In den 50iger Jahren bis weit hinein in die 70iger Jahre hatten Banken eine ähnliche Position wie Ärzte: Man wechselte sie einfach nicht. Die Schalterhallen waren groß und einschüchternd, die Öffnungszeiten eher kurz und so etwas wie Kundenorientierung ein Fremdwort. Erst in den 80iger Jahren begann der Kunde sich so zu benehmen wie das ein Kunde darf: Er forderte Service und wechselte im Fall negativer Erfahrung den Anbieter. Mit dem Aufkommen des Internets wurde dieser Prozess noch einmal beschleunigt – neue Anbieter wie Cortal Consors, die Comdirect oder ING Diba gewannen als Direktbanken substantielle Marktanteile. Onlinebanking war schlichtweg bequemer und war nicht an Öffnungszeiten gebunden. Letztlich aber zogen die Platzhirsche, seien es nun die Sparkassen, die Volksbanken oder auch die privaten Banken nach, so dass nun mehr oder weniger online ein einheitlicher Servicelevel angeboten wird. Aber jetzt beginnt ein viel größerer Strukturwandel, gegen den das Aufkommen des Online-Banking wie ein kleiner Windstoß wirken wird.
Mobile und Social wird den Retailbankmarkt radikal verändern
Die Menschen gewöhnen sich mehr und mehr daran, alltägliche Dinge mit dem Smartphone zu erledigen. Es ist eine Frage der Zeit, bis sie damit am Point-of-Sale auch bezahlen werden – Unternehmen wie Paypal, Square und natürlich auch die Giganten Google und Apple werden dafür sorgen. Und die sorgen in einer Art und Weise dafür, wie es der Kunde wünscht: Einfach, schnell, sexy. Bisher waren alle diese Anbieter allerdings darauf angewiesen, dass der Kunde ein Bankkonto, eine Kreditkarte oder etwas Vergleichbares hinterlegt, so dass die orthodoxen Banken doch immer noch irgendwie mitverdient haben. Das wird sich in Zukunft ändern: Google hat schon eine Banklizenz, Facebook erwirbt sie gerade, Apple hat bereits von mehr als 800 Mio. Kunden die Bezahldaten und Newcomer wie Moven oder Fidor zeigen wie mit Innovation, Banking leichter geht und Spaß macht.
Wer macht das Retailbanking der Zukunft? Die Banken? Vielleicht.
Längst ist das Smartphone zu Steuerungsinstrument unseres digitalen Lebens geworden. Und wer das Smartphone und seine digitale Logik beherrscht, wird die Märkte beherrschen, durch die der Kunde mit seinem Smartphone navigiert. Und Retail Banking wird der Kunde in Zukunft durch sein Smartphone erledigen: Er wird Peer-2-Peer-Transfers erwarten, einen personalisierten Finanzberater und vieles mehr. Digital wäre es schon jetzt möglich, seinem Kind Geld auf das Smartphone zu transferieren, dass es nur in der Bücherei ausgeben kann und nicht am Kiosk. Und genau diese Art von Service wird kommen. Wer diese beherrscht wird das Retailbanking beherrschen.
Wer wird das sein? Die Banken? Vielleicht. Letztlich gibt es für die Bankenwelt nur zwei Zukunftsszenarien, ein helles und ein dunkles. Die Internetunternehmen und mit ihnen einhergehend die Fintechs, die wie Pilze aus dem Boden schießen, haben die Logik der digitalen Services, des Smartphones und der Kundenzentrierung besser verstanden als die Banken und könnten das Smartphone zum zentralen Retailbankinginstrument machen. Dann würden die Banken weiterhin gebraucht – als „Backend-Lieferanten“ für das Konto und die Issuingprozesse – sie würden zur verlängerten Werkbank ohne Kundenkontakt. Andererseits könnten die Banken sich aber auch mit einigen Fintechs zusammen tun bzw. diese übernehmen und sich selbst der Digitalen Transformation stellen und sich neu erfinden. Der Startzeitpunkt für diesen Prozess ist genau: Jetzt!