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WallstreetBets – Angriff der Millennial-Zocker

Robinhood, Trade Republic & Co. haben es geschafft: Die jüngere Generation hat die Börse für sich entdeckt. Als unerfahrene Anleger lauern dort jedoch auch Gefahren für sie.


Immer mehr jüngere Menschen entdecken die Börse für sich.

Lange Zeit schien es ein fast aussichtsloses Ziel zu sein, die Millennials und Generation Z für Geschäfte am Aktienmarkt zu begeistern – besonders im börsenscheuen Deutschland. Die Broker für Anfänger wollten nicht wirklich Fahrt aufnehmen. Dem provisionsfreien US-Broker Robinhood und seinem deutschen Gegenstück Trade Republic ist jetzt, befeuert durch die Corona-Pandemie, das Unmögliche geglückt: Eine Generation gelangweilter Teenager und junger Erwachsener im Hausarrest hat das Trading für sich entdeckt.

Die Studie „Aktienkultur in Deutschland“ im Auftrag der „Aktion pro Aktie“, einer Initiative von comdirect, Consorsbank und ING Deutschland, hat ergeben, dass bereits knapp vier von zehn Deutschen unter 25 Jahren Aktien besitzen. Nur die 45- bis 54-Jährigen haben mehr Aktien in ihrem Portfolio.

Neben dem begrenzten Angebot an Freizeitaktivitäten während der Corona-Krise dürfte ein weiterer Katalysator für die plötzliche Nachfrage auch die ungewohnt hohe Volatilität sein, die im letzten Jahr zur Normalität an den Börsen geworden ist – ein Markt, der auch risikofreudig macht. Und die risikofreudigsten unter den jungen Anlegern finden sich auf dem Reddit-Unterforum „r/wallstreetbets“.

Schon vor der Corona-Krise ist hier eine Art Subkultur entstanden, in der sich meist unerfahrene Trader zu immer riskanteren Manövern anstacheln, den eigenen „Weg zum Lamborghini“ dokumentieren und sich an den oftmals existenzbedrohenden Verlusten ihrer Mitstreiter ergötzen. Tabus gibt es kaum welche. Das schmutzige Wort ist der „Aktienkauf“, der als unprofitabel und Marktinstrument der Großvatergeneration gilt.

Ein „respektabler“ Nutzer auf r/wallstreetbets handelt fast ausschließlich mit Optionen, am liebsten günstige Calls oder Puts, bei denen das Verfallsdatum in der Nähe und der Strike-Preis noch in weiter Ferne liegen. Mit anderen Worten: Der Gewinn ist sehr unwahrscheinlich, aber im Falle des Eintreffens gewaltig.

Dass eine solche Strategie nichts mit herkömmlichen Investments zu tun hat, weiß man auch im Forum, das die Besucher meist liebevoll als Casino bezeichnen. Und wie Spielsüchtige in einem echten Casino setzt man hier oftmals alles auf eine Karte, das sogenannte YOLO.

Schadenfreude in den Foren

Entsprechend häufig finden sich im Forum Beiträge, in denen Foristen ihre Verluste teilen, oftmals im Wert von mehreren hunderttausend US-Dollar – hier werden sie schadenfroh als „loss porn“ gekennzeichnet und erinnern fast an eine Art Feuertaufe.

Der Forennutzer mit dem Namen u/Chronicklez erlangte zum Beispiel traurige Berühmtheit, weil er in der Corona-Krise auf den Absturz des amerikanischen Marktes wettete und in nur drei Monaten sein investiertes Vermögen von fast 150.000 US-Dollar verlor.

Größeres mediales Interesse erlange das Online-Forum vor allem durch die Entdeckung des „infinite money glitch“ auf Robinhood. Der Forennutzer u/ControlTheNarrative hatte bemerkt, dass es mit der Premium-Variante des Smartphone-Brokers möglich ist, mit geringem Eigenkapitaleinsatz unverhältnismäßig große Handelspositionen zu eröffnen.

Weil Robinhood fälschlicherweise den Wert von Call-Positionen zum Investitionskapital eines Nutzers rechnet, konnte dieser immer größere Positionen eröffnen, also quasi mit unbegrenztem Leverage handeln. So machte u/ControlTheNarrative aus 2.000 US-Dollar in kurzer Zeit eine Kaufkraft von über 50.000 Dollar.

Der Glitch ist mittlerweile behoben und der Account des Nutzers gesperrt. Das Vertrauen in Robinhood und andere Fintech-Broker bleibt allerdings beschädigt. Auch immer neue Geschichten über Millennial-Zocker, die ihre Ersparnisse in riskanten Geschäften verspielen, könnten ihren Ruf weiter beschädigen.

Robinhood, Trade Republic & Co. können stolz darauf sein, das geschafft zu haben, woran die Branchengrößen zuvor gescheitert sind: Sie haben die Generation Y und Z an die Börse gebracht. Jetzt müssen Sie ihren Zugang nutzen, um über Risiken aufzuklären und Know-how aus den richtigen Quellen zu vermitteln. Nur so wird die junge Generation auch langfristig dort bleiben.

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