gräfin von Schmettow leitet das Bankhaus HSBC Trinkaus & Burkhardt, ‎Ana Botín die globale Banco Santander, Dorothee Blessing ist Co-Chefin für das Europa-Geschäft bei J.P. Morgan und Iris Bethge-Krauß ist Hauptgeschäftsführerin des Bundesverband Öffentlicher Banken Deutschlands (VÖB). Es gibt also durchaus Frauen in Führungspositionen, auch in der Finanzbranche.

Tipp: Wenn Sie mehr darüber lesen möchten, wie sich für Frauen im Finanzsektor etwas ändern kann, klicken Sie hier.

Doch bei der Gleichberechtigung ist noch nicht alles erreicht. Die wichtigsten Etappen hin zu mehr Gleichberechtigung werden im Kopf zurückgelegt. Gleichberechtigung ist nicht nur Aufgabe von Gesetzen, sondern auch Einstellungssache. Wenn das überall ankommt, muss der „Global Gender Gap Report“ (GGGR) nicht erst in 100 Jahren von Gleichheit auf der Welt berichten.

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