Ein Wegweiser, um Inklusion strategisch zu verankern

Diversität und Inklusion sind präsenter denn je. Doch der Weg zu mehr Chancengleichheit ist oft steinig und damit alles andere als barrierefrei. Dass es sich lohnt, diese Hürden gemeinsam abzubauen, zeigt ein Beispiel sehr eindrücklich: Der Umgang mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen.


Koh Sze Kiat

Seit jeher gibt es Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen – etwa 9,4 Prozent der Bevölkerung Deutschlands gelten gar als schwerbehindert. Regelungen zur Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen des Sozialgesetzbuches SGB IX tragen diesem Umstand mehr als 20 Jahre lang Rechnung. Dennoch konnte Inklusion am Arbeitsmarkt sich bis heute nicht ganz aus ihrem Schattendasein befreien. Die Wahrscheinlichkeit, eine Behinderung zu erwerben, steigt mit dem Lebensalter. Nicht zuletzt in Anbetracht des demografischen Wandels sollten Arbeitgebende daher ihr Inklusionsmanagement – die Integration von Menschen mit Behinderung im Betrieb – strukturell verankern. In den letzten Jahren machen sich daher immer mehr Organisationen auf den Weg, Barrierefreiheit und Teilhabe zu verbessern. Damit dies langfristig gelingt, sollten folgende Aspekte berücksichtigt werden:

1. Ziele benennen:

Was soll mit den Inklusionsmaßnahmen erreicht werden? Möchte man gesetzlichen Verpflichtungen nachkommen? Einen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen? Einen neuen Talent-Pool erschließen, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken? Oder einfach weniger Ausgleichsabgabe zahlen, da Pflichtarbeitsplätze nach dem Sozialgesetzbuch nicht besetzt wurden? Für BNP Paribas steht die Anwerbung gut ausgebildeter und motivierter Menschen im Vordergrund. Deswegen hat die Steigerung der Sichtbarkeit als inklusive Arbeitgeberin hohe Priorität. Die Teilnahme an einem inklusiven Karriere-Programm und die Veröffentlichung aller offenen Positionen auf einer inklusiven Stellenplattform sind hier strategisch fest verankert. Bestandteil der Personalstrategie ist es, ein inklusives Arbeitsumfeld zu fördern, das Zugehörigkeit ermöglicht.

2. Kompetenz aufbauen:

Unverzichtbar ist der Aufbau von Wissen und die klare Benennung von Zuständigkeiten. Inklusions-beziehungsweise Integrationsämter, aber auch private Trägerunternehmen helfen Organisationen, einen Überblick über Gesetze und Regelungen zu bekommen. Die gesetzlich geregelte Rolle der Inklusionsbeauftragten sowie gewählte Vertrauenspersonen sollen diesen Prozess unterstützen. Bei BNP Paribas wird die Rolle der Inklusionsbeauftragten auf Gruppenebene besetzt, sodass Kompetenz und Erfahrung gebündelt werden können, um einen Gesamtüberblick über Abhängigkeiten zu ermöglichen. Die Zusammenarbeit mit den Vertrauenspersonen (Schwerbehindertenvertretung) ist eng und vertrauensvoll. Nur so kann ein Grundverständnis über verschiedene Behinderungsformen entstehen, das für die Bewältigung möglicher Herausforderungen unerlässlich ist.

3. Starke Partnerschaften suchen:

Ein altes Sprichwort besagt: „Wenn du schnell gehen willst, dann gehe alleine. Wenn du weit gehen willst, dann musst du mit anderen zusammen gehen.“ BNP Paribas hat sich für letzteres entschieden und ist daher Mitglied im UnternehmensForum sowie der Charta der Vielfalt. Außerdem wird mit einem erfahrenen Partner bei der Personalgewinnung zusammengearbeitet. Der Beitritt zu Netzwerken, die einen offenen Erfahrungsaustausch pflegen, lohnt sich. So kann man von und mit anderen lernen, sich gegenseitig inspirieren oder Maßnahmen gemeinsam umsetzen. Weiterhin gibt es Dienstleistungsunternehmen, die beraten, beim Recruiting unterstützen oder Trainings und Workshops durchführen.

4. Barrierefreiheit verbessern:

Das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz hält die Bankenwelt derzeit in Atem. Der Zugriff auf Produkte und Dienstleistungen soll für alle selbstständig und ohne Hürden möglich sein. Auch mit Blick auf die Belegschaft sollte Barrierefreiheit und die Förderung von Autonomie priorisiert werden. Dazu gehört die Gestaltung von Gebäuden und Zugangswegen – die Einrichtung einer barrierefreien Toilette ist da nur der Anfang. Bei Software sollte auf digitale Barrierefreiheit geachtet werden. BNP Paribas setzt bei der Entwicklung neuer Anwendungen von Beginn an auf die Berücksichtigung von Barrierefreiheit. Zudem hat ein enger Austausch mit den Beschäftigten Priorität, um physische oder digitale Barrieren an Arbeitsplätzen zu identifizieren und zu beseitigen. Nicht zuletzt ist die Unternehmenskommunikation zu überprüfen. Eine Vielzahl an Normen, Literatur und Praxisseminaren helfen, sich einen Überblick zu verschaffen. Zum Ausgleich individueller Beeinträchtigungen und zu technischen Hilfen beraten die Rehabilitationsträger.

