Thorsten Hahn: Was bewog Ihre Muttergesellschaft damals, sich auf das Thema „Zahlungen“ einzulassen?
Stefani Poßner: Der Makrotrend Digitalisierung ist natürlich an der Mercedes-Benz-Group nicht vorbeigegangen. Die Umsetzungsstrategie von Mercedes pay beruht dabei auf zwei großen Säulen. Zum einen möchten wir unseren Kunden ermöglichen, das, was sie bisher beim Händler gemacht haben – sich ein Auto auszusuchen, zu bestellen und zu kaufen und zu bezahlen – genauso gut auch online machen zu können. Das ermöglichen wir schon seit einigen Jahren, zum Beispiel in Australien, Indien, Mexiko, in Österreich, UK und weiteren Ländern.
Das klingt zwar nützlich, aber erstmal nicht so spannend.
Das emotionalere Gesicht der Strategie ist das Auto selbst, was mich zur zweiten Säule bringt: Produktinnovationen. Mercedes-Benz-Fahrzeuge sind bekannt für ihr tolles Design, durchdachte Funktionalität und perfekte Technik. Das Kauferlebnis endete früher mit der Übergabe des Fahrzeugs. Mittlerweile entwickeln die Kollegen von „Research and Development“ aber zum Beispiel Softwarepakete, mit denen man das Auto personalisieren kann. Beispielsweise können Sie eine Fahranfänger-Software im Fahrzeug herunterladen und diese auch direkt bezahlen und aktivieren. Wenn Sie das Auto dann an einen jungen Fahrer ausleihen, sind Features, die offensives Fahren begünstigen, nur noch eingeschränkt verfügbar. Sie müssen sich dann zum Beispiel als Eltern weniger Sorgen machen. An dieser Stelle kommt dann auch Mercedes pay ins Spiel. Wir sind als hauseigenes Fintech dann dafür zuständig, die Zahlungsabwicklung zu ermöglichen.
Wollen Sie hin zu einem Smartphone auf Rädern mit ähnlich vielfältigen Funktionalitäten?
Smartphones sind ein guter Vergleich. Wenn wir uns vor 15 Jahren ein Handy gekauft haben, dann wohl hauptsächlich, um zu telefonieren. Heute organisiert es das soziale Leben, Einkäufe, Urlaube und vieles mehr. In diese Richtung werden sich auch Fahrzeuge entwickeln. Das Auto wird das Leben rund um die Mobilität erleichtern. Wir befinden uns zwar noch ganz am Anfang, aber wir sind von unserem Weg überzeugt.
Im vergangenen März wurde Mercedes pay + eingeführt. Was bedeutet das für Ihre Kunden?
Unsere Kunden können schon länger zum Beispiel das Parken und Tanken direkt aus dem Auto heraus bezahlen und andere Services, wie zum Beispiel den Mercedes me Store, nutzen. Hierfür muss man zunächst einen persönlichen Account auf der Plattform „Mercedes me“ anlegen und seine Kreditkarte hinterlegen. Für die bei digitalen Zahlungen erforderliche Zweifaktor-Authentifizierung musste man bei Käufen bisher mit dem Smartphone einen QR-Code abscannen und die Zahlung über seine Bank-App autorisieren.
Wir haben im Frühjahr diese Schritte für die Nutzer ohne Abstriche in der Sicherheit vereinfacht und so aus dem Auto ein Zahlungs-Device gemacht. Für das native In-Car-Payment nutzen wir die Tokenisierung von Kreditkartendaten und verbinden diese Tokens mit dem Fahrzeug. Die Zahlung erfolgt dann nach der biometrischen Zwei-Faktor-Authentifizierung im Auto mit Hilfe eines Fingerabdruck-Sensors. Indem wir die Authentifizierung übers Smartphone auf das Fahrzeug umgelenkt haben, ermöglichen wir den Kunden ein Kauferlebnis ohne Medienbrüche beim Zeitpunkt der Zahlung.
Stellen Sie sich vor, Sie rollen mit dem letzten Tropfen Benzin an die Zapfsäule und haben alles zuhause vergessen – bis auf ihren Daumen. Dann können Sie trotzdem tanken, zahlen und weiterfahren. Das funktioniert bisher bei ausgewählten Ketten, wie Aral und HEM.
