Bereits mit Beginn des zweiten Corona-Jahres beschäftigte man sich mit den Folgewirkungen einer Wirtschaftserholung, die durch immer neue Konjunkturprogramme weiter angetrieben wird. Und diese Folgewirkungen heißen höhere Inflation und höhere Zinsen. Besonders die „neue Inflationsgefahr“ erregt die Gemüter in der öffentlichen Debatte. Und zwar geht es hier um die Konsumentenpreisinflation, in der die Preise für Vermögensgüter nichts zu suchen haben. Die Inflationsrate soll die Kaufkraftstabilität des jährlichen Durchschnittseinkommens aller privaten Haushalte messen. Es geht hierbei ausschließlich um den Kauf von Konsumgütern. Sparanlagen und Vermögenswerte gehören nicht dazu. Der Teil der Immobilien, der von den privaten Haushalten konsumiert wird, geht als Miete in die jetzige Inflationsrate sehr wohl ein. Künftig wäre es allerdings sinnvoll, auch eine Größe für die Wohnnutzung von Eigentümern im Preisindex aufzunehmen.
Vermögenswerte und Verbraucherpreise legen zu
Schon länger gibt es Überlegungen, wie Vermögenspreise in die Geldpolitik einbezogen werden sollten. Insbesondere, wenn sie eine Gefahr für die Finanzmarktstabilität darstellen, sollte der Zentralbankrat den Vermögenspreisen besondere Aufmerksamkeit schenken. Daher überlegen die führenden Notenbanken, wie durch moderate Änderungen des geldpolitischen Kurses die Vermögenspreise zumindest an weiteren kurzfristigen Steigerungen gehindert werden können.
Zurück zur Verbraucherpreisinflation: Gleich zu Beginn des Jahres sprang die Inflationsrate in Deutschland auf 1,6 Prozent. Neben der Rückkehr zu den Vor-Corona-Mehrwertsteuersätzen hatte auch die Einführung der CO2-Steuer Einfluss darauf. So erhöhte sich der Benzinpreis an der Zapfsäule zusätzlich zu dem gestiegenen Ölpreis. Doch diese Effekte sind allesamt einmalig und taugen nicht für einen dauerhaften Inflationsprozess. Dazu kamen statistische Verzerrungen, wie etwa die außerordentliche Anpassung des Warenkorbs durch die statistischen Ämter oder ein wegen des Lockdowns ausgefallener Winterschlussverkauf. Das alles hat zu diesen ungewöhnlich hohen Inflationsraten beigetragen.
Alle Konjunkturdaten sind durch die Corona-Krise in extremer Weise verzerrt und lassen keinen Rückschluss auf konjunkturelle Trends zu. Bei den Preisen fallen diese Erhöhungen im Januar 2022 wieder aus dem Zwölf-Monats-Vergleich heraus („Basiseffekt”). Da wird dann die Inflation einen Sprung nach unten machen – wenn sie nicht gefüttert wird.
Aufholeffekte nach dem Corona-Loch
Trotzdem wundert es nicht, dass die Inflation das ganze Jahr über ein Thema bleibt. Ein wichtiger Grund: Nach der Wiedereröffnung von Restaurants oder Kinos werden dort Preise wahrscheinlich heraufgesetzt werden. Zudem fällt noch ein weiterer Basiseffekt an: Ab Juli 2021 werden im Jahresvergleich Monate mit wieder normaler Mehrwertsteuer mit Monaten mit abgesenkter Mehrwertsteuer aus dem Jahr 2020 verglichen. Das wird die monatliche Inflationsrate in den kommenden Monaten sogar noch über drei Prozent in Deutschland treiben. Im Durchschnitt des Jahres 2021 dürfte wohl eine Inflationsrate von etwa 2,3 Prozent herauskommen. Allerdings muss man dies vor dem Hintergrund sehen, dass die Inflation im Corona-Jahr 2020 mit 0,4 Prozent fast eine Nullrunde einlegte. Es sind also hauptsächlich die Aufholeffekte nach dem tiefen Corona-Loch, die sich nicht nur in der Wirtschaft mit hoher Produktion, sondern eben auch in der Inflationsrate zeigen.
Für einen andauernden Inflationsprozess braucht es einen ständigen Treiber, der Jahr um Jahr die Preise steigen lässt. Öl- und Rohstoffpreise scheiden hier aus, denn sie fallen nach großen Anstiegen regelmäßig wieder zurück. Bleiben also die Löhne als stärkster Kostenfaktor, den die Unternehmen stets aufs Neue auf ihre Preise umlegen könnten. Im Corona-Jahr 2020 sind die Tariflöhne in Deutschland noch um 2,5 Prozent gestiegen, zum großen Teil aufgrund von langfristigen Vereinbarungen. Für das laufende Jahr ist wegen der schwierigen Wirtschaftslage nur mit einem Anstieg von 1,5 Prozent zu rechnen. Kein Stoff, aus dem eine große Inflation gemacht ist.
Nächste Drehung der Inflationsschraube
Aber wer sagt denn, dass es dabei bleibt? Dass nicht starke Lohnsteigerungen die nächste Drehung der Inflationsschraube sind? Niedrigste Zinsen, hohe Geldmengensteigerungen, hohe Verschuldung, abnehmende Globalisierung – eigentlich liegen schon alle Inflationszutaten im Topf, es muss nur jemand den Herd andrehen. So lauten die Befürchtungen in der Öffentlichkeit und an den Märkten. Dies erklärt auch die empfindliche Reaktion der Öffentlichkeit und der Finanzmärkte auf jeden Anstieg der Raten.
An den Finanzmarktpreisen für inflationsgeschützte Anlagen kann man ablesen, dass bis jetzt nicht so sehr die Inflationserwartungen selbst als vielmehr die Inflationsunsicherheit – also die Risikoprämie gegen mögliche Inflationssteigerungen – angestiegen sind. Für die Vermögensanlage generell gilt hier die alte Regel, dass Sachwerte wie Immobilien und Aktien eine Inflation am besten verkraften können, da ihre Erträge mit steigenden Verbraucherpreisen mitwachsen.
Spareinlagen verlieren weiter an Kaufkraft
Da die Sparzinsen trotz der gegenwärtigen Inflationsdebatte noch lange Zeit extrem niedrig sind, verlieren Spareinlagen Jahr für Jahr weiterhin an Kaufkraft. Sollte die Inflation anziehen, und sei es auch nur moderat, steigt dieser Kaufkraftverlust weiter an. Vermögen sollte deshalb heute nicht nur aus Spareinlagen, sondern mehr und mehr auch aus Anteilen von Sachwerten wie zum Beispiel Aktien bestehen.
Neben den Inflationsunsicherheiten steigen auch die realwirtschaftlichen Aussichten auf einen neuen Konjunkturzyklus an. Damit sind etwas höhere Realzinsen auch aus diesem Blickwinkel gerechtfertigt. Bleibt der Renditeanstieg im Rahmen, so ist er für die Aktienmärkte wie auch für die Kurse von Unternehmensanleihen verkraftbar, denn dahinter stehen gute Wirtschaftsaussichten. Eine Konsequenz aus der Überwindung der Corona-Krise: Die Zinsen bleiben niedrig, aber nicht mehr ganz so niedrig wie zuvor.
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