„Die Verbraucher haben einen erhöhten Bedarf an fachkundigem Support.“

Die mangelnde Finanzbildung in Deutschland ist ein altbekanntes Problem. Wie kann es Banken gelingen, wieder zur Hauptwissensquelle für Kunden zu werden? Jan-Philipp Koch von Zühlke im Interview über die Möglichkeiten, Finanzwissen aufzubauen und die Kundenbeziehung zu stärken.


Online-Interview_Zühlke_Financial Literacy
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BANKINGNEWS: Die Finanzbildung vieler Menschen hierzulande ist lückenhaft. Salopp gesagt: Sind ahnungslose Kunden am Ende für Banken die besseren?  

Jan-Philipp Koch: Nein, das wäre eine sehr kurzfristige Betrachtungsweise. Zudem bedarf es heute im Allgemeinen einer höheren Kompetenz beim Thema Finanzen, da in den letzten Jahren zum generellen Misstrauen gegenüber dem Finanzsystem noch eine wesentlich höhere Komplexität in der Produktvielfalt gekommen ist. Die Verbraucher haben dadurch einen erhöhten Bedarf an fachkundigem Support. Aber Banken können diesen Bedarf schon aufgrund des demografischen Wandels und der Not an Beratungspersonal nicht alleine decken. Nichtsdestotrotz würde ich es eher als Chance für Banken betrachten, um durch die Vermittlung von Kompetenz wieder zu der Wissensquelle Nummer Eins zu werden. Kunden mit einem guten Grundverständnis bringen eine viel höhere Aktivität mit den Bankprodukten und reduzieren den Verwaltungsaufwand. 

Welche Folgen hat der Mangel an Finanzwissen seitens der Verbraucher für Banken?  

Grundsätzlich ist der Kontakt zu dieser Kundengruppe schwerer herzustellen, da sie nicht die Notwendigkeit sieht, mit der Bank zu interagieren. Wenn der Kontakt hergestellt ist, müssen Berater viel Zeit in die Erklärung von Bankprodukten investieren. Sobald es auf die Entscheidungsfindung zugeht, führen Orientierungslosigkeit und die Überforderung mit der Komplexität zu weiteren Verschiebungen. Das resultiert in extrem hohen Akquise- und Betreuungskosten.  

Wie können Banken Kunden dabei unterstützen, ihr Finanzmanagement zu verbessern? 

Wie wir in unserer “Financial Literacy”-Studie erkannt haben, gibt es sehr unterschiedliche Bedürfnisse in verschiedenen Kundengruppen – je nach Sparpotenzial: Geringverdiener haben etwa das Bedürfnis, Unterstützung bei der Organisation ihres Haushaltsbudgets zu bekommen und auch einen Überblick zu verfügbaren Konsumkrediten zu erhalten, sodass das Risiko einer Überschuldung minimiert wird. Bei Personen mit größerem Sparpotenzial geht es darum, wie die Kaufkraft erhalten oder gesteigert werden kann. Insgesamt müssen Banken zielgruppenspezifische Angebote und Services entwickeln.  

Welche Rolle können digitale Services dabei spielen?  

Sie spielen eine entscheidende Rolle. Unsere Studie hat etwa gezeigt, dass 62 Prozent der Bankkunden einen Anbieterwechsel aufgrund digitaler Angebote im Bereich Financial Literacy in Betracht ziehen würden. Es gibt also wieder Differenzierungsfaktoren im deutschen Privatkundensegment. In den letzten Jahren setzten Banken verstärkt auf die Industrialisierung und Standardisierung von Bankprozessen, um den Kundenwert zu maximieren. Vielfach konnten Kunden nur mit kurzfristigen Marketingaktionen wie einem Zinsangebot für drei bis sechs Monate oder einem kostenlosen Girokonto gewonnen werden. Kehrseite ist, dass das Kundenverhalten immer illoyaler wurde. Unser Mobile-Projekt bei der HSBC hat hingegen gezeigt, dass sich sehr wohl eine breite Zielgruppe mittels digitaler Angebote aktivieren lässt: 65 Prozent von fast 400.000 Kunden haben nach der Lancierung eines individualisierten Services erstmals in einen Fonds investiert – und weitere 55 Prozent haben erstmals einen monatlichen Sparplan abgeschlossen. Digitale Services mit echtem Mehrwert wirken im Gegensatz zu kurzfristigen Marketingaktivitäten langfristig und befähigen die Kundschaft, bewusste Investment-Entscheidungen zu treffen.  

Für jeden Bankkunden bedarf es individuelle Lösungen. Kann man darauf mit Services von der Stange reagieren? 

Grundsätzlich gilt, dass die Zeit der reinen Prozessdigitalisierung – wie etwa Self-Service-Angebote – langsam aber sicher Standard ist und kein Differenzierungspotenzial mehr bietet. Heute müssen sich Banken und Finanzdienstleister vielmehr die Frage stellen, wie sie für ihre Kunden ein zielgruppenspezifisches digitales Erlebnis schaffen können. Durch die Verbindung von Customer Experience, Datentechnologie und künstlicher Intelligenz kann ein ganz neues Level von Personalisierung und Individualisierung erreicht werden. Die Banken sind nun am Zug, hier digitale Kundenerlebnisse als Mehrwert zu schaffen, um die Kundenloyalität zu erhöhen. 

Jan-Philipp Koch

Zühlke

Principal Business Development Manager

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