Frauen in die Führungsriegen: Ein Leitfaden für das Bankenwesen

Während sich der Anteil von männlichen und weiblichen Auszubildenden und Trainees nahezu ausgleicht, fehlen Frauen in den Führungsetagen der Finanzbranche. Vera Claas zeigt, wie Banken ihre Mitarbeiterinnen mit speziellen Maßnahmen und Programmen bis in die Führungsspitzen fördern können.


Vittorio Gravino

Fachkräftemangel ist Realität in Deutschland. „Gutes Personal ist schwer zu finden“ –das gilt für Restaurants und Supermärkte genauso wie im Banking. Noch in den 1990ern gingen dutzende Bewerbungen auf eine Stelle ein – und das Bankwesen galt als sichere berufliche Perspektive für Absolventen und Quereinsteiger. Heute müssen sich Banken in Großstädten, aber auch Regionalinstitute im ländlichen Raum, intensiv selbst um Talente bemühen. Eine Position neu zu besetzen, ganz besonders, wenn es eher um eine Senior-Stelle geht, gleicht manchmal der sprichwörtlichen Suche nach der Nadel im Heuhaufen.

Umso wichtiger ist es, dass Banken und Sparkassen es schaffen, ehrgeizige, ambitionierte und gut ausgebildete Mitarbeiterinnen langfristig zu binden. Fluktuation ist nicht nur anstrengend und teuer, auch kann sie sich schnell zu einem signifikanten operationellen Risiko entwickeln. Besonders auffällig in diesem Zusammenhang: Der Frauenanteil in der Finanzbranche liegt bei 48 Prozent. Knapp über die Hälfte der Auszubildenden in Banken sind weiblich. Auch bei Traineeprogrammen und Neueinstellungen halten sich der Männer- und Frauenanteil ungefähr die Waage. In den Führungsetagen ist der Frauenanteil hingegen nach wie vor erschreckend niedrig, genauso wie bei den hochbezahlten Senior-Stellen mit viel Erfahrung. Woran liegt das? Und was kann man tun, um Frauen in Unternehmen bis in die Führungsetagen hinein zu halten?

Teilzeit neu und kreativ denken

Familiengründung ist und bleibt der zentrale Faktor dafür, dass Frauen Unternehmen und Karrierepfade verlassen. Manch eine (werdende) Mutter will sich vollständig auf die Mutterrolle fokussieren und im Job bewusst ein gutes Stück zurücktreten. Viele Mütter würden liebend gerne weiter im Job Verantwortung übernehmen und Leistung bringen. Für diese Frauen braucht das Bankgewerbe kreative Modelle, Beispiele aus anderen Branchen gibt es zur Genüge. So zahlen einige Arbeitgeber Prämien, wenn beide Elternteile gleichberechtigt vollzeitnah mit 70 bis 80 Prozent-Stellen arbeiten.

Auch Betriebskindergärten können ein Angebot sein, mit dem Eltern ihren Rollen privat und beruflich besser gerecht werden können. Eine weitere Methode ist „Familien Coaching“ durch den Arbeitgeber. Für die wenigsten Paare ist das klassische Versorger- Modell aus „Er arbeitet 100 Prozent, sie nur noch 50 Prozent, und sie kümmert sich um den Nachwuchs“ das finanziell und auch emotional beste Modell. Auch die Einbindung von Au-Pairs und privater Kinderbetreuung können Lösungen sein, die Paare in solchen Coachings erarbeiten. Ein Arbeitgeber, der sich hier engagiert, um kreative Lösungen zu entwickeln, vergeudet keine Ressourcen, sondern investiert langfristig in seinen Personalstamm. Auch der kulturelle Umgang mit Müttern in Teilzeit spielt eine wichtige Rolle. Schon mit kleinen Maßnahmen lässt sich ein großer Teil des Drucks nehmen.

