Payment gehört auf die Tagesordnung der Politik

Spätestens seit der Pandemie ist Bargeld nicht mehr so beliebt. Es scheint, als würden sich auch Politik und Banken zunehmend von Scheinen und Münzen verabschieden. Wie sollte aus Handelssicht mit dem „Problemkind“ umgegangen werden?


Bargeld undPayment gehört auf die Tagesordnung der Politik

Glaubt man den Umfrageergebnissen, verliert die Nutzung von Bargeld als Transaktionskasse zunehmend an Bedeutung. Stattdessen sind kontaktlose Kartenzahlung und mobiles Bezahlen im Aufwind. Gleichzeitig wünschen sich Verbraucher die Freiheit, jederzeit selbst entscheiden zu können, auf welche Art sie zahlen.

Aus Handelssicht ergeben sich dadurch Herausforderungen. Fest steht, dass Bezahlen im Handel digitaler wird. Bargeld könnte dabei zur kostentreibenden Randerscheinung ohne Nutzen werden.

Unbare Zahlung auf dem Vormarsch

Das EHI Retail Institut hat ermittelt, dass der Anteil des unbar getätigten Umsatzes im Pandemie-Jahr 2020 um 5,6 Prozent gewachsen ist. Eine Rate, die viermal höher ist als in durchschnittlichen Jahren. Zwar liegen die Zahlen für das Jahr 2021 noch nicht vor, aber Prognosen zufolge hat sich der Trend zur unbaren Zahlung nochmals verstärkt.

Derzeit kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich der Pandemieeffekt zurückbildet. Handelsunternehmen ziehen mit und bieten die gewünschten Zahlungsarten an. Inzwischen nähert sich der klassische Einzelhandel einer Vollausstattung mit Zahlungsterminals und akzeptiert die notwendigen Zahlungsmarken – egal ob mobil oder per klassischer Karte. Gleichzeitig bleibt die Möglichkeit der Barzahlung erhalten.

Der Bargeldkreislauf steht vor Herausforderungen

Allerdings stellt sich bei weiterer Abnahme von Barzahlungen die Frage nach der Aufrechterhaltung eines effizienten Bargeldkreislaufes. Zudem legen Bankfilialschließungen, steigende Bearbeitungskosten oder Abschaffung von Bargelddienstleistungen bei gleichzeitiger Konzentration auf unbare Zahlarten nahe, dass Banken sich von Bargeld verabschieden wollen.
Vor dem Hintergrund stellt sich für den Handel die Frage: Wie kann dem Wunsch nach Barzahlung auch künftig entsprochen werden, wenn Kosten steigen und die Nachfrage kaum noch relevant ist?
Auch das politische Umfeld ist Bargeld gegenüber eher negativ geprägt. Verschärfte Geldwäscheregelungen, Bargeldobergrenzen, die Abschaffung des 500-Euro-Scheins oder eine überdimensionierte Münzprüfverordnung signalisieren eine schleichende Abkehr vom Bargeld.

Positionen zur Bargeldentwicklung

Der Handel braucht hier Planungssicherheit über die weitere Entwicklung. Daher sollte eine intensive gesellschaftliche Diskussion darüber geführt werden, wieviel Bargeld in Zukunft nötig ist und wer die Lasten hierfür trägt. Die Politik sollte den Weg aufzeigen, welche Bargelddienstleistungen in Zukunft benötigt werden und wie diese zu erbringen sind.

Zur Umsetzung sollte der Fokus auch auf technologische Weiterentwicklungen beziehungsweise Automatisierung gelegt und gefördert werden. Dabei könnte der Handel weitere Dienstleistungen wie die Bargeldauszahlung am Point of Sale (POS) durchaus intensivieren – wenn sie entsprechend vergütet werden. Weitere Rahmenbedingungen zur Förderung der Effizienz im Bargeldhandling sollten geschaffen beziehungsweise auf ihre Notwendigkeit hin überprüft werden. Auch die Bundesbank kann ihren Beitrag leisten und sollte Optionen zur Effizienzsteigerung prüfen. Dabei kann auch eine Entscheidung getroffen werden, wieder mehr Aufgaben selbst zu übernehmen.

Allerdings wäre eine explizite Verpflichtung zur Akzeptanz von Bargeld im Handel nicht zielführend und kann zu hohen Kosten ohne Nutzen führen. Eine differenzierte Betrachtung ist notwendig: Wo muss Bargeld weiterhin als Korrektiv oder Kriseninstrument agieren, wo wird es verzichtbar?

Positionen zur unbaren Zahlung

Der Rückgang von Bargeld führt auch – zumindest mittelbar – zu zunehmender Stärke etablierter unbarer Zahlverfahren. Leidvoll muss der Handel mit ansehen, wie errungene Regulierungseffizienzen der Interbankenentgeltverordnung durch zunehmend dominante Gebührenpolitik großer Kartenschemes kompensiert wird. Auch das effiziente und in Deutschland von Kunden und Handel akzeptierte girocard-Verfahren droht im Zuge der geplanten Einführung einer europäischen Zahlungsmarke zu verschwinden. Die Politik sollte daher auch im Bereich unbarer Zahlungen die Entwicklungen kritisch begleiten und klare Ziele vorgeben, um Fehlentwicklungen zulasten der Akzeptanzseite und der Verbraucher zu verhindern.

Aus Handelssicht ergeben sich zwei direkte Handlungserfordernisse für die Politik: Zum einen ist der SEPA-Standard der Echtzeitüberweisung voranzutreiben. Zum anderen sollte die Schaffung eines europäischen Zahlungssystems kritisch und mit Blick auf die Akzeptanzseite begleitet werden.

Instant Payments auf Basis des SEPA-Standards SCTInst gehört zweifellos zu den besten Entwicklungen der letzten Jahre. Die lange existierende Echtzeit-Handelswelt bekommt mit der Echtzeitüberweisung eine entsprechende Zahlungslösung. Zumindest in der Theorie. In der Praxis sollte die Politik ihre Vision des New Normal umsetzen und die vollständige Umsetzung bei allen europäischen Banken einfordern, ohne dass besondere Transaktionskosten für Verbraucher entstehen. Verbunden mit einem praktikablen Zugang aller Zahlungsauslösedienstleister kann so eine allgemein verfügbare Infrastruktur und damit innovative Zahlungsprodukte entstehen, die auf Augenhöhe zu den globalen Schemes agieren können.

Weiterhin sollte eine Förderung europäischer Zahlungsmarken und Produkte kritisch hinterfragt werden. Ein gemeinsames europäisches Zahlungssystem ist zwar auch aus Handelssicht interessant. Es darf aber nicht dazu führen, effiziente nationale Systeme durch ein teures Verfahren abzulösen. Eine Förderung sollte an Mitspracherechte der Akzeptanzseite geknüpft werden.

Payment-Strategie gebraucht

Die Zahlungswelt im Einzelhandel ist im Umbruch. Barzahlung verliert deutlich, Bargeldhandling wird unattraktiver. Gleichzeitig steigen die Abhängigkeiten von Anbietern im unbaren Zahlungsverkehr. Die Politik ist daher gut beraten, eine Payment-Strategie zu entwickeln. So können Fehlentwicklungen vermieden und Rahmenbedingungen geschaffen werden, um Verbrauchererwartungen effizient zu erfüllen.

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