Die Entwicklungen am Immobilienmarkt sind gelinde gesagt turbulent. Wer ein Objekt kaufen möchte, muss immer mehr Eigenkapital mitbringen. Denn Banken vergeben Kredite zunehmend zögerlich und setzen hohe Eigenkapitalquoten voraus. Das Eigenheim bleibt für viele ein Traum.
Doch es zeichnet sich eine Gegenbewegung ab. Nach einem jahrelangen Höhenflug werden die Kaufpreise (künftig) sinken, lautet die Meinung von vielen Analysten. So verzeichnete der vdp-Immobilienpreisindex im dritten Quartal 2022 den ersten Rückgang seit elf Jahren. Er steht aktuell bei 192,8 Punkten (Basisjahr 2010 = 100 Punkte). Das vdpResearch berechnet den Index quartalsweise durch die Auswertung echter Immobilientransaktionsdaten von mehr als 700 Kreditinstituten. „Der jahrelange Aufwärtstrend bei Wohnimmobilienpreisen ist zu Ende“, sagt vdp-Hauptgeschäftsführer Jens Tolckmitt.
Eine Analyse der DZ Bank bekräftigt dies. Noch im ersten Halbjahr 2022 sind die Hauspreise rasant angestiegen, doch in der zweiten Hälfte wird ein erkennbarer Nachfragerückgang erwartet. Ein wichtiger Faktor ist die Zinswende, die sich in steigenden Bauzinsen niederschlägt. Aber auch die Energiekrise und die angebotsbedingte Inflation sorgen für einen Rückgang des Käuferpotenzials.
Moderate Preisrückgänge wahrscheinlich
Allerdings hätten diese Entwicklungen den Markt noch nicht erreicht, besagt dagegen eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) vom Herbst 2022. Sie untersucht die Entwicklung Preisentwicklung in 97 Städten in Deutschland und stellt einen erneuten Anstieg fest. Eigenheime und -wohnungen seien im Vergleich zu 2021 im Mittel elf Prozent teurer geworden. Bei Bauland sei die Situation ähnlich.
Gleichwohl spricht das Institut von einer sich ankündigenden “Trendwende”. Denn die Preisentwicklungen basierten Neuvermietungen und Immobilienkäufen, demgegenüber stagnierten die Angebotspreise im dritten Quartal 2022. Hinzukommt, dass sich die Untersuchung auf Vorjahreswerte bezieht.
Auch der vdp erkennt Anzeichen für eine Trendwende. Jens Tolckmitt fasst wie folgt zusammen: „Im Gesamtjahr 2022 dürfte es im Vorjahresvergleich aufgrund der hohen Steigerungsraten in den ersten sechs Monaten noch zu einem Plus bei der Preisentwicklung der Wohnimmobilien reichen.” Und weiter: „Auf Quartalsbasis rechnen wir mit einem anderen Ergebnis: Die aktuelle Entwicklung wird sich voraussichtlich fortsetzen, das heißt es ist von weiterhin moderaten Preisrückgängen bei den Wohnimmobilienimmobilienpreisen auszugehen.”
Platzt die Blase – und gibt es sie überhaupt?
Kaufen ist nicht mieten, seit den frühen 2010er-Jahren ist eine stetig größer werdende Schere der Miet- und Kaufpreise zu beobachten. Laut DIW steht dem Anstieg von elf Prozent bei Kaufobjekten, ein Plus von nur vier Prozent der Mietpreise gegenüber. Eine Preisspanne dieser Größenordnung ist für das DIW alarmierend. Die Studienautoren Konstantin A. Kholodilin und Malte Rieth halten zwar einen großen Absturz für unwahrscheinlich, erkennen aber Tendenzen in diese Richtung: „Wir stehen in Deutschland nicht vor dem Platzen einer riesigen Immobilienpreisblase, wir haben eher eine moderate Blase.“
Andere Experten schätzen die Situation ähnlich ein. So betont MünchenerHyp-Vorstand Ulrich Scheer im BANKINGNEWS-Interview: „Die Städte wachsen, die Bevölkerung in Deutschland in Summe aber nicht. Wenn die Bevölkerung weiter wächst, ist es plausibel, dass die Nachfrage nach Wohnraum in den relevanten Regionen auch stärker wächst.” Sein Fazit: „Die berühmte Blase im privaten Wohnimmobilienmarkt sehe ich definitiv nicht.”
Die DIW-Studie enthüllt jedoch auch, dass statistische Tests für immer mehr Regionen und Marktsegmenten spekulative Übertreibungen zeigen. Dies betreffe in erster Linie Eigentumswohnungen und Baugrundstücke in großen Städten. Bei Eigentumswohnungen und Eigenheimen seien in den kommenden Jahren Preiskorrekturen von bis zu zehn Prozent möglich.
Neubauangebot ausweiten
Mehr Menschen verbleiben in Mietwohnungen, weniger bauen und nicht genügend Wohnraum entsteht. Doch der ist gerade in Städten und Ballungsgebieten knapp, während die Bevölkerung auch aufgrund von Flüchtlingsströmen aus der Ukraine zusätzlich wächst. In Berlin, Düsseldorf und Köln sind 2021 sogar weniger Wohnungen fertiggestellt worden, kritisiert das DIW. Die Erwartung: Die Mietpreise werden in 2023 weiter steigen.
Daher fordert Studienautor Malte Rieht: „Die Politik sollte mit beschleunigten Verfahren und höheren öffentlichen Bauinvestitionen der Neubautätigkeit schnell wieder Schwung verleihen.”
Vom Immobilienmarkt wird künftig noch viel zu berichten sein, eine Abkühlung der Situation wird wohl nicht zu den Nachrichten gehören.
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