Herr Forst, Sie sind seit Mai 2019 Präsident des Bundesverbands Öffentlicher Banken. Also sind Sie noch keine zwei Jahre im Amt, und eines davon war von der Corona-Krise beherrscht. Wie hat sich das auf Ihre Arbeit ausgewirkt?
Für die öffentlichen Banken war und ist Corona eine große Herausforderung. Die Institute setzen die Hilfsprogramme des Bundes und der Länder effizient um. Ohne sie wäre ein Großteil der Hilfen nicht angekommen. Als NRW.Bank sind wir in unserem Bundesland zum Beispiel für die Durchleitung der KfW-Förderung an die Sparkassen zuständig. Im letzten Jahr bedeutete das die zusätzliche Bearbeitung einer fünfstelligen Zahl nicht geplanter Kredite – eine große handwerkliche Leistung unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich glaube, die öffentlichen Banken haben gezeigt, wie leistungsfähig sie sind und wie stark die Wirtschaft davon profitiert.
Gleichzeitig steht natürlich auch für uns die Gesundheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Fokus. Als NRW.Bank waren wir technisch für eine solche Situation gut ausgerüstet. Erst 2019 hatten wir die komplette Technik erneuert – ohne zu ahnen, wie schnell sich das auszahlen würde. Durch die flächendeckende Ausstattung mit mobilen Geräten konnten wir direkt zu Beginn der Corona-Krise schnell einen Großteil der Beschäftigten ins Home-Office schicken.
Wie hat der Verband in der Krise unterstützen können?
Als Verband waren und sind wir Ratgeber und Wegbegleiter für Mitglieder, Politik und Aufsicht in allen Fragen rund um die Corona-Hilfen. Zunächst galt es, bestehende Unklarheiten aufzuräumen: Welche Hilfen gibt es konkret? Welche ist für wen geeignet? Welche Stichtage gilt es einzuhalten? Und so weiter. Diese Fragen konnten wir innerhalb des Verbandes zügig klären und die Antworten an unsere Mitgliedsbanken weitergeben. Durch diese fortwährende und gute Kommunikation konnten wir unsere Mitglieder bei der Bewältigung der Herausforderungen unterstützen. Eine davon war, den eigenen Kunden gegenüber stets sprechfähig zu sein und diese mit ausreichend Informationen versorgen zu können. Der VÖB hat hier tatkräftig unterstützt.
Aus jetziger Sicht denken viele, die große Pleitewelle kommt erst noch und damit auch die Probleme für die Banken. Wie sehen Sie das: Was steht den deutschen Banken durch Corona noch bevor?
Man muss die Situation differenziert betrachten, denn unterschiedliche Branchen sind sehr unterschiedlich betroffen und teilweise ist das Ausmaß noch gar nicht absehbar. Es gibt Branchen, die dramatisch unter den Folgen der Pandemie leiden wie zum Beispiel die Schausteller. Deren letzte Einnahmen stammen teilweise von den Weihnachtsmärkten 2019 – und aus heutiger Sicht ist nicht klar, wann sie wieder etwas verdienen werden. In anderen Branchen wie dem Handwerk und im produzierenden Gewerbe gibt es keine bis wenig Einbrüche. Was die Auswirkungen auf die Banken angeht, ist es bislang zu früh, dies zu beurteilen. Viele Bankkredite wurden mit Haftungsfreistellung vergeben. Was das Kreditvolumen angeht, sollte man jedoch genau hinschauen. Viele Kredite wurden noch nicht zu 100 Prozent gezogen. Das bedeutet: Manch ein Unternehmen hat die günstige Lage genutzt, sich den Kredit zu sichern, braucht ihn aber im Moment noch gar nicht. In der Liquidität steckt in Summe entsprechend noch Reserve. Viele Unternehmen haben sich ein Polster geschaffen. Wichtig ist, dass wir alle gemeinsam dafür sorgen, dass ein Wirtschaftsaufschwung nach Corona gelingt und angeschlagene Unternehmen wieder gesunden.
Ein Vorwurf bei den Förderungen ist das Tempo, in dem sie gewährt werden.
