Digitalisierung ist und bleibt eines der zentralen Themen in der Finanzbranche. Die Corona-Pandemie hat hier zusätzlich als Katalysator gewirkt. Besonders Distributed-Ledger-Technologien, kurz DLT, deren bekanntester Vertreter die Blockchain-Technologie ist, könnte hierbei eine wichtige Bedeutung zukommen.
Denn die dezentrale Struktur der DLT, die Möglichkeit der Tokenisierung von Werten und die Automatisierung von Geschäftsprozessen über Smart Contracts, bieten Potenzial für verschiedene Anwendungsszenarien. Die ursprüngliche Idee der Blockchain-Technologie war es, Finanzinstitute und die mit ihnen verbundenen Intermediäre im Zuge einer Decentralized Finance (DeFi) überflüssig zu machen. Hohe regulatorische Anforderungen etwa beim Know-Your-Customer-Prinzip oder bei Geldwäschevorschriften sorgen dafür, dass die Aufsicht aber auch künftig auf zentrale haftbare Ansprechpartner pocht.
Darüber hinaus haben Use Cases gezeigt, dass nicht jede zentrale Intermediärsfunktion durch Blockchain-Technologie sinnvoll substituiert werden kann. Insofern ist hier eher von einem Open-Banking-Szenario auszugehen, in dem Banken digital vernetzt über Plattformen zusammenarbeiten, um ihre Kunden zu bedienen. Dabei dürfte die Blockchain-Technologie dazu beitragen, dass interne und externe Prozesse neu gedacht und sich die Rollen der Finanzakteure ändern werden.
Erstmals ein digitaler Euro
Im Covered-Bond-Bereich hat die Société Générale 2019 und 2020 mit zwei Test-Emissionen auf sich aufmerksam gemacht. Bei der ersten erfolgte das Cash Settlement noch auf traditionellem Weg. Bei der zweiten Platzierung im Zuge eines Forschungsprojekts mit der französischen Notenbank kam dann erstmals ein digitaler Euro zum Einsatz.
Durch das Settlement über digitales Zentralbankgeld (CBDC) war die Abwicklung der Transaktion komplett über die DLT mit Smart Contracts und ohne Medienbrüche möglich. Das führte zu weiteren Effizienzsteigerungen. Bei den Projekten profitierte die Bank von der französischen Gesetzgebung. Denn diese setzt sich schon seit 2016 mit der Registrierung und dem Transfer von Wertpapieren über die Distributed-Ledger-Technologien auseinander.
Auch die Landesbank Baden-Württemberg beschäftigt sich seit 2016 mit den Einsatzmöglichkeiten der Blockchain-Technologie, zunächst mit Fokus auf Schuldscheindarlehen. Bei den ersten Blockchain-basierten Transaktionen 2017 und 2018 mit dem Automobilhersteller Daimler und dem Telekommunikationsunternehmen Telefónica Deutschland war parallel noch der klassische, papierhafte Abwicklungsprozess notwendig. Im März 2020 erfolgte dann aber erstmals die Begebung eines vollständig digitalen Schuldscheindarlehens, das deutlich schneller abgewickelt wurde. Auch hier war der Kreditnehmer die Daimler AG.
Davor kam es 2019 zur ersten volldigitalen Transaktion eines Asset-Backed Commercial Papers (ABCP). Sie erfolgte zwischen der LBBW als Plattformbetreiber ihrer Emissionsgesellschaft Weinberg Capital DAC und dem Asset Manager MEAG. In Abwesenheit eines gängigen offiziellen Zahlungs-Tokens wurden neben dem ABCP-Token, der das Wertpapier abbildete, auch ein Payment Order Token (POT) geschaffen, der die volldigitale Zug-um-Zug-Übertragung des Investitions- und des Emissionsbetrags sicherstellte.
DLT-Anwendungen im Grundbuchwesen
Auch entlang der Wertschöpfungskette von Covered Bonds lassen sich zahlreiche Anwendungsfälle digitaler Lösungen erkennen, speziell auch der DLT. Hier erscheint ein volldigitales Blockchain-basiertes Cover Pool Management allerdings noch als Vision. DLT-Anwendungen sind dagegen etwa im Grundbuchwesen bereits zu finden. Entsprechende Pilotprojekte sind zum Beispiel aus Dubai, Estland, Großbritannien oder Schweden bekannt.
Auch in der Hypothekenfinanzierung gewinnen digitale Plattformen an Bedeutung. Sie umfassen meist die reine Finanzierungsvermittlung. Die Kreditvergabe selbst erfolgt noch klassisch. Auch die volldigitale Abwicklung eines Immobiliendarlehens über die Blockchain-Technologie ist keine Zukunftsmusik mehr. So hat das österreichische Bundesrechenzentrum zusammen mit einem Start-up ein Pilotprojekt gestartet, bei dem Immobilientransaktionen vom Kaufangebot über die Kreditvergabe bis hin zur Grundbucheintragung über eine Transaktionsplattform erfolgen sollen.
In den letzten Jahren war außerdem das Aufkommen von alternativen Finanzierungsformen über Crowdinvesting-Plattformen unter Einsatz der Blockchain-Technologie zu beobachten. Potenzial entlang der Covered-Bond-Wertschöpfungskette besteht zudem bei der Immobilienbewertung und beim Bonitäts Scoring der Kreditnehmer.
Aufsicht reagiert auf Innovationen
Bei diesen Pilotprojekten dürfen regulatorische Vorgaben nicht außer Acht gelassen werden. Auch hier ist zu beobachten, dass Aufsicht und Gesetzgeber auf die neuen Entwicklungen reagieren. So möchte die Bundesregierung im Zuge ihrer Blockchain-Strategie das deutsche Recht für elektronische Wertpapiere öffnen.
Dabei soll die zwingende Vorgabe einer urkundlichen Verkörperung eines Wertpapiers in Papierform nicht mehr uneingeschränkt gelten. Vielmehr soll die Regulierung elektronischer Wertpapiere technologieneutral erfolgen, sodass künftig eine Begebung auf einer Blockchain möglich ist.
Auch auf EU-Ebene werden die Entwicklungen bei Krypto-Assets und die damit verbundenen Potenziale der Tokenisierung genau verfolgt. Beide Themenfelder sind Teil des Berichts der EU-Kommission zur Weiterentwicklung der Kapitalmarktunion vom Juni 2020.
Ziel ist eine klare Einteilung und Definition von Krypto-Assets, um eine zielgerichtete Regulierung und Aufsicht zu gewährleisten. Szenarien, die bei der heutigen Gesetzgebung noch schwer vorstellbar sind, könnten damit schon bald Realität werden.
Tipp: Sie möchten mehr zum Thema Blockchain? Dann lesen Sie auch den Beitrag „Blockchain: Das wahre Potenzial für Banken“ oder erfahren Sie in unserem BANKINGCLUB-Daily „Was ist eigentlich …?“ alles zur Entstehung und Funktionsweise der Blockchain.