Ein Beispiel ist die Anpassung einer automatischen Signatur für den internen E-Mail-Verkehr mit dem Hinweis: „Meine Arbeitszeiten müssen nicht zwingend auch Ihre Arbeitszeiten sein. Fühlen Sie sich also nicht verpflichtet, außerhalb Ihrer gewöhnlichen Arbeitszeiten auf diese E-Mail zu antworten.“ Mit einer solchen klaren Kommunikation gibt man Team-Mitgliedern (vor allem denen in Teilzeit) wertvolle Flexibilität, vermittelt ein Gefühl von „nicht jeder arbeitet immer – und das ist auch ok und von oben toleriert“ und nimmt ihnen unnötigen Druck von den Schultern.

Eine weitere Methode ist, Frauen mit verantwortungsvollen Positionen Teilzeitmodelle anzubieten – und zwar Modelle, die die Übernahme von Verantwortung weiterhin fördern und fordern. Ein solch mutiges und durch das Management explizit gewolltes und begleitetes Pilotprojekt mit zunächst wenigen Frauen und engagierten Personalern kann zu einer echten Veränderung führen.

Männerdomänen aufbrechen

Zudem ist es noch Fakt, dass Frauen in Banken die Karriereleiter nicht so hochsteigen wie ihre männlichen Kollegen. Was wie ein Stereotyp klingt, bewahrheitet sich jedoch häufig im Berufsleben: So gelten Frauen nach wie vor als zurückhaltender, weniger machtgetrieben und sich seltener in den Vordergrund drängelnd. Ist das ein Beleg dafür, dass sie auch die schlechteren Führungskräfte sind? Ganz im Gegenteil: Führungsteams mit höherem Frauenanteil sind erfolgreicher.

Dazu hat etwa McKinsey eine Studie mit 1.049 Unternehmen durchgeführt. Die Berater kommen zu dem Ergebnis, dass Unternehmen mit höherem Frauenanteil in Führungspositionen gemessen am „Earnings before interest and taxes“ (EBIT) um bis zu 48 Prozent erfolgreicher sind als Unternehmen mit einem niedrigen Frauenanteil in den Führungsetagen. Wie können Finanzinstitute es also schaffen, mehr Führungspositionen mit Frauen zu besetzen?

In vielen Häusern gibt es Potenzialförderprogramme, Frauen-Netzwerke, informelle Weiterbildungszirkel oder ähnliche Veranstaltungen, im Rahmen derer man die jungen Talente kennenlernen kann. Wer bei solchen Gelegenheiten Menschen mit Potenzial erkennt, macht einen Folgetermin. Da kann man dann schauen, wie man daraus eine werthaltige Beziehung entwickeln kann, die langfristig für beide Seiten neue Perspektiven bereithält. Auch formelle Frauen-Förderprogramme können hilfreich sein. Durch Programme wie „women@Deutsche Börse“ oder das „Female Leadership Program“ von McKinsey können Unternehmen ihren Wunsch nach ambitionierten Frauen im Führungsteam formulieren und transparent machen.

Für Frauen wird es durch diese Programme leichter, ihre Karrierepfade mutig aufzuzeichnen, konsequent zu verfolgen und Hindernisse auf diesem Pfad aus dem Weg zu räumen. Ein weiteres wichtiges und messbares Ziel für Unternehmen ist die Diversität. Das Erreichen dieses Ziels sollte bestenfalls bonusrelevant für die Entscheider sein. Ein zentraler Aspekt hierbei ist: Diese Maßnahmen entfalten ihre volle Wirkung nur, wenn sie vom Vorstand und seinen Führungskräften konsequent vorgelebt und eingefordert werden. Es braucht einen Vorstand, der die Förderung von Frauen als Priorität anerkennt. Man wird es sich nicht leisten können, die nächsten Jahre und Jahrzehnte Frauen mit Potenzial an die Mitbewerber, Familienarbeit oder andere Branchen zu verlieren.

Vera Claas

Tipp: Sie möchten gerne weitere Fachartikel aus der aktuellen BANKINGNEWS 297 lesen? Dann lesen Sie hier den aktuellen Leitartikel zum Thema DORA und warum sich die Banken mit den kommenden Regelungen zur Verbesserung der Informationssicherheit arrangiert haben.