Von der Eignungsdiagnostik zur Kompetenz-basierten Personalentwicklung

Was sind Ihre Stärken und Entwicklungsfelder? Für Führungskräfte eine relevante Frage. Nur wer seine Mitarbeiter gut kennt, kann den Herausforderungen der Zukunft erfolgreich begegnen. Gabriele Sieger über den Weg zu Kompetenz-basierter Personalentwicklung.


Kompetenzen Von der Eignungsdiagnostik zur Kompetenzbasierten Personalentwicklun

BANKINGNEWS: Die Entwicklung von Trainingskonzepten basiert auf einer Festlegung der Kompetenzen. In welche Kompetenzgruppen unterscheiden Sie Ihre Mitarbeiter und wie werden diese von Ihnen gemessen?
Gabriele Sieger: Dabei ist zunächst wichtig, ein einheitliches Verständnis über den Begriff „Kompetenz“ herzustellen und diesen dann gegenüber den Begrifflichkeiten Wissen und Qualifikationen abzugrenzen. Unter Kompetenz verstehen wir den Transfer von Wissen und Qualifikationen in berufliches Handeln. Neben der Fachkompetenz liegt unser Fokus hier verstärkt auf persönlichen, verkäuferischen und digitalen Kompetenzen. In Abhängigkeit zur aktuellen Stelle beziehungsweise der geplanten Karriere werden unterschiedliche Ausprägungsstufen unterschieden. Bei der Messung gehen wir aktuell zwei Wege. Zum einen setzen wir wissenschaftlich basierte Persönlichkeitstests ein, die bereits seit Jahren erprobt sind. Diese nutzen wir als Reflexionsmedium in Entwicklungsprogrammen. Und zum anderen führen wir ein Pilotenprojekt durch, in dem Mitarbeiter zunächst eigenverantwortlich eine Selbstreflexion durchführen und danach ihre Führungskraft und/oder einen Personalentwickler zum Dialog einladen. Darin werden die zu entwickelnden Kompetenzen festgelegt und Kriterien erarbeitet, anhand derer Entwicklungsschritte festgemacht werden. Das stärkt die Eigenverantwortung und die Selbstreflexionsfähigkeit. Für uns echte Zukunftskompetenzen.

Für innovative Ideen braucht es manchmal ungewöhnliche Blickwinkel: Wie wägen Sie im Bewerberpool Kompetenzen Ihres unternehmensinternen Anforderungskatalogs gegen alternative Kompetenzen eines Branchenfremden ab?
Wie alle Banken sind wir aufgrund regulatorischer Vorschriften bei einem Großteil der zu besetzenden Stellen auf Bewerber aus der Brache angewiesen. In den Bereichen, die nicht unter die Regulierung fallen, etwa Eventmanagement, Robotics, Personalentwicklung und Personalmanagement, greifen wir sehr gerne auf Branchenfremde zurück. Die alternativen Kompetenzen werden im persönlichen Gespräch reflektiert, hier greifen wir gerne auf die Methode des Story Tellings zurück.

Worauf legen Sie besonderen Wert beim Entwicklungsprozess Ihrer Mitarbeiter?
Wir verfolgen in unseren Entwicklungskonzepten die Vision der Eigenverantwortung und Selbststeuerung. Derzeit befinden wir uns auf diesem Weg, der uns sicherlich noch Jahre begleiten wird. Ziel ist es, das Verständnis „Mein Arbeitgeber ist für meine Weiter- und Fortbildung verantwortlich“ in das Verständnis „Ich bin dafür verantwortlich, mich zu entwickeln und attraktiv für meinen Arbeitgeber zu sein“ zu transformieren. Konkret ist es uns besonders wichtig, die individuelle Entwicklung in den Fokus zu stellen und somit weg zu kommen von einheitlichen Entwicklungswegen. Hier bieten wir einen Baukasten von analogen und digitalen Workshops, Qualifizierungsreihen, Studiengängen, Webinaren, Best-Practice-Austausch, Micro-Learning-Elementen wie Audios und individuellem Coaching an. Welche Elemente des Baukastens genutzt werden, wird dann gemeinsam mit dem Mitarbeiter unter Berücksichtigung seiner Lernpräferenzen erarbeitet.

Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf diese Möglichkeiten der Fortbildung und die Arbeit in Ihrem Unternehmen insgesamt?
Wir sahen uns durch die Pandemie mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Angefangen bei der technischen Ausstattung für mobiles Arbeiten bis hin zum Ausbau der digitalen Kompetenz unserer Mitarbeiter. Aufgrund des Strukturwandels rücken neue Themen in den Fokus. Hier sind zum Beispiel digitale Fitness, Selbstorganisation und Führen von Teams aus der Distanz zu nennen. Beim letzteren liegt die Herausforderung darin, die Teamzusammengehörigkeit weiter sicherzustellen. Diese Themen sind in unsere Trainings- und Entwicklungskonzepte eingeflossen und werden weiter ausgebaut. Darüber hinaus haben wir vermehrt digitale Elemente in unsere Konzepte eingebaut und wollen auch nach der Pandemie auf hybride Entwicklungskonzepte setzen. Bei alledem ist aus unserer Sicht aber auch besonders wichtig, eine Balance zu finden, die sowohl ressourcenschonend und nachhaltig ist als auch die persönliche Begegnung ermöglicht.

Wieso sollte sich eine Bank heute, Ihrer Meinung nach, mit Kompetenzdiagnostik befassen?
Aus meiner Sicht ist die Zeit der Abgrenzung durch Wissen, besonders Fachwissen, schon seit Jahren vorbei. Wir können im aktuellen Wettbewerb nur überleben, wenn es uns gelingt, die persönlichen Kompetenzen unserer Mitarbeiter gezielt zu nutzen und dadurch Exzellenz zu entwickeln. Eine Fokussierung auf Kompetenzdiagnostik von der Bewerberauswahl bis hin zur operativen Personalentwicklung ist daher unerlässlich.

Interview: Fiona Gleim

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