Vor Corona befand sich N26 im Aufschwung. Ein Meer an neuen Kunden befand sich im Kescher des Start-up, ebenso wurde die Mitarbeiterzahl verdreifacht. Gekürt als das wertvollste deutsche Fintech mit einer Unternehmensbewertung von zwischenzeitlich rund neun Milliarden Euro – die Neobank galt als einer der attraktivsten Arbeitgeber Europas. Im vergangenen Jahr gelang es zudem internationale Talente zu akquirieren.
Doch das Netz scheint die großen Fische nicht länger halten zu können, zu groß sind die Schäden, die N26 jüngst zu verantworten hatte. Wiederholt stand das Unternehmen in der öffentlichen Kritik, was dazu führte, dass ihrem rasanten Wachstum Halt geboten wurde. Dies fiel unter anderem der Ausbreitung auf dem US-amerikanischen Markt auf die Füße. Damit nicht genug, sind die Datenschutzvorkehrungen laut der Aufsichtsbehörde BaFin unzulänglich, weshalb auch der Neukundenzulauf gedeckelt wurde. Kurzum: Auch mit Auszeichnung ist der Aufenthalt im Olymp nicht lange gewährt.
Durchzug in der Führungsetage
Nun klopft das nächste Problem an die Tür – das Personal sucht den Ausgang. Den jüngsten Abgang markiert Adrienne Gormley. Die Managerin startete erst in der Corona-Zeit als Chief Operation Officer bei N26 durch, nachdem sie vom US-amerikanischen Tech-Konzern Dropbox abgeworben wurde. Allzu lang verweilte sie jedoch nicht im Berliner Unternehmen und hinterlässt damit eine letzte weibliche Führungskraft im C-Level, nämlich Personalleiterin Eva Glanzer.
Ob die Schwierigkeiten der Neobank nun Grund des Abgangs waren, bleibt offen. Offiziell heißt es, sie wolle sich neuen Herausforderungen widmen. Gormleys Nachfolger wird der Finanzchef Jan Kemper, der selbst erst seit einem Jahr Teil des Teams ist und nun zwei Posten zu jonglieren hat. Offenbar habe Gormley jedoch gute Arbeit geleistet und ein leistungsstarkes Operationsteam aufgebaut, welches Co-Gründer Tayenthal als das „ideale Setup“ bezeichnet.
Der Kampf um die Fintech-Talente
Nichtsdestotrotz scheint die Situation alles andere als ideal: Etwa zehn Personen aus der Führungsetage sollen in den letzten zwei Jahren nach jeweils nur kurzen Perioden abgedankt haben. Verglichen mit der Branche, verzeichnet N26 eine überdurchschnittlich hohe Fluktuation. Dies spiegeln auch die Zahlen, denn zwischen 2020 und 2021 soll die jährliche Personalfluktuation bei 40 und 50 Prozent gelegen haben – bei anderen Start-ups wiederum bei etwa 20 Prozent. Erklären lässt sich dies allerdings auch mit der Wachstumsstärke und dem Einstellen vieler neuer Mitarbeiter, was ein Abgangsrisiko impliziert.
Berlin als Hochburg für nicht nur deutsche, sondern auch internationale Fintechs, birgt natürlich auch die Gefahr, dass Mitarbeiter durch das Schlüsselloch schauen und zur Konkurrenz abwandern. Mit Playern wie der Nubank oder Revolut sind die Alternativen schließlich nicht uninteressant.
N26 plant der wachsenden Unzufriedenheit der Mitarbeiter entgegenzuwirken. Neben einer Verbesserung der Mitarbeiterbeteiligungen gilt es auch die Richtlinien für die Home-Office-Möglichkeiten anzupassen.
Es scheint als sei die Great Resignation auch bei N26 angekommen – Mitarbeiter sind frustriert, fühlen sich oft nicht gesehen und gehört. Es liegt nun in der Verantwortung der Berliner Neobank, die Löcher der eigenen Marke zu flicken und zu beweisen, dass es die hart errungenen Talente auch bei sich halten kann.
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