Die COVID-19-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Auswirkungen, wie ein Einbruch der Wirtschaftsleistung und Rückgang der Erwerbstätigen, begleiten
uns schon weit über ein Jahr. Hoffnungsvolle Prognosen einer raschen wirtschaftlichen Erholung und einer baldigen Rückkehr zur Normalität mischen sich mit Befürchtungen vor möglichen Rückschlägen durch eine mangelnde Impfwirkung bei neuen Virusmutationen.
Damit verbunden sind Sorgen um weitere, mitunter existenzbedrohende Lockdowns. Kurzum: Wir befinden uns in einer Phase massiver Unsicherheit. Allein zwischen dem Verfassen dieses Artikels und seiner Veröffentlichung können sich schon wieder völlig neue tagesaktuelle Erkenntnisse ergeben haben.
Was, wenn alles schlimmer kommt als erwartet?
Die potenziellen wirtschaftlichen Folgen der eingeschränkten Geschäftigkeit im Jahr 2021 auf die Kreditportfolien und die Geschäftsentwicklung wurden durch die Kreditinstitute in den aktuellen Mittelfristplanungen berücksichtigt – mit tendenziell höherer Kreditvorsorge und niedrigeren Ergebniserwartungen. Doch was ist, wenn es doch schlimmer kommen sollte als erwartet?
Die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) fordern bekanntermaßen die regelmäßige sowie anlassbezogene Durchführung angemessener Stresstests für die wesentlichen Risiken, die Art, Umfang, Komplexität und den Risikogehalt der Geschäftsaktivitäten widerspiegeln. Anlass für eine zusätzliche Durchführung von Stresstests besteht in den aktuell von Unsicherheit geprägten Zeiten zweifelsohne, es stellt sich allerdings die Frage nach der konkreten operativen Umsetzung in den Instituten.
Anlassbezogene Stresstest-Analyse
Die losgelöste Entwicklung eines zusätzlichen neuen Stressszenarios „Intensivierung der COVID-19-Pandemie“ erscheint hinsichtlich der Ableitung einer angemessenen Parametrisierung zum jetzigen Zeitpunkt schwierig und damit nur eingeschränkt zielführend. Je nach individueller Ausgestaltung kann der – aufgrund der MaRisk-Anforderung in jedem Institut bestehende – Stresstests eines „schweren konjunkturellen Abschwungs“ die möglichen Auswirkungen einer verlängerten COVID-19-Pandemie bereits angemessen widerspiegeln.
Der Auslöser der im Szenario abgebildeten Entwicklungen ist nur vermutlich ein anderer und deutlich weniger abstrakt als bei ursprünglicher Ableitung des Szenarios angenommen. Zur anlassbezogenen Stresstest-Analyse könnte dieser auf Grundlage aktueller Portfolio-Daten (regelmäßiger) neu berechnet werden und darüber hinaus durch portfolio- bzw. branchenspezifische Analysen ergänzt werden. Zusätzlich kann zur Erweiterung der Transparenz die Sichtweise inverser Stresstests eingenommen werden. In diesen wird analysiert, wie stark sich relevante Risikofaktoren verschlechtern könnten, bis sich eine akute Gefährdung der institutsindividuellen Risikotragfähigkeitssituation ergibt.
Ergänzende Analysen auf Ebene der Einzelrisikoarten
Neben risikoartenübergreifenden Szenarien kann ein zusätzlicher Informationsmehrwert durch Analysen zu möglichen Auswirkungen einer unerwarteten Ausweitung der Krise auf Einzelrisikoebene geschaffen werden. Mit besonderem Fokus sollte dabei laufend das institutsindividuelle Kreditportfolio (und gegebenenfalls das Depot A) hinsichtlich potenziell besonders betroffener Branchen betrachtet werden, dazu gehören etwa Reise- und Messeveranstalter, Event-Catering, Gastronomie oder Einzelhandel.
Auch unerwartete zusätzliche Auswirkungen auf Liquiditätsrisiken und operationelle Risiken (Mitarbeiterausfall, Business Continuity Management, externe Einflüsse) sollten beleuchtet werden und gegebenenfalls zu einer kombinierten Wirkung zusammengeführt werden. Zusätzlich könnten sich „Lessons learned“ aus bereits eingetretenen Schadensfällen im Zusammenhang mit durch die COVID-19-Pandemie bedingten Anpassungen an der operativen Struktur und den Prozessen des Instituts ergeben.
Überprüfung der Kapitalplanung
Neben der Analyse möglicher Auswirkungen einer unerwarteten Verlängerung und/oder Intensivierung der COVID-19-Pandemie auf die Risikotragfähigkeit in Form von Stresstests ist bei Anzeichen von deren Realisierung auch bezüglich der Kapitalplanung eine Einschätzung zu treffen. Ist die im Rahmen der turnusmäßigen Erstellung abgeleitete Kapitalplanung tatsächlich realisierbar oder sind Anpassungen auf Basis der neuen Gegebenheiten geboten?
Fazit
Die möglichen Folgen einer von den Erwartungen abweichenden Fortentwicklung der COVID19-Pandemie sind und bleiben für die Kreditinstitute auf absehbare Zeit schwer einschätzbar und quantifizierbar.
Daher sollten Kreditinstitute durch ihr Risikomanagement weiterhin Annahmen und Prämissen der geplanten Geschäftsentwicklung kontinuierlich auf den Prüfstand stellen lassen, insbesondere mit Blick auf Bedrohungspotenziale für die Risikotragfähigkeit und die Kapitalplanung.
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