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BANKINGNEWS: Die ING hat IG&H beauftragt, ein regelbasiertes Modell für die Kreditrisikoprüfung zu entwickeln. Wie funktioniert das Modell heute?
Hein Wegdam: Das regelbasierte Modell wurde mit der Zeit zu komplex. Die vielen Regeln erschwerten die Pflege, und subtile Muster wurden nicht erkannt, was die Ergebnisse letztlich ungenauer machte. Dank der engen Zusammenarbeit zwischen der Risikoabteilung, dem Front Office und dem Data-Science-Team konnte IG&H das Wissen und die Erfahrung der Experten mithilfe von KI erfassen. Der KI Algorithmus wird auf der Grundlage von Experteneingaben trainiert. Es wurde ein KI-Modell entwickelt, dessen Eigentümer und Sponsor die Abteilung ING Credit Risk Management selbst ist. Heute arbeitet das Modell sowohl mit Geschäftsregeln als auch mit Künstlicher Intelligenz.
Sie sprechen expertenbasiertes Lernen (EBL) an. Warum bevorzugen Sie dies im Kreditrisikomanagement?
Herkömmliche KI-Modelle lernen aus historischen Daten und Ergebnissen. Jedoch sind historische Daten nicht immer verfügbar und externe Faktoren können sich schnell ändern. Bei Expertenbasierter KI identifizieren menschliche Fachleute die relevantesten Variablen und stellen Trainingsbeispiele für den maschinellen Lernalgorithmus bereit. Die Abhängigkeit von historischen Daten wird verringert. Daher sind EBL-Modelle vertrauenswürdiger und schneller anpassbar als Modelle des maschinellen Lernens. Mit EBL können Anpassungen statt in Monaten in Tagen oder Wochen vorgenommen werden. Experten können das Modell einfach neu trainieren und anpassen, wenn sich die Marktbedingungen ändern.
In welchen anderen Bereichen ist der Einsatz möglich?
Nach unseren Erfahrungen eignet es sich gut für Kreditgenehmigungsverfahren, die auf Vermögenswerten basieren. Der ideale Einsatzbereich ist jede Art von komplexen und hochvolumigen, aber sich wiederholenden Expertenentscheidungen. Das hohe Volumen rechtfertigt die Investition, während die Komplexität Aufmerksamkeit erfordert, die über die Automatisierung von Geschäftsregeln hinausgeht. Die Nutzung der Modelle ist nicht auf Einzelfallanwendungen beschränkt. Sie ermöglichen auch eine kontinuierliche Portfolioüberwachung und Szenarioanalysen.
Wie würden Sie Ihre bisherigen Erfahrungen mit dem Modell zusammenfassen?
Durch die Reduzierung manueller und sich wiederholender Arbeiten wurden Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit erhöht. Ihr Fachwissen kann dadurch für risikoreiche Fälle und manuelle Bewertungen eingesetzt werden. Indem das subjektive individuelle Expertenurteil durch das kollektive Wissen aller Experten ersetzt wurde, konnte eine einheitliche Entscheidungsfindung erleichtert werden. Insgesamt wurden 80 Prozent der Überprüfungen und 50 Prozent der Kreditverlängerungen automatisiert.
Gibt es Anzeichen dafür, dass die Regulierungsbehörden neuen Technologien mit Skepsis gegenüberstehen?
Die Regulierungsbehörden weisen zu Recht darauf hin, dass automatisierte Entscheidungen erhebliche Auswirkungen auf die Leistung eines Unternehmens haben können. Sie sollten daher gut durchdacht, getestet und überwacht werden. Viele Finanzdienstleister sind sich dessen bewusst, und das bevorstehende KI-Gesetz der EU ist eine gute Initiative zur Stärkung der Handlungsfähigkeit. In vielen Unternehmen lauern jedoch wahrscheinlich mehr Risiken in unüberwachten Geschäftsregelmodellen als in Modellen für maschinelles Lernen. Transparenz ist hier der Schlüssel. Dashboard-Berichte verbessern das Verständnis des Managementteams für Prozesse und Modell-Performance.
Was sind die Grenzen von KI und expertenbasiertem Lernen?
Die Entwicklung von KI-Modellen erfordert weniger Ressourcen. Modelle für Geschäftsregeln können von einem Team aus Domain Experten, Business-Analysten und Programmierern entwickelt werden. Die beiden letzteren sind in vielen Unternehmen reichlich vorhanden. Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz erfordert einen Data Scientist, der eng mit dem Geschäft bei der Entwicklung und Pflege der Modelle zusammenarbeitet. Geschäftsregeln sind in ihrer Funktionsweise transparent und vorhersehbar, während KI-Modelle schwieriger zu interpretieren und zu kontrollieren sein können. An dieser Stelle kommt EBL ins Spiel: Bei diesem Ansatz haben Fachleute die Kontrolle über die Variablen, und das daraus entstandene Modell ist in der Regel gut verständlich. Es benachrichtigt den Benutzer, wenn es nicht in der Lage ist, eine angemessene Antwort zu geben, und überlässt ihm die manuelle Bewertung.
Interview: Daniel Fernandez
Hein Wegdam
ING Real Estate Finance
Hein Wegdam ist Director bei ING Real Estate Finance und Teil des Management Team Business Banking in den Niederlanden.