5. Prozesse und Arbeitsbedingungen hinterfragen:

Können papiergebundene Abläufe digitalisiert werden, sodass auch Menschen mit einer Sehbehinderung diese mit Hilfe eines Screenreaders oder ähnlichem erledigen können? Sind bei der Betriebsversammlung Gebärdendolmetscher für gehörlose Beschäftigte mit dabei? Gibt es Tätigkeiten, die sich besonders für Menschen mit Behinderung eignen? Gute Beispiele gibt es etwa im IT-Bereich, die Menschen im autistischen Spektrum einbinden. Man sollte sich jedoch davor hüten, in Stereotype und Schubladendenken zu verfallen. Beeinträchtigungen und ihre Auswirkungen sind vielfältig und hochgradig individuell.

Auch an grundsätzliche Arbeitsbedingungen und Benefits sollte gedacht werden: Erlauben Regelungen der Arbeitszeit und des Arbeitsorts kurze Pausen? Gibt es Rückzugsmöglichkeiten und Plätze für ungestörte Stillarbeit? Können Unterstützungsleistungen zugänglich gemacht werden? BNP Paribas achtet im offenen Bürokonzept darauf, genügend Meeting-Räume und abgetrennte Bereiche zur Verfügung zu stellen. Außerdem gibt es ein umfangreiches Employee Assistance Program, welches unter anderem eine Facharztsuche, medizinische Zweitmeinung, einen Onko-Lotsendienst und individuelle Beratung zu einem breiten Themenspektrum ermöglicht. Zusätzlich gibt es ein umfassendes betriebliches Gesundheitsmanagement.

6. Eine inklusive Kultur fördern:

Wenn Inklusion erstmals im Betrieb offen diskutiert wird, gilt es Fragen zu beantworten und Vorurteile abzubauen. BNP Paribas führt deshalb regelmäßig kurze, digitale Informationsveranstaltungen durch. Hier werden beispielsweise Basiswissen zum Thema Inklusion vermittelt, Erschöpfung am Arbeitsplatz bei chronischer Erkrankung thematisiert und Autismus besprochen. Außerdem haben Kolleginnen und Kollegen mit Behinderung hier die Gelegenheit, ihrer (Arbeits-)Umwelt Erfahrungen und Wünsche mitzuteilen. Es empfiehlt sich, einen Dialog zu suchen und Situationen aus dem Berufsalltag aufzugreifen. Aus diesem Grund ist das Führungskräfteseminar „Gesunde Führung“ mit Praxisbeispielen ausgestattet. Maßgeschneiderte Formate für Teams sind möglich. Pragmatische Handreichungen unterstützen, zum Beispiel zu inklusiver oder leichter Sprache, der Planung von barrierefreien (Team-)Events oder der Durchführung von Gesprächen zum Wohlbefinden. Achtung: die Privatsphäre ist unbedingt zu respektieren!

7. Erfolge überprüfen:

Sind die ersten Schritte getan, sollte man prüfen, ob die Maßnahmen erfolgreich waren. Was war gut? Wo kann man noch besser werden? Wurden die gesteckten Ziele erreicht? Ist eine Re-Priorisierung von Maßnahmen notwendig? BNP Paribas lebt eine kritische Selbstreflexion. So wird etwa nach einem inklusiven Großevent besprochen, ob alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen trotz unterschiedlicher Behinderungsformen voll teilhaben konnten, ob im Gebäude oder bei der Technik noch Schwächen bei der Barrierefreiheit vorliegen etc.

Auch beim Recruiting wird überprüft, wie die Talente BNP Paribas wahrgenommen haben, ob Vorstellungsgespräche, Jobshadowings oder Direkteinstellungen zustande kamen und wie sich die „Klicks“ auf der inklusiven Jobbörse entwickeln. Trotz kritischen Blicks sollte nicht vergessen werden, das zu feiern, was bereits erreicht wurde. Denn mit einem Erfolg im Rücken, geht man neue Herausforderungen noch energetischer an. Inklusion birgt die besondere Herausforderung, dass es eine enorme Vielfalt an Beeinträchtigungen gibt – und noch mehr mögliche Hilfen und Lösungsansätze. Es braucht daher etwas Mut, sich diesen Themen zu stellen. Doch wenn Inklusion gelingt, gewinnen alle Beteiligten. Menschen mit Behinderung erhalten neue Lebensperspektiven, Organisationen bekommen motivierte Beschäftigte und Teams sowie Führungskräfte erweitern ihren Horizont. Inklusion bestätigt: Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg.

Isabell Galvagni

BNP Paribas

Isabell Galvagni ist Senior Specialist People Care bei der BNP Paribas

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