Francis Bacon soll gesagt haben: „Wissen ist Macht“. Dieses Statement des englischen Philosophen ist einige hundert Jahre alt. Damit sollte er bis heute Recht behalten. Und: Wissen ist nicht nur Macht, sondern macht auch unabhängiger. Wer sich gut auskennt, kann selbstständiger agieren und bessere Entscheidungen treffen. Besonders wichtig ist das beim Umgang mit Geld. Kontinuierliche Finanzbildung sichert die wirtschaftliche Teilhabe der Verbraucher und stärkt die Finanzmarktstabilität. Hier sind auch Banken in der Pflicht – und haben die Chance auf wertvolle Gegenleistungen.
Bestandsaufnahme ohne Bestnoten
Gebe ich Geld schnell aus oder spare ich es lieber? Wie gestalte ich meine finanzielle Absicherung im Alter? An wen wende ich mich bei Fragen zur privaten Geldanlage? Diese und weitere Fragen haben 2.500 Kontoinhaber in einer aktuellen Umfrage des digitalen Markt- und Meinungsforschungsunternehmens Civey in Kooperation mit BANKINGCLUB beantwortet. Ziel war es, herauszufinden, welchen Stellenwert Finanzbildung bei deutschen Verbrauchern hat und welche Rolle Banken und andere Finanzdienstleister hierbei einnehmen (sollten).
Zunächst eine Bestandsaufnahme: Wie steht es um die Finanzbildung bei den Deutschen? Die Selbsteinschätzung der Teilnehmer wurde dabei in Schulnoten abgebildet. 29,2 Prozent geben sich eine Drei, mit 23,5 und 22,5 kommen die Vier und die Zwei auf den nachfolgenden Plätzen. Gerade in der aktuellen Wirtschaftslage lässt das zu wünschen übrig. Doch das Interesse an den eigenen Finanzen nehme zu, sagt Janina Mütze, Co-Gründerin und Geschäftsführerin von Civey: „Eigenverantwortung in der finanziellen Absicherung wird wichtiger. Das zeigen unsere Daten: Angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Lage beschäftigen sich 35,6 Prozent der Deutschen mehr als üblich mit finanziellen Fragen.“
Und weiter sagt sie: „Gleichzeitig wünscht sich jeder zweite Kontoinhaber bessere Kenntnisse zum Thema Finanzen. Auf den Lehrplänen sucht man diese Inhalte aber bisher vergeblich.“ Folglich fehlen Kindern und Jugendlichen oftmals grundlegende Kenntnisse zu Finanzen und Wirtschaft. So verteilten auch die Befragten dem „Nachwuchs“ keine Bestnoten für ihr Finanzwissen. In dieser Frage vergaben 36,7 Prozent ein „mangelhaft“. 30,1 Prozent schätzen die Finanzkenntnisse von Kindern und jungen Erwachsenen sogar als ungenügend ein. Das sehen die Bewerteten selbst genauso. In der „Jugendstudie 2021“ des Bundesverbandes Deutscher Banken (BdB) gaben zwei Drittel der Befragten an, dass sie in der Schule wenig über Wirtschaft und Finanzen gelernt haben.
Teilgenommen haben 700 Personen im Alter von 14 bis 24 Jahren. Dabei wünschen sich 76 Prozent mehr Wirtschaft im Lehrplan. Drei Viertel sind für die Einführung des gesonderten Unterrichtsfachs „Wirtschaft“. Nicht zu Unrecht, denn im komplexen Feld kennen sich die Befragten nur bedingt aus. So kannten 44 Prozent den Begriff Inflationsrate nicht und über zwei Drittel haben keine oder eine falsche Vorstellung davon, welche Aufgaben die EZB hat. Festzuhalten ist, dass es bei Finanz- und Wirtschaftsbildung altersübergreifend Nachholbedarf gibt. Warum geht Banken das etwas an?
Haben sie überhaupt ein Interesse daran, dass Kunden ihre finanziellen Probleme selbstständig lösen können? Natürlich ist ökonomische Allgemeinbildung ein weites Feld mit verschiedenen Auslegungen. Doch gewisse finanzielle Entscheidungen müssen getroffen werden. Geld geht jeden etwas an. Fehlen hier wesentliche Grundlagen und das Verständnis von essenziellen Zusammenhängen, können Verbraucher ihre Finanzentscheidungen und die Konsequenzen nicht angemessen einschätzen.
