EU, übernehmen Sie!

Laut einer vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebenen Studie erfüllen nicht alle Banken und Versicherungen ihre Dokumentationspflicht. Minister Heiko Maas will nun neue Maßnahmen ergreifen, um die gesetzlichen Vorschriften besser durchzusetzen. Was bringen die tollsten Gesetze der Welt, wenn sie keiner einhält? Richtig, herzlich wenig! 2007 legte der Gesetzgeber der Versicherungsbranche und drei Jahre später der…


Laut einer vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebenen Studie erfüllen nicht alle Banken und Versicherungen ihre Dokumentationspflicht. Minister Heiko Maas will nun neue Maßnahmen ergreifen, um die gesetzlichen Vorschriften besser durchzusetzen.

Was bringen die tollsten Gesetze der Welt, wenn sie keiner einhält? Richtig, herzlich wenig! 2007 legte der Gesetzgeber der Versicherungsbranche und drei Jahre später der Bankenbranche eine Dokumentationspflicht über Kundengespräche auf. Ist der Kunde falsch beraten worden, macht sich die Bank schadensersatzpflichtig. Diese Rechtsfolge ist nicht neu, sie gab es schon vorher. Neu ist auch nicht, dass es für den Kunden immer schwer war, die Schuld der Bank zu beweisen. Neu ist nur, dass ein Protokoll über das Gespräch geführt wird. So soll die Beweislast des Geschädigten bei einem eventuell anfallenden Schadensersatzprozess vereinfacht werden.
Eine nun vom Bundesjustizministerium durchgeführte Studie des Instituts für Transparenz (ITA) kommt zum Schluss, dass Banken und Versicherungen ihren gesetzlichen Vorschriften gar nicht oder nur sehr nachlässig nachkommen. Nur knapp 25% der 119 ausgesendeten Testkäufer erhielten ein Gesprächsprotokoll. Von diesen enthielt, so die Auswertung, kein einziges alle gesetzlich vorgeschriebenen Informationen. Die Bank- und Versicherungsmitarbeiter benutzen gerne Textbausteine und orientieren sich nicht am individuellen Gesprächsverlauf. Häufig fehlten in Gänze die ausgesprochenen Empfehlungen und die potenziell eintretenden Gefahren. Sie enthalten somit genau das nicht, was der Gesetzgeber bezweckte. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) will diesem Missstand nun gegensteuern. Er trifft sich mit Branchenvertretern, Verbraucherschützern und Wissenschaftlern, um über entsprechende Maßnahmen zu reden.
Man kann über Sinn und Unsinn der Dokumentationspflicht streiten. Sie existiert nun einmal und über den Sinngehalt soll hier nicht geschrieben werden. Mir stellt sich nur die Frage, was das Bundesjustizministerium bei der Verabschiedung dieses Gesetzes erwartet hat? Freudenschrei bei den Bankmitarbeitern über noch mehr gesetzliche Pflichten? Wer das annimmt, muss naiv sein. Arbeitszeugnisse dürfen keine Standardfloskeln und/ oder eine Geheimsprache enthalten. Jeder, der mit diesen Dokumenten zu tun hat, kann vom Gegenteiligen berichten. Was offiziell verboten ist, ist Alltag.
Bankmitarbeiter haben mehr zu tun, als nur Protokolle zu schreiben. Sie sind schließlich keine verkannten Poeten. Im Übrigen sind Textbausteine eine gute Zeitersparnis.
Welche Maßnahmen nun will Maas ergreifen? Noch strengere Regeln aufzuerlegen? Wo doch die bereits bestehenden nur (sehr) schlecht verfolgt werden? Wie gut sind denn eigentlich bessere Regeln, wenn die bereits bestehenden noch nicht einmal effektiv kontrolliert werden?
Abhilfe schaffen kann eigentlich nur eine Aufnahme des gesprochenen Wortes. Diese Maßnahme ist jedoch nicht durchzusetzen. Erstens muss der Schutz des gesprochenen Wortes (§ 201 StGB) geändert werden und zweitens das Arbeitnehmerdatenschutzgesetz. Probleme bereitet mehr der zweite Punkt als der erste. Der Schutz auf personelle Selbstbestimmung ist schließlich ein Grundrecht und kann nicht ohne Weiteres eingeschränkt werden. Schließlich dürfen Arbeitgeber auch nicht einfach Videokameras an den Tischen installieren, um zu prüfen, ob all ihre Angestellten fleißig arbeiten.
Aber Stopp, ein Hintertürchen ist offen. Justizstaatssekretär Gerd Billen (Bündnis 90/ Die Grünen), ein Verfechter der Tonbandaufnahme, hat es angedeutet. Auf EU-Ebene wird bereits über eine solche Vorschrift diskutiert. Es ist also wieder das alte Spiel. Wenn national etwas nicht umgesetzt werden kann, greift man auf die EU zurück.