„Beim Verbraucher hat sich etwas verändert, in der Branche noch nicht“

Honorarberatung gewinnt gegenüber der klassischen Provisionsberatung zunehmend an Bedeutung. Die Quirin Privatbank setzte als erstes deutsches Institut ausschließlich auf dieses Konzept. Im Interview berichtet der Vorstandsvorsitzende Karl Matthäus Schmidt von den bisherigen Erfahrungen, dem hauseigenen Robo-Advisor und der Frage, welche Rolle die Finanzbildung der Kunden spielt.


Das Fpto zeigt Karl Matthäus Schmidt, Gründer und Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank
(Foto: Sven Serkis)

BANKINGNEWS: Herr Schmidt, 2006 gründeten Sie die Quirin Privatbank und kurz darauf veröffentlichten Sie das Buch „Die neuen Gesetze des Private Banking“. Was hat sich seitdem geändert?

Karl Matthäus Schmidt: Tatsächlich arbeiten die meisten Banken in der Anlageberatung weitgehend so wie vor 20 Jahren. Es hat sich relativ wenig verändert. Das heißt, das antiquierte Provisionsgeschäft bildet weiterhin den Branchenstandard. Meines Erachtens ist das für sich betrachtet bereits eine ziemlich frappierende Feststellung. Aber das spiegelt nur eine Seite der Medaille wider. Denn die Verbraucher auf der anderen Seite haben sich sehr wohl bewegt. Kürzlich wurde eine repräsentative Studie durchgeführt, wonach sich 63 Prozent der Befragten über die Abschaffung von Provisionen freuen würden. Und daher lautet meine zusammenfassende Antwort: Beim Verbraucher hat sich etwas verändert, in der Branche noch nicht.

Welches sind aus Ihrer Sicht die kundenseitigen Hürden auf dem Weg zur Honorarberatung?

Es liegt unter anderem am deutschen Begriff, weil er die Bezahlform in den Vordergrund stellt. „Honorarberatung“ wird ja häufig mit dem Image verknüpft, teuer zu sein. Der Kunde denkt, hier entstehen zusätzliche Kosten. Währenddessen spricht man auf der ganzen Welt von „Independent Advice”, also unabhängiger Beratung. In der englischen Bezeichnung wird viel deutlicher die dahinterstehende Philosophie betont. Es wird vermittelt, dass die Beratung frei von Vertriebsinteressen erfolgt.

Ein weiteres Problem ist, dass viele Menschen ja nach wie vor glauben, dass das Honorar beziehungsweise die unabhängige Beratung mit Stundenentlohnung gleichzusetzen ist. Das ist natürlich nicht der Fall. Wir nehmen etwa einen Prozentsatz vom Vermögen, was zudem einen großen Vorteil hat. Denn damit kann sich jemand, der über weniger Vermögen verfügt, ebenfalls eine Beratung leisten. Steht im Kontext der prozentualen Beteiligung nicht die

Einigung auf ein Geschäft schon quasi als Vorbedingung im Raum?

Das wäre aus Sicht des Anbieters natürlich wünschenswert, entspricht aber nicht der Realität. Jeder Mensch ist da frei und kann einfach sagen, dass er kein Interesse hat. Dementsprechend sind auch keine Vorbedingungen notwendig. Es ist wie bei einem Kennenlerngespräch, in dem man erklärt, wie das Produkt funktioniert. Und wir kennen es schließlich auch aus anderen Bereichen des Lebens. Denken Sie etwa an die Probefahrt vor einem Autokauf. Die ist in aller Regel kostenlos, und zwar ohne dass der Interessent seine Unterschrift unter einen Kaufvertrag setzt. Genauso ist es letztendlich bei einer Erstberatung.

Anlageberatung ist ein Vertrauensgut und da haben Provisionen nichts zu suchen.

Auf Ebene der EU konnte ein generelles Provisionsverbot nicht durchgesetzt werden. Sehen Sie sich in ihrer Geschäftsidee dennoch bestätigt?

Unsere Auffassung ist, dass Anlageprodukte im Grunde den Charakter eines Vertrauensguts haben, weil das Ergebnis erst nach 15, 20 oder vielleicht erst nach 30 Jahren sichtbar wird. Vor nicht allzu langer Zeit ging wieder ein Beispiel zur Riesterrente durch die Medien. Da hatte ein Verbraucher 16 Jahre lang gespart und insgesamt eine Rendite von sieben Prozent erwirtschaftet. Damit keine Missverständnisse aufkommen: Wir reden nicht vom jährlichen Betrag, sondern von der Rendite über die gesamte Laufzeit! Aus meiner Sicht sieht man daran, wie wichtig es zum Zeitpunkt der Beratung und des Vertragsabschlusses ist, den Verkauf von den Provisionen zu entkoppeln – erst recht, wenn die Ergebnisse so weit in der Zukunft liegen.

Vom Vertrauensgut Anlageberatung zu sprechen, bedeutet also insbesondere das höhere Schutzbedürfnis des Kunden im Kontext von Beratung anzuerkennen. Das ist der Grund, warum wir es seit Gründung der Quirin Privatbank so machen. Wir sind überzeugt, dass es die einzige Möglichkeit ist, auf anständige Weise mit dem Kunden – und nicht gegen ihn – zu arbeiten. Und um noch mal auf die Politik zu blicken: Nicht alles, was wünschenswert ist, wird am Ende auch durchgesetzt. Aber der Versuch zeigt, dass Handlungsnotwendigkeit besteht und insofern fühle ich mich am Ende bestätigt, denn Anlageberatung ist ein Vertrauensgut und da haben Provisionen nichts zu suchen.

