Wenn nun vermehrt Systeme wie Robot Advisory oder Versicherungs-Apps zum Abschluss und Verwaltung von Sachversicherungen in den Markt kommen, dann wird der klassische Bankvertrieb keine Zukunft haben.
Damit ich nicht an Ihnen vorbei schreibe: Mit Vertrieb meine ich die Listen, Kampagnen und Maßnahmen, mit denen die armen Bankmitarbeiter im Kundenkontakt auf die noch ärmeren Kunden losgelassen werden. Maßnahmenorientierter Produktvertrieb. Bis zum 30.11. die Kfz-Versicherung, bis zum 31.12. irgendein Produkt, welches der Gesetzgeber in diesem Jahr abgeschafft hat und ab 1.1. eines, welches er nun ermöglicht. Dann haben wir noch die zum Steuernsparen, Vorsorgen und etliche Versicherungen, die niemand braucht. Gibt es schon lange nicht mehr? Nur in den Hochglanzversprechen irgendwelcher Broschüren. Lippenbekenntnisse und leere Worthülsen. Als Privatkunde und Geschäftskunde erlebe ich es mit stetiger Regelmäßigkeit.
Natürlich werden wir Maschinen bauen, die ein einzelnes Produkt, mit irgendwelchen Algorithmen und einer Prise Big Data an den Mann und die Frau bringen werden. Produktvertrieb für 50.000 Euro via ETF und 20 Fragen zur Risikoneigung ist beinahe eine Beleidigung für einen Programmierer. Echte Beratung, also das, was ein Bankkunde schon immer erwartet hat, wird auch mit Bank 5.0 schwierig durch den digitalen Wandel zu realisieren sein.
Noch immer sind die meisten Bankvorstände im Land der Meinung, sie hätten lauter Berater in den Filialen rumlungern, die nicht zum Vertriebserfolg der Bank beitragen. „Meine Mitarbeiter wollen nur Berater sein!“ oder „Machen Sie aus meinen Beratern endlich mal echte Verkäufer!“, wurde ich als Vertriebstrainer gerne begrüßt.
Wenn „Bank“ beim Thema „Kunde und Finanzprodukte“ in der Zukunft noch mitspielen will, muss sich dringend etwas verändern. Es reicht nicht, die Kunden durch den digitalen Fleischwolf zu drehen, ihnen Versicherungsnummern abzupressen, die Quadratmeterzahl der gemieteten Wohnung, den aktuellen Gesundheitszustand und die Rate für den Investmentfonds. 90 Minuten später ist das weder Vertrieb noch Beratung. Auch solche Finanzübersichten erstellt der Kunde schon selber in einer App. Zudem bin ich immer noch der festen Überzeugung, dass die Erhebung solcher allumfassender Daten Zeitverschwendung ist, wenn der Kunde zum Schluss sagt: „Ich mache all meine Versicherungen beim meinem Bruder (Versicherungsmakler) und zum Sparen habe ich derzeit eh keine Muße.“
Ein Produkt wird der Kunde nur kaufen, wenn es zwischen einem Wunsch in der Zukunft und heute eine Lücke schließt. Dann muss man ihm es nicht verkaufen. Zum Beispiel senkt sich die Kreditsumme für eine Finanzierung in der Zukunft, wenn der Kunde heute schon spart. Nur, wenn dem Kunden eine mögliche Vorsorgelücke in der Zukunft bewusst ist, wird er sich auf eine Beratung einlassen. Aber gerade so eine Vorsorgelücke ist ein kompliziertes Ding. Klar, kann ich eine Drehscheibe nehmen, Netto oder Brutto auswählen und dann mit Renteneintritt die Lücke betrachten. Aber der Kunde zahlt derzeit 1.700 Euro für einen Immobilienkredit. Sollte ich die 1.700 vom verfügbaren Netto abziehen? Er ist selbstständig und fährt ca. 60.000km pro Jahr. Schafft er das mit Fahren auch in der Freizeit? Was ist mit den aktuellen Raten für die Vorsorge, immerhin 450,- Euro? Braucht der Kunde mehr Geld als sein heutiges Netto? Schließlich steigen die Kosten für die Erhaltung seiner Gesundheit! Was ist mit der Inflation? Reichen 2.000,- Euro, die ich heute zur Verfügung habe auch in 15 Jahren? Genau dies sind die Themen, mit denen sich Bank deutlich vom Produktverkauf abheben kann. Gute, kompetente und emphatische Beratung. Ein Berater, der mit dem Kunden diskutiert, abwägt, Alternativen aufzeigt.
Genau diese Kompetenz gilt es dringend wieder aufzubauen; egal, ob Retail oder Privat Banking. Würde eine solche Beratung erlebt Realität sein, dann würde eine Diskussion über Honorarberatung bei Banken mit einem leichten Zucken beantwortet. „Na und?!“ Soll der Mass doch kommen mit der Verpflichtung. Auch die Diskussion über Filialschließungen wäre vom Tisch. Die klassische und teure Filiale könnte die Bank unbesorgt schließen und dem Kunden einfach mitteilen: „Dein persönlicher Berater sitzt ab 1.3. in der XY-Strasse 17.“ Eine gediegene Büroeinheit ohne UVV-Kassen, ohne Geldautomat und Kundentresor. Dann klappt es auch mit der Reduzierung von Kosten.
„Verkäufer, verkauft nicht“ ist eine Seminarschrift, welche ich schon vor 20 Jahren in die Finger bekommen habe. Leider ist sie derzeit nur gebraucht zu erhalten, doch die Autoren hatten damals wie heute Recht. Ein Kunde erhält ungerne etwas verkauft, kauft aber gerne eine Lösung für sein Problem. Und das war schon von 20 Jahren so und wird auch in 20 Jahren noch so sein. So umgesetzt, bleiben Banken vielleicht sogar länger bestehen als Bargeld.