Plattformen wie Airbnb, Opodo oder Booking haben die Reisebranche tiefgreifend verändert. Am auffälligsten ist das auf der Angebotsseite: Heute lassen sich weltweit Millionen Privatwohnungen, Gästezimmer, aber auch Führungen und andere Aktivitäten buchen, die vor Jahren noch nicht auf dem Markt waren. Doch der Wandel auf der Kundenseite wird häufig übersehen. Flugreisen, Zimmer, Mietauto und die dazu passenden Versicherungen buchen Kunden heute meist selbst über das Interface unterschiedlicher Plattformen, ohne Hilfe und Beratung eines Reisebüros.
Selbst ist der Kunde! Das gilt inzwischen nicht nur bei Reisen und im Online-Handel, sondern auch im B2B-Bereich, beispielsweise bei Amazons Händler-Plattform oder im Anzeigen-Buchungssystem von Google.
Und das gilt zunehmend auch für den Finanzsektor. Die Sparkassen etwa bieten ihren Kunden im Online-Banking einen „Finanzplaner“ an, der wie ein digitales Haushaltsbuch die Kategorisierung und Auswertung von Umsätzen erlaubt. Darauf setzt eine Kontostandsprognose mit Handlungsempfehlungen auf, die es Kunden ermöglicht, ihre Finanzen einfacher in Ordnung zu halten.
Beratung immer und von überall aus
Sparkassen integrieren weitere Services in die Plattform und gewähren Kunden damit nicht nur mehr Transparenz, sondern machen Beratungsleistungen auch online verfügbar. Dazu gehört zum Beispiel ein Selbstberatungstool für Firmenkunden, der sogenannte Business-Check. Damit können kleine Unternehmen und Freiberufler analysieren, wo sie im Branchenvergleich bei Profitabilität, Umsatzentwicklung oder Forderungsmanagement stehen.
Auf Basis des Analyse-Ergebnisses bekommen sie dann konkrete Vorschläge, wie sie ihre Position verbessern können. Weitere Ausbaustufen hin zu einer modularen betriebswirtschaftlichen Beratung, aufbauend auf den hinterlegten Finanz- und Buchhaltungsdaten, sind in Planung. Solche Angebote helfen, einer an Plattformen und digitalen Angeboten geschulten Anspruchshaltung der Kunden gerecht zu werden, nämlich dass Angebote immer und von überall aus erreichbar sind.
Dabei wird nicht immer eine persönliche Kontaktmöglichkeit erwartet, sehr wohl aber mobil und einfach bedienbare Funktionalität. Kunden gewöhnen sich mit zunehmender Digitalisierung daran, Anliegen selbst zu lösen, die früher ein Dienstleister übernommen hat. Das ist allerdings kein Freibrief, um die Komplexität mancher bankinternen Prozesse eins zu eins in die Nutzeroberfläche des Online-Bankings zu übertragen. Mehr Information und Transparenz für Kunden darf nicht zu Reizüberflutung bei ihnen führen. Bei der Gestaltung der Kundenreise und des Service-Angebots kommt es auf das genaue Verständnis der Bedürfnisse an.
Einfachere Fragen allein lösen
Indem sie ihren Kunden „Know-how“ und „How-to“ stärker als bislang online verfügbar machen, profitieren auch die Banken. Kunden können mit Tools wie der wirtschaftlichen Selbstberatung einfachere Fragen allein lösen und sich einen ersten Überblick über ihre Lage verschaffen. Die stationäre Beratung wird damit von einfachen, standardisierbaren Anliegen entlastet und kann sich auf anspruchsvollere Bedürfnisse konzentrieren.
Kunden sind für Bankgespräche besser vorbereitet, die Qualität der Beratung steigt und damit auch die (digitale) Kundenbindung insgesamt. Dieses Potenzial optimal zu heben, erfordert eine nahtlose Nutzererfahrung in den verschiedenen Kontaktpunkten und Vertriebswegen der Banken. Technisch gesehen sind unterschiedliche Automatisierungsstufen denkbar. Strategisch interessant ist die Frage, wo die Schwelle für die Automatisierung solcher Prozesse liegen sollte.
Wann ist es also vorteilhaft, wenn Kunden ein Anliegen einfach online erledigen können, und an welchem Punkt wird eine persönliche Beratung erwartet? Wie viel Informations- und Gestaltungsmöglichkeiten erwarten welche Kundengruppen? Welche Positionierung passt hier zum Leistungsversprechen der Bank und zu den Bedürfnissen ihrer Kunden? Fest steht: Auch zukünftig wird die direkte, menschliche Beziehung zwischen Kunden und Beratern von zentraler Bedeutung sein.
Oliver Wyman etwa kommt zu dem Schluss, dass die Bank-Kunden-Beziehung als Differenzierungsfaktor sogar wichtiger werden könnte, wenn Standardleistungen künftig digital und maschinell erbracht, also ins Netz verlagert werden. Banken werden ihren Kunden dann seltener von Angesicht zu Angesicht begegnen, und sie werden mit weniger Alltagsanliegen konfrontiert. Zugleich werden sie im Durchschnitt wohl deutlich besser informierte und damit vermutlich auch anspruchsvollere Geschäftspartner vor sich haben, wenn es zur Beratung vor Ort kommt. Nähe zum Kunden muss sich dann in beidem ausdrücken: in den einfachen und nützlichen Funktionalitäten einer Finanzplattform ebenso wie im persönlichen Beratungsgespräch vor Ort.
Ausbau einer digitalen Finanzplattform
Die Sparkassen-Finanzgruppe arbeitet bereits seit einigen Jahren am Auf- und Ausbau einer digitalen Finanzplattform im Kontext des Multikanalvertriebs. Schon immer war das regionale Ökosystem eines ihrer Kennzeichen. Heute wird das in die digitale Welt erweitert.
Der „Ansporn“ kommt dabei natürlich auch von den neuen Wettbewerbern, den OnlineBanken, Fintechs und Big Techs. Regelmäßige Usability-Analysen gehören inzwischen zum Standard, genauso wie agile Projektstrukturen und verkürzte Entwicklungszeiten. Ziel dieser Strategie ist es, den Kunden ein finanzielles Zuhause zu bieten. Sie sollen Zugang zu Bankleistungen sowie relevante Near-/Non-Banking-Leistungen über den Weg und zu dem Zeitpunkt ihrer Wahl erhalten.
Dies umfasst neben den notwendigen infrastrukturellen Maßnahmen und der laufenden Optimierung des Nutzererlebnisses auch die Entwicklung neuer Services und Produktangebote. Beispiele sind hier der Ausbau des Leistungsangebots in der App, mobiles Bezahlen, Vertrags-Check oder Schufa-Auskünfte. Es gilt, neue Loyalitäts- und Ertragspotenziale auch in Kooperation mit externen Partnern zu erschließen, also das Geschäftsmodell Sparkasse sukzessive kundenzentriert zu modernisieren.
Tipp: Sie möchten mehr zum Thema Innovation? Dann schauen Sie mal hier.