Die Kurseinbrüche der Kryptowährungen werden auch in der Bankenbranche zu einer Neubewertung des Anlagemarkts führen. Wie der erneute Sturz des Bitcoins unter die 30.000-Dollar-Marke gezeigt hat, stehen den hohen Gewinnchancen eben auch hohe Verlustrisiken gegenüber.
Aus diesem Grund bietet das sechste BANKINGCLUB-Radar eine interessante Momentaufnahme. Die mit Unterstützung von Horn & Company durchgeführte Umfrage zu Kryptowährungen und Blockchain endete Anfang Mai 2022 – und damit kurz vor der Talfahrt des Bitcoins.
Hohe Erwartungen, geringe Einbindung
Im Umfragezeitraum bestand Einvernehmen, dass die Blockchain-Technologie starken Einfluss auf die Finanzbranche haben wird. 64 Prozent gingen davon aus, dass es ein wichtiges Zukunftsthema im eigenen Haus sei. Demgegenüber gaben nur 11 Prozent der befragten Banker an, dass Krypto keinerlei Relevanz für den Arbeitgeber besitze. Weitere 23 Prozent hielten die Technologie darüber hinaus für unterschätzt.
Diese Erwartungshaltung spiegelt sich auch in den Prognosen zur Wertentwicklung des Bitcoins wider. Knapp die Hälfte derjenigen, die eine Angabe machte, schätzte den Wert der Währung in zehn Jahren auf 100.000 bis 500.000 Euro. Ein Drittel bezifferte ihn auf 25.000 bis 100.000 Euro, wohingegen nur 15 Prozent eine Entwicklung unterhalb von 25.000 Euro für realistisch hielten. Dabei fiel die Einbindung von Blockchain-Anwendungen jedoch sehr niedrig aus. Nach Angaben der Befragten machten 65 Prozent der Arbeitgeber keinen Gebrauch von den Möglichkeiten der neuen Technologie. Die indirekte Nutzung über ETFS und Fonds ist mit 15 Prozent der verbreitetste Anwendungsfall. Vor diesem Hintergrund ein ernüchterndes Ergebnis: Gerade einmal jede fünfte Bank greift auf die Blockchain-Technologie zurück, um mit Kryptowährungen und digitalen Assets zu handeln oder sie zu verwahren.
Nutzen und Nachfrage
Genau diese beiden Bereiche identifizieren die Umfrageteilnehmer aber als die Felder mit dem größten kurzfristigen Nutzen für ihr Unternehmen. So gaben 57 Prozent an, dass ein Angebot von digitalen Assets beziehungsweise deren Verwahrung innerhalb der nächsten zwei Jahre Relevanz besitzen wird. Eine annähernd gleiche Bedeutung sehen die Banker bei der Tokenisierung von Assets. Dicht dahinter ist der Bedarf an neuen Zahlungsweisen und -kanälen mit 50 Prozent angesiedelt.
Weit abgeschlagen mit 26 beziehungsweise 25 Prozent liegen hingegen der Zugang zu dezentralen Finanzdienstleistungen und Investitionen in Kryptowährungen seitens des Arbeitgebers. Sie weisen die niedrigsten Zustimmungswerte unter den Antwortmöglichkeiten auf. Die Nachfragesituation von Kunden bei Krypto-Produkten wird eher konservativ eingeschätzt. Sowohl in Bezug auf Investitionen in Krypto als auch den Handel damit und dessen Verwahrung sehen insgesamt über 80 Prozent der Befragten eine eher geringe bis hohe Nachfrage. Tendenziell sehen Banker bei Investitionen mit 57 Prozent den größten Bedarf, gefolgt von Handel mit 47 Prozent und Verwahrung mit 44 Prozent.
Wettbewerb und Bedrohung
Hinsichtlich der Platzierung des eigenen Unternehmens im Wettbewerb zeigt sich ein durchmischtes Stimmungsbild. Zwar gehen 28 Prozent davon aus, mit dem Produkt- und Serviceangebot die Zielvorgaben zu erfüllen oder zu übertreffen. Gleichzeitig befürchten 16 Prozent der Teilnehmer, dass ihr Unternehmen den Anschluss verlieren könnte und 23 Prozent attestieren ihrem Arbeitgeber Verbesserungspotenzial. Derweil gibt die Mehrheit mit 32 Prozent an, sich noch in der Orientierungsphase zu befinden.
Bei der wichtigen Frage, ob Kryptowährungen eine Bedrohung für die klassische Bankenwelt darstellen, wurde ebenfalls sehr differenziert geantwortet. Einerseits geht aus den Daten hervor, dass 64 Prozent davon überzeugt sind, dass das Thema Krypto nicht einschlafen wird. Andererseits sind sich die Teilnehmer strittig über die möglichen Einflüsse von Decentralized Finance (DeFi) und Internet-Giganten wie Google. In beiden Fällen ist die Bewertung sehr ausgeglichen, wobei die Teilnehmer eher dazu tendieren, mit starker Konkurrenz zu rechnen.
Hürden und Prognose
Wo also liegen die Hürden auf dem Weg zur erfolgreichen Adaption der Technologien? Hier kristallisieren sich aus Sicht der Banker zwei Hauptargumente heraus, die die drei weiteren Antwortmöglichkeiten mit fast 90-prozentiger Zustimmung weit in den Schatten stellen. Zum einen führen die Befragten Sicherheitsbedenken an, die die Expansion von Kryptowährungen ausbremse. Zum anderen seien regulatorische Hürden aus den Bereichen Compliance und KYC ein Hindernis. Nachrangig finden fehlende Marktdurchdringung und ein Mangel an Akzeptanz – innerhalb wie außerhalb der Finanzindustrie – Beachtung.
Mit Blick auf die Zukunftsfähigkeit von Kryptowährungen und Blockchain herrscht große Einigkeit im Teilnehmerfeld. Auf die zugespitzte Frage „Hand aufs Herz – Braucht man das wirklich?“ antworteten überwältige 91 Prozent mit ja. Sie spalten sich ferner in zwei Lager auf, von denen rund zwei Drittel an die langfristige Etablierung der Technologien glauben. Ein Viertel beschreibt sie gar als die Zukunft. Die Zahl der Skeptiker, die eher an einen Hype glauben, fällt mit lediglich drei Prozent sogar niedriger aus als die Zahl derer, die nach eigener Auskunft keine Meinung dazu haben. Hier machten immerhin 6 Prozent ihr Kreuz.
Abschließend lässt sich festhalten, dass Blockchain und Kryptowährungen zum Zeitpunkt der Umfrage gleichermaßen als Chance und Herausforderung angesehen wurden. Die Einbindung diesbezüglicher Dienstleistungen steckt nach Angaben der Banker mehrheitlich in der Entwicklungsphase. Ob sich die Erwartungen in Bezug auf die Kundennachfrage infolge der Kurseinbrüche verändert haben, müsste in den kommenden Monaten überprüft werden. Schließlich leitet sich davon auch der Handlungsdruck ab, unter dem Banken agieren. Hierfür jedenfalls bietet das sechste BANKINGCLUB-Radar die geeignete Grundlage.
Tipp: Lesen Sie hier die Auswertung des letzten BANKINGCLUB-Radars.