Die Corona-Krise beschäftigt die Welt und somit auch die Europäische Zentralbank (EZB), denn sie hat in der Pandemie eine besondere Stellung. „Wie schon so oft in den jüngsten Krisen, dürfte sich dabei die Geldpolitik einmal mehr als Stütze erweisen“, sagt Carsten Brzeski, ING–Chefsvolkswirt, entsprechend im BANKINGNEWS-Marktkommentar. Die Bewertung der wirtschaftlichen und monetären Entwicklung ist die Aufgabe des EZB-Rates. Er ist das oberste Beschlussorgan der Europäischen Zentralbank. Alle sechs Wochen tagt der Rat zu geldpolitischen Fragen. In ihm finden sich die sechs Mitglieder des Direktoriums und die Präsidenten der nationalen Zentralbanken der 19 Mitgliedstaaten des Euroraums.
Anleiherenditen und höhere Inflationserwartungen
Aktuell drücken bei Europas Währungshütern vor allem zwei Schuhe: Anleiherenditen und höhere Inflationserwartungen. Seit Beginn des Jahres 2021 sind die Anleiherenditen enorm gestiegen. Dem vorausgegangen ist eine drastische Senkung der Renditen aufgrund von massenhaften Anleihe-Ankäufen durch die EZB.
Nun wünschen sich Investoren von der EZB, dass die Notenbank zur Entspannung der Lage beiträgt. Die Währungshüter betonten zwar, dass man den Anleihemarkt eng im Blick habe, jedoch sorgte Jens Weidmann, Mitglied im EZB-Rat, bereits im Vorfeld der Sitzung eher für Ernüchterung. Der Bundesbank-Präsident sieht ein Eingreifen der EZB bezüglich des Renditeanstiegs aktuell nicht als notwendig an. So erwartet auch der ING-Chefvolkswirt Brzeski keine wirkliche Veränderung. Wie angemessen auf den Anstieg zu reagieren sei, ist allerdings in der EZB aktuell Thema. In jedem Fall sollte die EZB damit weitermachen, den Anleihenmarkt so genau wie möglich im Auge zu behalten. Denn gegensteuern könnte die EZB schon – wenn sie denn wollte.
EZB will reibungslose Transmission der Geldpolitik unterstützen
Doch welche Erwartungen haben sich erfüllt? Der erste Beschluss ist, dass der Rat der Zentralbank die Nettoankäufe im Rahmen des Pandemie-Notfallankaufprogramms (Pandemic Emergency Purchase Programme – PEPP) mindestens bis Ende März 2022 weiterführen wird, und darüber hinaus so lange bis die Krise nach Einschätzung der EZB vorüber ist. Das PEPP hat einen Gesamtumfang von 1.850 Milliarden Euro. Erst im Dezember 2020 war das Programm um 500 Milliarden Euro erweitert worden. Aktuell sind noch fast eine Billion Euro im Topf.
Bei den Währungshütern geht man davon aus, dass die Ankäufe im Rahmen des PEPP während des nächsten Quartals enorm an Umfang zunehmen. Die Annahme wurde basierend auf einer gemeinsamen Beurteilung der Finanzierungsbedingungen und der Inflationsaussichten getätigt.
Die Ankäufe sollen laut EZB-Rat flexibel und in Abhängigkeit von den Marktbedingungen durchgeführt werden. Ziel hierbei ist es, eine Verschlechterung der Finanzierungsbedingungen zu verhindern. Andernfalls lasse sich der Abwärtsdruck der COVID-19-Krise auf die projizierte Inflationsentwicklung nicht aufhalten. Die Flexibilität der Ankäufe über Zeitverlauf, Anlageklassen und Länder hinweg soll „weiterhin die reibungslose Transmission der Geldpolitik unterstützen“.
Flexibel seien die Ankäufe insofern, dass der Gesamtumfang des PEPP nicht vollständig genutzt werden müsse. Gleichermaßen könne auch rekalibriert werden. Das diene als Gegenmaßnahme bei einem negativen Schock der Coronakrise auf die Inflationsentwicklung.
Auf der Sitzung wurde darüber hinaus beschlossen, dass der Rat die Tilgungsbeträge der im Rahmen des PEPP erworbenen Wertpapiere in jedem Fall bis Ende 2021 weiterhin bei Fälligkeit wieder anlegen wird. Das Auslaufen des PEPP-Portfolios würde dann so gesteuert, dass der angemessene geldpolitische Kurs nicht beeinträchtigt wird.
Ankauf von Vermögenswerten
Des Weiteren sollen die Nettoankäufe im Rahmen des Programms zum Ankauf von Vermögenswerten (Asset Purchase Programme, APP) monatlich mit einem Umfang von 20 Milliarden Euro fortgesetzt werden – und das so lange wie die akkommodierende Wirkung der Leitzinsen verstärkt werden muss. Die monatlichen Nettoankäufe von Vermögenswerten sollen kurz vor Beginn der Leitzinsen-Erhöhung eingestellt werden.
Die Währungshüter haben vor, die Tilgungsbeträge der beim APP-Programm erworbenen Wertpapiere nach wie vor bei Fälligkeit weit über diesen Zeitpunkt hinaus vollumfänglich wieder anzulegen. Geplant ist, dies in jedem Fall so lange zu tun, wie es das Aufrechterhalten von günstigen Liquitätsbedingungen und einer umfangreichen geldpolitische Akkommodierung erfordern.
Was passiert mit den Zinsen?
Ein weiteres wichtiges Stichwort fiel bereits: Zinsen. Im EZB-Rat hat man sich geeinigt, die Zinssätze für die Hauptrefinanzierungsgeschäfte sowie für die Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität unverändert bei 0,00 Prozent, 0,25 beziehungsweise -0,50 Prozent zu belassen. Daran werde sich auch nichts ändern, bis die Inflation über einen längeren Zeitraum hinweg konstant nahe an 2 Prozent liegt.
Das wird Sparer nicht wirklich freuen – immerhin wurden die Folgen der niedrigen Zinsen und der expansiven Geldpolitik in einer Umfrage der Notenbank bei nur etwa zehn Prozent der Antworten als positiv eingeschätzt. Die EU-Bürger haben also eigentlich jetzt schon genug von niedrigen Zinsen. Für die Staatsfinanzierung sind das aber natürlich gute Neuigkeiten, da die EU-Staaten so auch weiterhin Corona-Hilfen finanzieren können.
Unterstützung für die Kreditvergabe
Für Banken gibt es auch eine gute Nachricht: Der EZB-Rat sichert reichlich Liquidität über seine Refinanzierungsgeschäfte zu. Besonders die dritte Serie gezielter längerfristiger Refinanzierungsgeschäfte (GLRG III) stelle weiterhin eine attraktive Finanzierungsquelle für Kreditinstitute dar. So könne deren Kreditvergabe an Unternehmen und private Haushalte unterstützt werden.
Darüber hinaus hieß es in der Pressemitteilung: „Der EZB-Rat ist bereit, alle seine Instrumente gegebenenfalls anzupassen, um sicherzustellen, dass sich die Teuerungsrate – im Einklang mit der Verpflichtung des EZB-Rats auf Symmetrie – auf nachhaltige Weise seinem Ziel annähert.“ Nun bleibt abzuwarten, ob und wann der EZB-Rat diese Anpassung vornimmt.
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