Wir sind überzeugt, dass man den Markt langfristig nicht schlagen kann.

Hätte sich ein allgemeines Verbot nicht auch nachteilig auf Ihr Geschäftsmodell ausgewirkt?

Wahrscheinlich haben Sie in diesem Punkt schon Recht. Es ist gut möglich, dass wir nichts von einem Provisionsverbot gehabt hätten oder es vielleicht sogar kontraproduktiv für unser Geschäft gewesen wäre, weil wir damit unseren USP verloren hätten. Auf der anderen Seite bleibt es nun einmal unsere Überzeugung, dass die Provisionsorientierung aufgrund der beschriebenen Vertrauensgut-Problematik in der Beratung nichts zu suchen hat. Und deswegen sind wir für ein Verbot, obwohl es uns geschäftlich nichts einbringt oder sogar schädlich sein kann.

Welche Rolle spielen digitale Beratungsangebote für die Quirin Privatbank? Oder etwas plakativer gefragt, wie lassen sich Robo-Advisor mit ihrem Anspruch vereinbaren, „Herz“ in die Bankenwelt zurückzubringen?

Ich halte das Robo-Angebot für unabdingbar, denn wir wollen schließlich auch junge Menschen, sprich Digital Natives, erreichen. Man kann heute nicht mehr erwarten, dass Kunden automatisch in eine Niederlassung kommen, um ein Gespräch zu führen. Sie verlangen nach einem digitalen Zugang, nach digitalen Angeboten. Genau das bedienen wir mit unserer Robo-Lösung.

Und sollte ein junger Kunde einmal persönlichen Betreuungsbedarf haben, etwa nachdem er ein Erbe oder seine ersten Boni erhalten hat, und in den Markt investieren und sich rückversichern möchte, dann braucht es eben doch einen Menschen, auf den er zurückgreifen kann. Das ist, was wir bei Quirion über die sogenannten Service-Pakete abdecken wollen. Das bedeutet, als Kunde kann ich einen Berater hinzubuchen, wenn ich eine Rückfrage habe oder unsicher bin, ob ich alles richtig mache. Insofern passen unser Robo-Advisor und die persönliche Beratung perfekt zusammen: erst digital und je nach Bedarf menschliche Unterstützung, also mit Herz.

Quirion, der hauseigene digitale Vermögensverwalter, wurde vielfach ausgezeichnet. Worin sehen Sie den Mehrwert gegenüber anderen Produkten am Markt?

Das Produkt Quirion ist grundsätzlich für Menschen konzipiert, die froh über die Unterstützung ihrer Bank sind. Das kann unterschiedliche Gründe haben, etwa weil ihnen die Muße, die Fachkenntnis oder die Zeit fehlt, die Anlagen selber zu tätigen. Also übernehmen wir das Investieren in dem Rahmen, den der Kunde uns vorgibt, und kümmern uns dauerhaft darum. Dabei spielt natürlich die Erfahrung der Quirin Privatbank in das Robo-Produkt hinein.

Wir tragen nicht nur die Provisionsfreiheit in unserer DNA, sondern sind ebenso davon überzeugt, dass man den Markt langfristig nicht schlagen kann. Wir investieren mit ihm und nicht durch aktives Management dagegen. Denn das scheitert in der Regel. Im Ergebnis hat der Kunde in den letzten zehn Jahren vor Kosten eine Rendite von 8,7 Prozent erwirtschaftet. Und ich finde, das kann sich durchaus sehen lassen.

Unsere Motivation ist die Finanzbildung. Wir wollen das Wissenslevel des Anlegers anheben.

Seit drei Jahren betreiben Sie den Podcast „klug anlegen“. Betrachten Sie ihn als reines Privatvergnügen oder lässt sich der Podcast in die Gesamtstrategie der Quirin Privatbank einordnen?

Um das Anlagemanagement wird häufig so ein Hokuspokus gemacht. Auf der einen Seite ist die tolle Bank samt den Experten und auf der anderen Seite steht der „dumme“ Kunde. Über diesen Podcast wollen wir vermitteln, dass es gar nicht so komplex ist, intelligent am Markt zu investieren. Das heißt, unsere Hörer können jederzeit nach unseren Prinzipien aktiv werden. Deshalb bereiten wir den Podcast auch sehr intensiv vor. Um es auf den Punkt zu bringen: Unsere Motivation ist die Finanzbildung.

Wir wollen das Wissenslevel des Anlegers anheben, damit er souveräner und klarer mit seinem Finanzdienstleister sprechen kann. Der Podcast dient dazu, das vermeintliche Informationsgefälle zu überwinden. Deswegen ist es auch kein reines Privatvergnügen, sondern Teil unserer Mission. Und hinter dem Podcast steht ja zudem ein echtes Team. Alle Inhalte, die ich zum Besten gebe, müssen recherchiert und verifiziert werden. Das heißt, in jeder einzelnen Folge steckt eine Menge Arbeit, die geschultert werden muss. Vor diesem Hintergrund freut es uns natürlich doppelt, wenn unser Beitrag zur Finanzbildung Deutschlands sukzessive mehr Reichweite bekommt.

Interview: Milan Herrmann

Karl Matthäus Schmidt

ist Gründer und Vorstandsvorsitzender der Quirin Privatbank.


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