Der Ukraine-Krieg wirft einen langen Schatten, dessen Einfluss sich kaum ein wirtschaftspolitisches Ereignis entziehen kann. Auch die Pressekonferenz von EZB-Präsidentin Christine Lagarde stand im Zeichen der russischen Invasion. Auf ihr lastete der Druck, trotz der erwartbaren wirtschaftlichen Risiken Zuversicht für die Zukunft zu vermitteln.
Dabei galt es insbesondere dem Schreckgespenst Stagflation entgegenzutreten. Es speist sich vornehmlich aus den steigenden Energiepreisen und der generellen Abhängigkeit von Russland beziehungsweise seinen fossilen Brennstoffen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor sind mögliche Rückkoppelungen durch die Sanktionen. Nach zwei Jahren kostenintensiver Corona-Maßnahmen ist der Handlungsspielraum zudem kleiner geworden.
Beschlüsse
Unter der Führung von Lagarde beschließt die EZB, keine vorschnellen Entscheidungen zu treffen. Die oberste Devise lautet Flexibilität erhalten, um im Angesicht schwer kalkulierbarer Risiken handlungsfähig zu bleiben. Das Direktorium scheint hier der Empfehlung von Chefvolkswirt Philip R. Lane zu folgen, der sich als Befürworter dieser Strategie zeigte. Aus der Ankündigung sind drei zentrale Beschlüsse hervorzuheben:
Erstens wird das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) zum Monatsende auslaufen. Damit setzt die EZB ein Zeichen, dass sie sich aus der Finanzierung der Corona-Maßnahmen zurückzieht. Die Lockerungen der Bundesregierung ab dem 20. März sind im Kontext dieser Entscheidung zu betrachten.
Zweitens wird der Betrag von Anleihen, die im Zuge des Asset Purchase Programmes (APP) erworben werden, übergangsweise erhöht. Die Nettokäufe erreichen ihren Höchstwert im April. Hier ist ein Betrag von 40 Milliarden Euro vorgesehen. Danach werden sie im Mai auf 30 Milliarden und im Juni auf 20 Milliarden fallen. Das APP fungiert demnach als kurzfristiger Puffer.
Drittens wird von Änderungen des Leitzinses abgesehen. Das heißt, die drei Stufen für Hauptrefinanzierungsgeschäfte, Spitzenrefinanzierungsfazilität und die Einlagefazilität bleiben bei 0 Prozent, -0,25 Porzent und –0,5 Prozent bestehen. Aufgrund des Kriegs ist die mehrfach angedachte Zinswende vorerst nicht in Sicht.
Prognose
Insgesamt ist die wichtigste Botschaft, dass die EZB die Entwicklung beobachtet und sich vorbehält, mit Entschlossenheit einzugreifen, wenn es nötig ist. Damit trägt sie zur Beruhigung der angespannten Lage bei. Prominente Ökonomen wie der Chef des Münchner ifo-Institut Clemens Fuest begrüßen Lagardes Beschlüsse.
In ihrer wirtschaftlichen Prognose für den Euroraum zeigt sich die Zentralbank verhalten optimistisch. Zwar rechnet die Bank für dieses Jahr mit einer Inflation von 5,1 Prozent, doch bereits 2023 soll der ausgegebene Zielwert mit 2,1 Prozent in greifbare Nähe rücken. Spätestens 2024 werde sich die Situation – auch in den ungünstigeren Alternativszenarien – wieder beruhigen.
Unterm Strich spricht einiges dafür, dass der Fokus auf Flexibilität langfristig eine kluge Strategie ist. Zum einen bestehen große Unsicherheiten, wie sich der Ukraine-Krieg entwickelt. Zum anderen liegen wichtige Instrumente zur Abwehr der drohenden Stagflation wie etwa Energiesteuern ohnehin auf Ebene der Nationalstaaten.
Sofern sich die politischen Ereignisse nicht überwerfen, sind seitens der EZB keine grundlegenden Kurswechsel in den nächsten Monaten zu erwarten.
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