Es besteht die Gefahr, dass sie abhängig von Dritten werden – und die müssen es nicht immer gut mit ihnen meinen. Oft wird auch eine Verbindung zwischen mangelnder Finanzbildung und Überschuldung gezogen. Sind Verbraucher besser informiert, können sie komplexe oder intransparente Produkte sowie irreführende Werbung eher einordnen.
Die Bank als wichtiger Ansprechpartner
Bankberater sind damit noch lange nicht hinfällig, sie haben im Idealfall schlichtweg vorinformierte Kunden, die mit einer gewissen Vorstellung in ein Beratungsgespräch kommen. Und das tun sie nach wie vor: 68,9 Prozent der von Civey Befragten halten klassische Filialbanken für einen wichtigen beziehungsweise sehr wichtigen Ansprechpartner bei Anliegen zur privaten Geldanlage. 41,5 Prozent vertrauen Kreditinstituten bei der privaten Geldanlage am meisten.
Etwa genauso viele wenden sich bei diesen Fragen auch direkt an ihre Bank. Und so verwundert es nicht, dass 71 Prozent der Teilnehmer schon einmal zu diesem Thema beraten wurden, über die Hälfte bei einer klassischen Filialbank. Hier zeigt sich besonders deutlich der Unterschied zu Neobanken. Nur 1,6 Prozent haben sich bei diesen Fragen auf reine Online-Banken verlassen. Und das Vertrauen in sie bei diesen Themen ist mit 1,2 Prozent kaum nennenswert. Auf jeweils ähnliche Werte kommen bei diesen Fragen auch Fintechs. Dies könnte auf den Stellenwert der persönlichen Ebene, des direkten Augenkontakts, bei wichtigen finanziellen Entscheidungen hindeuten.
Filialen haben als Beratungseinheiten also nach wie vor ihren Platz in der Finanzlandschaft. Denn wen man wirklich kennt, dem vertraut man auch eher. Auch Konkurrenz durch sogenannte Finfluencer brauchen die traditionellen Institute – zumindest unter diesem Aspekt – nicht zu fürchten. Nur 0,3 Prozent bewerten die Fachkompetenzder Finfluencer mit „sehr gut“. Hingegen geben 29 Prozent der Befragten für diesen Aspekt ein „ungenügend“ auf der Schulnoten-Skala und etwa 17,3 Prozent finden hier ein „mangelhaft“ angebracht.
Zum Ratgeber der Kunden werden
Die Kompetenzvermutung liegt bei den Banken. Dabei sollten sie frühzeitig ansetzen und auch hier schon auf die Jüngeren schauen. Nicht nur sind sie im Erwachsenenalter potenzielle Kunden, sondern auch in der Gegenwart als Zielgruppe relevant. Einige sind schon im Beruf, andere noch in der Schule, doch langsam müssen sie sich ernsthaft Fragen rund ums Geld stellen. In dieser Zeit werden wichtige Weichen gestellt. Es ist auch die Aufgabe von Banken, sie hier zuverlässig vorzubereiten und über Risiken wie Altersarmut und Überschuldung aufzuklären.
Wenn die Institute sich richtig verhalten, entwickelt sich daraus eine langfristige und solide Vertrauensbasis. Banken können die Ausgangslage nutzen und sich proaktiv als „Ratgeber“ im Leben ihrer Kunden positionieren. Dabei kommen ihnen die Kunden sogar entgegen. Bei den Befragten zeigt sich, dass die überwiegende Mehrheit sich gewisser Risiken bewusst ist und vorgesorgt hat. 74,2 Prozent gaben zum Beispiel an, bereits Maßnahmen zur finanziellen Absicherung im Alter getroffen zu haben.
Und der Wille, sich stärker in Finanzthemen einzuarbeiten, ist vorhanden. Zwar sind sich 39,9 Prozent unsicher, was genau ihnen zu besseren Kenntnissen im Bereich Wirtschaft und Finanzen verhelfen würde. Für 28 Prozent steht jedoch ein persönlicher Berater an zweiter Stelle, was den Erwerb dieser Kompetenzen angeht. Banken haben den Bildungsauftrag erhalten. Nehmen sie ihn auch an?
Laura Kracht