Stellen Sie sich vor, Sie rollen mit dem letzten Tropfen Benzin an die Zapfsäule und haben alles zuhause vergessen – bis auf ihren Daumen
Wie funktioniert die Initiierung der Zahlungen?
Das lässt sich ebenfalls gut anhand des Tankbeispiels erläutern. Wenn Sie an eine Tankstelle fahren, die unseren Fuel-and Pay-Service anbietet, lokalisiert Sie unser Geofencing-System. Auf Ihrem Display des Infotainmentsystems MBUX geht ein Fenster auf und signalisiert, dass das Fahrzeug dort selbst bezahlen kann. Sie können dann eine Zapfsäule auswählen und Ihr Auto berechnet Ihnen den maximalen Höchstbetrag, für den Sie tanken können. Den Höchstbetrag bestätigen Sie dann durch biometrische Autorisierung der Kreditkartentransaktion. Abgebucht wird dann natürlich nur der tatsächliche Verbrauch. Der Kassierer im Shop erhält dann ein Signal, dass der Betrag bezahlt ist und Sie können einfach ohne Aussteigen weiterfahren.
Worauf kommt es bei der Ausbreitung von Mercedes pay+ in neue Märkte an?
Wichtig ist, welche kartenausgebenden Banken mitmachen. Wir achten beim Start in neuen Märkten sehr darauf, mit welchen Partnern wir eine gute Marktabdeckung erzielen. Worauf wir Wert legen: Wir laden die Payment-Spezialisten der Finanzinstitute dazu ein, sich die Funktionsweise anzusehen. Ganz unverbindlich. Ich bin überzeugt, dass wir so die Akzeptanz der Issuer gewinnen. Dieses Thema ist so innovativ, dass wir proaktiv kommunizieren, und den Kolleginnen und Kollegen zeigen müssen, wie das Ganze funktioniert und warum es so sinnvoll ist. Und je mehr Services und Verbreitung wir dann haben, desto mehr wird es dann auch von der breiteren Masse der Verbraucher angenommen werden. Wir sind beim nativen In-Car-Payment sehr weit vorne – wir sind die ersten, die diesen Service in Deutschland angeboten haben.
Warum nehmen Sie keine Gebühren?
Als Fintech-Arm des Konzerns sind wir das Gateway in Sachen Digitalisierung, indem wir die unterschiedlichen Zahlungsmethoden ermöglichen. Das Geld verdient Mercedes-Benz mit dem Verkauf von Fahrzeugen und den Dienstleistungen drumherum. Oder natürlich auch mit den Partnern, die ihre Dienstleistungen über unsere Plattform verkaufen.
Als Fintech-Arm des Konzerns sind wir das Gateway in Sachen Digitalisierung
Wie sieht es beim Carsharing aus, wenn unterschiedliche Personen das Fahrzeug nutzen?
Wenn Sie sich im Mercedes-Ökosystem bewegen, dann legen sie ein persönliches Mercedes-Me-Profil an. Immer wenn Sie in ein neues Auto einsteigen, werden Sie gefragt, ob sie das neue Auto zu Ihrem Profil hinzufügen möchten. So können Sie Ihrem Profil mehrere Fahrzeuge zuordnen und Ihre hinterlegten Zahldaten an das jeweilige Auto binden.
Welche Roadmap verfolgt Mercedes pay und welche weiteren Anwendungsfälle planen Sie?
Wir sind jetzt gerade mit Mercedes pay+ für Fuel & Pay live gegangen und wollen nach und nach alle Use Cases, die direkt im Auto bezahlt werden können, umsetzen. Der Fantasie sind dabei keine Grenzen gesetzt. Zunächst geschieht das in Deutschland und dann werden wir sie sukzessive ausbreiten.
Wie sieht es mit der Kompatibilität von anderen Ökosystemen aus, zum Beispiel Apple?
Jeder Hersteller steckt viel Aufwand in den Aufbau seines Ökosystems. So geben auch wir uns Mühe, dass unsere Kunden sich möglichst in unserem Ökosystem bewegen. Da wir sowohl das Fahrzeug als auch die Software und das Payment inhouse anbieten, sind wir überzeugt, den höchsten Kundennutzen zu erzielen.
Interview: Thorsten Hahn
Stefani Poßner
Managing Director und CTO bei der Mercedes pay GmbH.