BANKINGNEWS: Herr Börschel, welche Veränderungen haben Sie in den letzten Jahren im Fördergeschäft beobachtet?
Martin Börschel: Stetiger Wandel beschreibt die Entwicklung wohl am besten. Stand vor 20 Jahren noch primär der zinsgünstige Förderkredit im Mittelpunkt des Geschehens, hat sich unser Instrumentenkasten immer weiterentwickelt, um die Vorhaben der Menschen, Kommunen und Unternehmen in NRW zu unterstützen. Dazu gehören die Vergabe von Eigenkapital, die Risikoteilung mit den Hausbanken mittels Haftungsfreistellungen, der Ausbau des Konsortialgeschäfts oder auch Beratungsangebote, die zunehmend ein wichtiger Aspekt der Förderung geworden sind: Wir beraten zum Beispiel Kommunen und Unternehmen bei der nachhaltigen und digitalen Transformation, oder Forscher- und Entwicklerteams, die aus der Hochschule heraus gründen möchten. Unsere Aufgabe ist, das Land in seiner Wirtschafts- und Strukturpolitik zu unterstützen. Gleichzeitig sind wir Partner des Landes bei der Bewältigung prägender Ereignisse und hierbei immer häufiger als spontane Helferin bei der Zuschussvergabe gefragt.
Stichwort Zuschüsse. Ist dieser Geschäftsteil völlig neu bei der NRW.BANK?
Das Zuschussgeschäft war mit langfristigen Programmen wie dem „Regionalen Wirtschaftsförderungsprogramm“ (RWP) oder der „Ressourcenorientierten Abwasserbeseitigung“ (ResA) schon immer Teil des Förderauftrags der NRW.BANK. Allerdings hat sich bei den letzten Krisensituationen gezeigt, dass wir als Dienstleisterin im Zuschussgeschäft einen Mehrwert für das Land – und damit für die Menschen und Unternehmen in NRW – erbringen können. Bisher haben wir das mit den vorhandenen Ressourcen gestemmt. Um in Zukunft noch schneller auf unvorhersehbare Krisen reagieren zu können, haben wir die Zuschussförderung im Sommer dieses Jahres ausgebaut. Unsere Förderung basiert damit auf drei zentralen Säulen: Finanzierungsangebote, Beratungsleistungen und Dienstleistungsfunktionen in der Zuschussförderung des Landes.
Welche Förderprogramme werden besonders nachgefragt?
Das Volumen der Spezialprogramme, wie zum Beispiel beim Effizienz- oder Digitalisierungs- und Innovationskredit, hat sich in den vergangenen Jahren vervielfacht. Hier zeigt sich ein klarer Bezug zu den aktuellen Herausforderungen. Mit diesen Angeboten unterstützt die NRW.BANK Fördernehmer bei der Bewältigung der ökologischen und digitalen Transformation. Die Eckpfeiler unseres Portfolios sind Breitenprogramme, die eng mit dem gesetzlichen Auftrag der Bank verknüpft sind. Hier geht es um das Schaffen von Wohnraum, Kapital für Mittelstand und kleine Unternehmen, die Finanzierung kommunaler Haushalte sowie den Ausbau der Infrastruktur.
Wirtschaft und Gesellschaft müssen sich den Folgen von Inflation und Energiekrise stellen. Welche Rolle können Förderbanken hier einnehmen?
Die Energiekrise sowie die damit einhergehende Spirale aus Inflation und steigenden Zinsen hat zu einer hohen Verunsicherung und damit einer deutlichen Verschlechterung des Investitionsklimas geführt. Gerade in solchen Zeiten fällt Förderbanken eine stabilisierende Rolle zu. Durch ihre öffentlichen Garantien sind Förderbanken im besonderen Maße in der Lage, auch in einem unsicheren Marktumfeld die Kapitalversorgung sicherzustellen.
Wenn wir beim Thema Wandel bleiben, ist die nachhaltige Transformation eine der größten Herausforderungen der Zeit. Wie stellt sich die NRW.BANK hier auf?
Unser Ziel ist es, das Land dabei zu unterstützen, NRW zur ersten klimaneutralen Industrieregion Europas zu machen. Die besondere Stellung von Förderbanken ermöglicht es, über initiale Angebote Wirtschaftlichkeitslücken zu schließen und die finanziellen Risiken von transformativen Vorhaben zu senken. Gerade vernetzte Angebote, in denen Kreditinstrumente mit öffentlichen Zuschüssen kombiniert werden, eröffnen interessante Handlungsspielräume, um Förderimpulse für die Transformation zu setzen. Auf diese Weise kommt Förderbanken ganz natürlich eine Katalysatorrolle für Transformation zu.
Wie sieht das in der Förderprogrammgestaltung aus?
Bei der Weiterentwicklung des Portfolios werden alle Etappen des ökologischen Transformationspfades berücksichtigt. Es sollen sowohl diejenigen von einer Förderung profitieren, die bereits jetzt Nachhaltigkeitsaspekte vollumfänglich berücksichtigen, als auch solche, die sich noch am Anfang befinden. Die Transformation kann nur gelingen, wenn ein möglichst breites Spektrum gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Akteure Teil davon ist. First Mover und Innovatoren haben wir natürlich besonders im Blick, zum Beispiel durch Eigenkapitalinstrumente. Aber wir passen auch bestehende Kredite an, zum Beispiel den NRW.BANK. Effizienzkredit, bei dem jetzt auch der Einsatz von grünem Wasserstoff förderfähig ist. Darüber hinaus erweitern wir sukzessive die Steuerung unseres Investmentportfolios nach nachhaltigen Aspekten und werden auch in diesem Jahr wieder “Green and Social Bonds“ emittieren. Das Gelingen der Transformation bleibt aber selbstverständlich eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, bei der öffentliche Förderimpulse, privatwirtschaftliche Engagements sowie das Design des regulatorischen Rahmens sinnvoll und zielgerichtet ineinandergreifen müssen.
Spielt die Digitalisierung weiterhin eine wichtige Rolle für das Gelingen der Transformation?
Auf jeden Fall. Die Digitalisierung kann Teil der Lösung für die nachhaltige Transformation sein. Und gleichzeitig spielt die Digitalisierung in den bankinternen Prozessen und Schnittstellen mit externen Marktakteuren eine besondere Rolle. Sie ermöglicht neue Vertriebswege, mit denen wir mehr Unternehmen in NRW den Zugang zu Förderungen ermöglichen. Ein Beispiel dafür ist eine Kooperation, die wir gerade mit der Deutschen Firmenkredit Partner geschlossen haben. Hier sind ab sofort unsere Programme auf der digitalen Finanzierungsplattform zu finden und werden in die Beratung integriert und im Finanzierungsmix berücksichtigt. Für die NRW.BANK ist dies nicht die erste Kooperation mit einem namhaften Fintech, sondern Teil der Digitalisierungsstrategie der NRW.BANK.
Wo sehen Sie das Fördergeschäft in fünf Jahren?
Das könnte ich natürlich in fünf Jahren genauer beantworten, denn die Veränderungsdynamik ist aktuell außerordentlich groß – nicht zuletzt durch Änderungen des regulatorischen Rahmens. Meine Prognose: Das Fördergeschäft wird verglichen zu heute deutlich stärker wirkungsorientiert und damit auch datengetrieben sein. Alle Facetten der Nachhaltigkeit werden somit wichtiger, ebenso wie vernetzte Förderung. Schließlich wird sich dann vermutlich auch KI ihren festen Platz erobert haben.
Martin Börschel
ist Leiter der Fördergeschäftsentwicklung bei der NRW.BANK.
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