Als PayPal im Jahr 2004 in Deutschland startete, war dies in der Finanzwelt bestenfalls eine Randnotiz – handelte es sich doch um eine reine Online-Bezahlmethode für das Auktionshaus eBay. Jetzt, elf Jahre später, sieht die Welt schon anders aus. Neben oben aufgeführten Zahlungsdienstleistern aus dem Near-Bank-Sektor drängen auch Technikriesen wie Apple, Google und Facebook in das „Hoheitsgebiet“ der Kreditinstitute vor. In den USA, China, aber auch Afrika und Russland hat der Abgesang auf Teile der Finanzwelt bereits begonnen. Auch unsere europäischen Nachbarn befinden sich im FinTech-Wandel; so will Schweden endlich das Bargeld abschaffen. Und in Deutschland? Hier sah man der Entwicklung lange Zeit teilnahmslos zu – sind wir doch mit die letzte Bargeldbastion unter den Industrienationen.
Aber sind wir das wirklich? Einer Studie der IFH Köln zu Folge betrug bereits im Jahr 2012 der Anteil PayPals an allen Online-Bezahltransaktionen stolze 29%, und rund 70% der Konsumenten nutzten diesen Anbieter zumindest sporadisch. Demgegenüber steht der stationäre Handel. Laut dem EHI Retail Institute ist in Deutschland nach wie vor die Barzahlung mit rd. 53% die Nummer 1 – allerdings dicht gefolgt von EC- und Kreditkartenzahlungen mit rd. 44%, jeweils bezogen auf 2014.
Schnelle und kostengünstige Alternativen zur Bank
Nicht zuletzt dem historischen Niedrigzinsniveau ist es zu verdanken, dass das provisionstragende Geschäft für die Banken und Sparkassen zusehends an Bedeutung gewinnt. So beträgt beispielsweise bei den Sparkassen der Anteil des Girokonto-, Zahlungsverkehrs- und Kartengeschäftes an den gesamten Provisionsüberschüssen im Jahr 2014 knappe 50%. Bei den Genossenschaftsbanken dürfte es ähnlich aussehen. Und auch für Privatbanken ist dieses Geschäftsfeld zumindest in der Regel nicht unrentabel. Folglich werden große Teile der Provisionsüberschüsse direkt von Non- und Near-Banks bzw. FinTechs bedroht; denn Konto-, Zahlungsverkehrs- und Kartengeschäft sind exakt die Betätigungsfelder von z. B. PayPal, Alipay & Co., die mit Digital Wallets und Mobile Payment innovative, schnelle und kostengünstige Alternativen zur klassischen Bank bieten.
Wissenschaftliche Studie
Vor diesem Hintergrund habe ich mich mit meiner Studiengruppe an der Frankfurt School of Finance and Management im Frühjahr diesen Jahres dazu entschieden, die Abschlussstudienarbeit zu diesem interessanten und brandaktuellen Thema anzufertigen. Neben einer kurzen globalen Marktumfeldanalyse und einer Branchenstrukturanalyse des deutschen Finanzsektors führten wir vor allem eine prospektive empirische Erhebung durch. Deren Kernaussagen bzw. die wesentlichen hieraus abzuleitenden Schlussfolgerungen möchte ich an dieser Stelle gerne umreißen.
Bank hinkt hinterher
Wie sieht es in Deutschland mit der Bekanntheit von Zahlungsmöglichkeiten im Sommer 2015 aus? Bei den klassischen Bankprodukten Online-Banking, EC- und Kreditkarten liegt die Nutzungsquote bei über 80%, die Bekanntheit hat mit knapp 100% bereits völlige Marktabdeckung erreicht. Allerdings steht die Bekanntheit von digitalen Zahlungsverkehrs-Drittanbietern wie z. B. PayPal mit rd. 95% den Bankprodukten in nahezu nichts nach. Und deren Nutzungsquote (bei zumindest sporadischer Nutzung) liegt mit 66% sogar bei zwei von drei Bankkunden – mehr als es jedem Kreditinstitut recht sein kann und sollte. Zum Vergleich: Die Banking-Apps der jeweiligen Hausbank liegen hier mit einer Bekanntheit von 80% und einer Nutzung von gerade einmal 33% deutlich hinter den Drittanbietern zurück.
Woran liegt das? Zum einen sind die digitalen Zahlungsverkehr-Drittanbieter im Netz deutlich präsenter als es jede Banking-App sein kann. Zum anderen aber mangelt es offenkundig an der gezielten Ansprache und Beratung durch die Banken. Anders kann nicht erklärt werden, warum gerade einmal 20% aller Nicht-Banker von ihrem Bankberater auf App-Nutzung u. Ä. angesprochen wurden.
FinTechs: Fehlendes Vertrauen bei Sicherheit
Den Befragten ist bei der Abwicklung ihres Zahlungsverkehrs der Rangfolge nach vor allem Sicherheit, unkomplizierte und schnelle Abwicklung sowie Kostenfreiheit wichtig. FinTechs sind in der Lage, die Ansprüche Nr. 2 und 3 zu erfüllen. Das ist die Chance für die Banken, denn mit stolzen 86% ist die Sicherheit das mit Abstand wichtigste Kriterium zur Wahl eines Zahlungsdienstes. Und immerhin 44% der Befragten misstrauen in diesem Punkt offen den FinTechs.
Schlussendlich gaben mehr als 80% der Befragten an, dass sie an Digital Wallets und Mobile Payment Lösungen interessiert sind und prinzipiell bereit wären eine Lösung der Hausbank ggf. künftig zu nutzen. Demgegenüber gilt es kritisch darauf hinzuweisen, dass rund 20% aller Befragten einen direkten Gehaltstransfer zu einem FinTech in Erwägung ziehen würden, sofern die Hausbank mittelfristig keinen adäquaten Zahlungsverkehr-Service bieten kann.
Legt man die eingangs erwähnte Ertragsstruktur zugrunde, so kommt man zwangsläufig zu dem Ergebnis, dass mittelfristig rd. 20% aller Provisionsüberschüsse aus Konto-, Zahlungsverkehrs- und Kartengeschäften als akut abwanderungsgefährdet bzw. durch FinTechs bedroht zu klassifizieren sind. Dies entspricht beispielsweise 10% aller Provisionsüberschüsse der Sparkassen aus 2014, mithin alleine für diese Säule rund 640 Mio. € jährlich.
Wer nicht kämpft, hat bereits verloren
Das ist nicht hinnehmbar. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wurde von der Deutschen Kreditwirtschaft mit Gründung des Joint-Venture GIMB und dessen Produkt „Paydirekt“ bereits getan und muss energisch von allen drei Säulen des Kreditwesens weiterverfolgt werden – denn eine Lösung kann und sollte sinnvoller Weise nur gemeinsam gelingen. Allerdings wird es nicht funktionieren gegen PayPal, Alipay, Apple und Facebook zu bestehen, wenn das eigene Produkt weder über Mobile Payment inkl. Überweisungsfunktion verfügt noch eine Kreditkarten-Bezahlfunktion integriert ist. Beides ist unverzichtbar, da es sonst für bereits bestehende FinTech-Kunden keine Veranlassung zum Wechsel auf Paydirekt gibt.
Wichtig ist außerdem ein entschlossener gemeinsamer Werbeauftritt idealerweise mit Beteiligung des Einzelhandels unter Herausstellung der Stärken – wie vor allem Sicherheit, unkomplizierter und schneller Abwicklung sowie Kostenfreiheit – und aktive Kommunikation durch die Kreditinstitute und deren Berater.
Denn wie Bertolt Brecht einst ausführte: „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat bereits verloren.“