Wir haben bei der ersten Soforthilfe die Erfahrung gemacht, dass einfache Prozesse zu hohem Missbrauch führen können. Daher wurde bei den Folgemaßnahmen mehr Augenmerk auf Sicherheit und Gerechtigkeit gelegt, schließlich geht es um Steuergelder. Das verlangsamt aber den Vorgang, weil mehr Informationen verarbeitet werden müssen. Die Einschaltung der Steuerberater ist gut, weil wir da Fachleute haben, die Informationen schnell bereitstellen können. Aber wer keinen hat, ist jetzt natürlich im Nachteil. Fachleute einschalten ist gut und erzeugt Gerechtigkeit und Präzision – aber auch Komplexität. Das geht dann nicht mehr alles im Handumdrehen.
Die Rolle öffentlicher Banken hat sich durch Corona verändert. Wie wirkt sich das auf den Verband aus?
Der VÖB ist ein freiwilliger Verband, den die Mitglieder freiwillig bezahlen. Das unterscheidet uns von anderen Organisationen. Das bedeutet ganz klar: Der Verband muss sein Geld wert sein. Dass das beim VÖB der Fall ist, zeigt eine Umfrage, die wir 2019 durchgeführt haben: Von den 59 Mitgliedern haben über 90 Prozent angegeben, dass sie mit der Arbeit des Verbands zufrieden oder sogar sehr zufrieden sind. Das schaffen wir durch sehr gute Facharbeit, Beratung und Unterstützung. Dabei sind unsere Mitglieder sehr divers – unter ihnen die Landesbanken, die Förderbanken und die Auslandsbanken, wie z.B. die Basler Kantonalbank – und es gilt, allen Interessen und Bedürfnissen gerecht zu werden. Als einziger Bankenverband sind wir auch Arbeitgeberverband. Innerhalb des Arbeitgeberverbandes besteht die Tarifgemeinschaft Öffentlicher Banken. Diese nimmt tarifrechtliche Aufgaben wahr und schließt für ihre Mitgliedsinstitute Tarifverträge ab. Der Tarifgemeinschaft Öffentlicher Banken gehören derzeit 43 VÖB-Mitgliedsinstitute mit rund 62.000 Beschäftigten an.
In einem Interview sagten Sie einmal, dass die Zusammenarbeit der öffentlichen Banken in Europa äußerst wichtig sei, um die Bedeutung der Förderbanken hervorzuheben. Wird das Thema Europa noch zu wenig gespielt?
Man kann das Thema Europa gar nicht genug spielen. Dort wird ein Großteil der Regeln gemacht, an die wir uns alle zu halten haben. Auch unsere Aufsichtsbehörden wenden die meisten europäischen Regeln analog oder leicht adjustiert an. Daher ist es wichtig, sich an den Diskussionen aktiv zu beteiligen. Entsprechend engagieren wir uns im EAPB, dem Europäischen Verband Öffentlicher Banken, der die Gespräche mit seinem Fachwissen begleitet. Als VÖB sind wir mit Iris Bethge-Krauß im Vorstand vertreten. Aktuell ist meine Vorstandskollegin in der NRW.Bank Gabriela Pantring die Vizepräsidentin des EAPB. Diese internationale Verknüpfung ist wichtig: Wer sich dort nicht einbringt, darf sich hinterher nicht über das beschweren, was auf europäischer Ebene beschlossen wird.
Wir sehen in Europa drei Trends: die ausufernde Regulierung, die anhaltende Nullzinspolitik und die Digitalisierung. Über diese Trends sollten wir sprechen – lassen Sie uns mit Regulierung anfangen. Wie kommt eine Förderbank mit der aktuellen Regulierungslage zurecht?
Das klingt jetzt vielleicht nicht spektakulär, aber: Wir kommen damit klar. Alles andere wäre ja auch erschreckend, denn das hieße ja, dass es keine Kommunikation mit den Regulierern und der Politik gäbe. Was gut funktioniert hat, waren die Reaktionen der Regulierer in der Corona-Pandemie. Allen war klar: Banken sind Teil der Lösung und müssen auch entsprechend agieren können. Deshalb war es richtig, die zentrale Funktion der Banken in der Pandemie durch maßvolle regulatorische Erleichterungen bei Kapital- und Liquiditätsanforderungen zu unterstützen.
