Mit Künstlicher Intelligenz einen Cyberangriff auf die Bank abwehren oder mit Hilfe maschinell ausgewerteter Wirtschaftsnachrichten Kreditrisiken erkennen – das sind nur zwei Beispiele dafür, wie digitale Innovationen das Arbeiten im Finanzsektor verändern können. Das sind aber auch zwei Beispiele für das Potenzial, die Stabilität einzelner Institute und des gesamten Finanzsystems zu stärken. Als Bankenaufseher ist genau das unser Ziel: Wir wollen mit digitalen Innovationen das Bankensystem sicherer machen. Dafür kann es keinen Masterplan geben. Auch wir müssen schrittweise und agil vorgehen. Dazu haben wir bereits einige Aktivitäten durchgeführt.
Die erste „Innovation Challenge“
Im November 2020 haben wir gemeinsam mit dem TechQuartier Frankfurt die erste „Bundesbank Innovation Challenge“ organisiert. Ziel war es, erstmals Start-ups mit Bankexperten zusammenzubringen. In der Start-up-Szene stießen wir auf großes Interesse: 52 Unternehmen bewarben sich, mit zehn haben wir letztlich gemeinsam an innovativen Lösungen für eine bessere Risikoüberwachung getüftelt. Eine klassische Win-Win-Situation, wie sich herausstellte: Die Bundesbank profitiert von experimenteller Technologie, modernsten Analyseverfahren sowie Kreativität von außen, und die Start-ups lernen eine Institution kennen, die für hohe Analysequalität steht.
Bankenaufseher wollen Schieflagen und mögliche Anomalien im Bankensektor schneller und besser erkennen können. Fachleute aus dem Bereich Finanzstabilität möchten ihre Echtzeitanalysen für Immobilienpreise verbessern, die Volkswirte ihre Prognosen für Konjunkturzyklen, die Risiko-Controller ihren Methodenmix und die Statistiker ihre Datenqualität bei der Erfassung von Fintechs. Am Ende der „Innovation Challenge“ standen drei Gewinner fest: Squirro analysiert große Datenmengen und versucht, darin Anomalien zu erkennen, Konfuzio (Helm & Nagel GmbH) konzentriert sich auf die Analyse von Textdokumenten, während sich die Neusinger GmbH auf die Extraktion und Analyse von Daten aus verschiedenen Quellen spezialisiert. In einem nächsten Schritt wollen wir gemeinsam überlegen, wie wir die favorisierten Lösungsvorschläge in der Bundesbank zum Einsatz bringen.
Digitale Agenda der Bankenaufsicht
Die Bankenaufsicht eignet sich besonders für den Einsatz digitaler Technologien, denn im ersten Schritt geht es immer um die Analyse von Daten. Gemeinsam mit der BaFin haben wir deshalb eine Digitale Agenda für die Bankenaufsicht erarbeitet. Denn wir wollen nicht nur die digitalen Risiken in den Banken in den Griff bekommen, sondern digitale Technologien auch für die Aufsicht selbst nutzen. Dazu wollen wir bankaufsichtliche Daten schneller und einfacher – auch und besonders für die Institute – über flexiblere digitale Kanäle erheben und aufbereiten.
Nicht länger sollen nur die klassischen Meldedaten Grundlage des Aufsichtshandelns sein, sondern auch andere, vielfältige Informationen. Wir wollen durch neue technologische Möglichkeiten die Qualität unserer Analysen weiter ausbauen und schließlich unsere internen Prozesse verbessern. Und im europäischen Rahmen arbeiten wir intensiv an der Digitalisierung im SSM und im Innovation Hub der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich mit.
Artificial Intelligence und Machine Learning
Ein Schritt in Richtung digitale Bankenaufsicht ist auch das Diskussionspapier für eine Aufsichtsstrategie bei Artificial-Intelligence- und Machine-Learning-Verfahren (AI/ML). Müssen Regulierung und Aufsicht spezifische Risiken bei der AI/ML-Nutzung berücksichtigen und welche Anwendungen von AI/ML sind überhaupt relevant? AI/ML-Verfahren stellen uns hier teils vor neue, teils aber auch vor bekannte Herausforderungen.
Neu zu bewerten ist das Black Box-Dilemma, also inwiefern die einzelne Bank und die Aufsicht die Ergebnisse der AI/ML-Verfahren nachvollziehen können. Die Sicherstellung der erforderlichen Datenqualität hingegen ist eine Herausforderung, die wir schon kennen. Sie rückt aber verstärkt in den Fokus, weil AI/ML-Verfahren Verzerrungen der Ausgangsdaten exakt weitergeben. Dadurch wächst die Abhängigkeit von den Daten. Aber auch Normen zur Modellprüfung und -validierung sowie die korrekte Implementierung der AI/ML-Verfahren in die Infrastrukturen und Prozesse der Banken müssen wir im Blick behalten. Unser Ziel als Aufsicht ist es, den Banken ausgewogene, differenzierte und praktikable Anforderungen an die Hand zu geben, damit sie die potenziellen Vorteile von AI/ML-Verfahren rechtssicher nutzen können.
Infrastruktur für Innovationen
Die Umsetzung unserer digitalen Initiativen der Bankenaufsicht und der gesamten Bundesbank braucht Raum – gedanklich, aber auch wörtlich gemeint. Dazu haben wir das „InnoWerk“ ins Leben gerufen: 1.300 Quadratmeter Fläche, die wir in Kooperation mit dem Innovation Hub der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) und der EZB nutzen werden, ausgestattet mit modernster Technik, um mit allen digitalen Methoden arbeiten zu können. Hier sollen Netzwerke aufgebaut werden: Sowohl innerhalb der Bundesbank zwischen Digitalisierungs-Fachleuten und Experten aus den Fachbereichen als auch in der Zentralbank-Community und mit der Start-up-Szene. „Co-Creation“ ist das Stichwort – und „Digital by Default“, indem wir Lösungen von Beginn an digital denken. Das „InnoWerk“ soll eine lebendige Verbindung zum digitalen Finanz-Ökosystem darstellen und 2021 seine Arbeit aufnehmen.
Banken und Bankenaufsicht haben einen gemeinsamen Weg vor sich, um die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, ohne dabei die Risiken aus dem Blick zu verlieren. Die Bundesbank und speziell die Bankenaufsicht wollen digitale Innovationen in den Banken fördern und zugleich für uns selbst nutzbar machen. So wollen wir unseren Beitrag leisten, um mit digitalen Innovationen die Stabilität unseres Bankensystems zu stärken.
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