Inflation ist immer und überall ein monetäres Phänomen. So lautet die Kernbotschaft der monetaristischen Geldtheorie (nach Milton Friedman, Wirtschaftsnobelpreis 1976). Je höher die Wachstumsrate der Geldmenge, desto höher ist die Inflationsrate, und umgekehrt. Die Realität zeigt heute jedoch etwas anderes. Obwohl die Geldmenge in der Euro-Zone zuletzt kräftig gestiegen ist, liegt die Inflationsrate deutlich unter ihrem Zielwert.
Ursache für die anhaltend niedrigen Verbraucherpreise waren in den vergangenen Jahren die Globalisierung, die Digitalisierung und die niedrigen Energiepreise. Der kräftige Anstieg der Geldmenge hat die Verbraucherpreise kaum tangiert, die Preise für Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien wurden jedoch nach oben getrieben. In den kommenden Jahren dürften auch die Verbraucherpreise wieder steigen. Eine monetär bedingte Inflation mit zweistelligen Werten ist aber nicht zu erwarten. Die monetaristische Kernbotschaft „Viel Geld = viel Inflation“ scheint im 21. Jahrhundert nicht zu gelten.
Der Ölpreis etwa lag seit Ende 2018 fast immer unter dem des Vorjahres. Eine Ausnahme gab es zum Jahreswechsel 2019/2020. An dieser Konstellation dürfte sich auch bis März 2021 kaum etwas ändern. Danach wird der Vorjahresvergleich einige Zeit positive Werte generieren, denn die Vergleichsbasis für die Monate März bis Mai 2021 ist extrem niedrig. Im Frühjahr 2020 stürzte der Ölpreis nämlich ab. In den USA notierte das Fass WTI-Öl am 20. April mit minus (!) 36 US-Dollar. Seit Juni liegt der Preis für das Barrel Nordseeöl Brent wieder im Bereich zwischen 40 und 45 Dollar. In der Annahme, dass sich der Brent-Ölpreis 2021 zwischen 45 und 50 US-Dollar bewegt, kehrt sich der Einfluss der Energie auf die Verbraucherpreise um. Der Ölpreis wird 2021 für einen gewissen Auftrieb bei den Inflationsraten sorgen.
Gewisse inflationäre Impulse
Die in den 1980er-Jahren forcierten Verlagerungen industrieller Produktionen in die Schwellenländer sorgten neben dem weltweiten Abbau von Zöllen und Handelshemmnissen für einen langanhaltenden Druck auf die Preise. Allerdings ist die Globalisierung seit Jahren gewissermaßen auf dem Rückzug. Dieser wurde durch den Handelsstreit der USA mit China und der EU sowie durch die Corona-Pandemie noch beschleunigt. Die Regionalisierung der Produktion „systemrelevanter“ Güter wird diese Güter verteuern. Die Flut an Strafzöllen und anderen Handelsbeschränkungen treibt ebenfalls die Preise und sorgt für gewisse inflationäre Impulse.
Die zunehmende Verlagerung des Handels von stationären Geschäften ins Internet hat die Preise transparenter gemacht und die Preissetzungsmacht der Hersteller geschwächt. Erscheint ein Produkt zu teuer, wird eben online ein anderer Anbieter gesucht, der günstigere Preise aufruft. Im Zuge der Corona-Pandemie erhielt der Online-Handel einen zusätzlichen Schub. Die Digitalisierung hält den Preisauftrieb damit auch weiterhin in Schach.
Viel Geld = viel Inflation?
Im vergangenen Jahr war der Arbeitsmarkt in den USA von Vollbeschäftigung gekennzeichnet. In Deutschland herrschte in zahlreichen Branchen ein ausgeprägter Fachkräftemangel. Gleichwohl kam es nicht zu der gefürchteten Lohn-Preis-Spirale. Doch die Arbeitslosenquote in den USA schnellte aufgrund der Corona-Pandemie nach oben. In Deutschland nahm die Kurzarbeit deutlich zu. Damit dürfte eine Lohn-Preis-Spirale in noch weitere Ferne gerückt sein. Die Inflationsraten in der Euro-Zone werden voraussichtlich noch einige Monate ein negatives Vorzeichen behalten. Am Ende des 1. Quartals 2021 rechnen wir mit Werten um 0,5 Prozent, die im weiteren Jahresverlauf wieder über die Marke von einem Prozent steigen. Im Jahresdurchschnitt 2021 dürfte die Euro-Inflationsrate bei knapp ein Prozent liegen.
Fazit: Der kräftige Anstieg der Geldmenge hat die Verbraucherpreise kaum verändert. Jedoch wurden die Preise für Vermögenswerte wie Aktien und Immobilien spürbar nach oben getrieben. De-Globalisierung und höhere Energiepreise sorgen für Preisauftrieb. Digitalisierung und schwächere Arbeitsmärkte sprechen gegen steigende Preise. Insgesamt dürfte der jahrelange Druck auf die Verbraucherpreise tendenziell nachlassen und höhere Inflationsraten ermöglichen. Eine monetär bedingte, „galoppierende“ Inflation mit zweistelligen Werten ist jedoch nicht zu erwarten. Die monetaristische Kernbotschaft „Viel Geld = viel Inflation“ scheint heute also nicht (mehr) zu gelten.
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