Dennoch gibt es natürlich auch Potenzial für Verbesserungen. Ein wichtiges Beispiel ist das Thema Basel IV, wodurch die Eigenkapitalanforderung für durchleitende Banken mit dem Rating der Empfängerbank verknüpft werden soll. Das klingt zunächst vernünftig. Doch an wen leiten wir Förderbanken Kredite durch? Zum Beispiel an alle Sparkassen – und die haben in der Regel kein Rating. Also ist die Forderung nach einer höheren Eigenkapitalquote für Förderbanken und Landesbanken nicht zweckmäßig, dann wird das Kreditvolumen zurückgehen. Deshalb sind wir an diesem Punkt in die Diskussion eingestiegen, denn das hatte man bei der Forderung nicht im Blick.
In der kommenden Phase, in der sich die Wirtschaft erholen und wieder anlaufen muss, ist es wichtig, die Kreditvergabe der Banken nicht durch regulatorische Maßnahmen unbillig zu belasten. Zudem bedarf es weiterer Investitionen für die Transformation der Wirtschaft in Richtung Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Das ist übrigens auch ein europäisches, ja sogar ein weltweites Thema – wir stehen hier alle vor den gleichen Herausforderungen.
Das bringt uns zum zweiten Themenkomplex, der Digitalisierung. Da sind die öffentlichen Banken nicht unbedingt der Vorreiter. Wie innovativ und digital ist eine Förderbank?
Da muss ich Ihnen widersprechen: Öffentliche Banken sind Treiber der Digitalisierung! Die Förderbanken des Bundes und der Länder unterstützen die digitale Transformation der Wirtschaft durch speziell ausgerichtete Förderprogramme und Darlehen: Zum Beispiel ist für die NRW.Bank die Förderung von Digitalisierungsvorhaben in ihrer Region eine Kernaufgabe. Mit dem Programm „NRW.BANK.Digitalisierung und Innovation“ wird über die Vergabe zinsgünstiger Darlehen ein breites Spektrum an Vorhaben gefördert, die Unternehmen fit für die Zukunft machen. Förderbanken treiben auch den eigenen digitalen Transformationsprozess voran.
Die zügige Umsetzung der Hilfsprogramme hätte ohne einen hohen Digitalisierungsgrad gar nicht funktioniert. Ein Beispiel: Bei uns werden alle Anträge noch am gleichen Tag und ausschließlich digital bearbeitet. Wir verfügen außerdem über ein voll automatisiertes Förderprogramm, so dass eine Zusage für einen Standardkredit innerhalb von 60 Sekunden getroffen wird. Wir sind außerdem mit mehreren Fintechs Kooperationen eingegangen – das funktioniert hervorragend. Wenn Sie über diese Plattformen einen Kredit in Nordrhein-Westfalen beantragen, werden Sie automatisch über Förderkredite mit beraten.
Der dritte Trend im Bankenland ist die anhaltende Niedrigzinsphase, die viele Institute vor Probleme stellt. Wie sehen Sie das Thema aus Sicht einer Förderbank?
Die aktuelle Situation ist für Banken mit hohen Einlagen, bei denen Zinsen Teil eines klassischen Ertragsmodells sind, schwierig. Als Förderbank refinanzieren wir uns am Kapitalmarkt. Daher haben wir mit den niedrigen Zinsen weniger Probleme. Ich kann nicht ausschließen, dass die Niedrigzinsphase über einen sehr langen Zeitraum bestehen bleibt. Das würde sich dann aber nicht nur auf die Banken, sondern auch auf das Sparen auswirken.
Zum Abschluss eine eher persönliche Frage: Sie haben in Ihrer Karriere sehr unterschiedliche Positionen innegehabt und in sehr verschiedenen Umgebungen gearbeitet. Wie fühlt sich ein ehemaliger Deutschbanker in einer Förderbank?
Ich habe sehr unterschiedliche Phasen in meinem Berufsleben erlebt, und jede einzelne war sehr wertvoll und hat großen Spaß gemacht. Miteinander vergleichen lassen sie sich nicht. Ich habe mit einer Banklehre bei der Deutschen Bank in Düsseldorf begonnen. Im Studium habe ich jedes Jahr in den Sommerferien dort gearbeitet und war später für die Deutsche Bank in Düsseldorf, Bielefeld und auch in Frankreich tätig. Das war eine tolle Zeit und man konnte dort viel gestalten. Jetzt arbeite ich für eine Förderbank, die in ihrer Bilanzsumme von fast 150 Milliarden Euro größer ist als einige Landesbanken. Und auch hier lässt sich sehr viel bewegen!
Interview: Thorsten Hahn und Ronja Wildberger
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