Frau Vitt-Krauß, wie sieht der typische Bethmann-Kunde aus?
Alexandra Vitt-Krauß: Zu unserer Hauptzielgruppe gehören vermögende Kunden mit komplexen Finanz- und Investitionsanforderungen, die unternehmerisch tätig sind. Aber es gibt auch wahnsinnig viele weitere Kundenkreise, die wir bedienen, und das in allen deutschen Regionen. Insofern gibt es den einen typischen Kunden für uns nicht. Was wir gesichert wissen: Im Mittel haben wir rund 56 Prozent männliche und 44 Prozent weibliche Kunden. Und wie auch bei vielen anderen Privatbanken unseres Zuschnitts liegt das Durchschnittsalter bei über 60 Jahren. Auch wenn wir uns bemühen, jünger zu werden.
Was unterscheidet Bethmann von den Mitbewerbern?
Wir unterscheiden uns nicht durch ein einziges Kriterium, sondern durch eine Kombination aus drei verschiedenen Merkmalen. Wir haben als einzige Bank bereits vor zwölf Jahren im Wealth Management damit begonnen, Nachhaltigkeitsstrategien zu entwickeln – nicht weil wir damals besonders erfinderisch waren, sondern weil wir viele institutionelle Kunden, wie Stiftungen, kirchliche Einrichtungen etc. haben. Und diese legten schon damals Wert darauf, gerade nicht in Rüstung, Ölkonzerne oder Atomenergie zu investieren, sondern andere Wege zu beschreiten. Dieser jahrelange Vorsprung gegenüber anderen Instituten, von denen viele erst jetzt auf regulatorische Vorgaben reagieren müssen, ist das eine Unterscheidungsmerkmal.
Das Zweite: Es gibt in diesem mittleren Bereich der Privatbanken kaum eine mit einem so breiten Leistungsangebot, von Private Equity über Nachfolgeplanung, Analyse von komplexen Vermögen bis hin zur Stiftungsberatung. Zu guter Letzt sind wir mit 14 regionalen Niederlassungen in fast jedem Bundesland vertreten. Und wir suchen noch weitere Regionen, die für uns interessant sein könnten.
Sie sind seit knapp vier Jahren bei der Bethmann Bank als Head of Marketing & Communication verantwortlich. Welche Anforderungen kennzeichnen seitdem Ihr Aufgabenprofil?
Ich bin 2019 angetreten, um diese wunderbare alte traditionsreiche Marke inhaltlich und strategisch zukunftsfähig zu machen. Die Marke war damals nicht so ausgerichtet, dass sie alles das, was die Bethmann Bank kann, auch abgebildet hat. Die zweite Aufgabe lag darin, die Kommunikationskanäle intern wie extern zu modernisieren und eine große digitale Lücke zu schließen. Unsere Mutterbank ABN AMRO gilt als eine sehr digitale Bank und gerade dieser Aspekt war im Marketing bei uns kaum ausgeprägt. Es gab zwei vernachlässigte Social-Media-Kanäle mit Xing und LinkedIn, eine veraltete Webseite, und das war es schon. Drittens war schon damals klar, dass die Corporate-Banking-Einheiten der ABN AMRO Deutschland Unterstützung bei Marketing und Kommunikation brauchen würden. Dieses Thema schieben wir seit 2022 verstärkt an.
Welche Rolle spielt die Corona-Krise dabei?
Die Coronakrise hat unser Arbeiten im Nachhinein auf ein neues Level gehoben und der Bethmann Bank einen digitalen Instrumentenkasten beschert, den wir vorher so nicht hatten. Ab dem Tag, an dem alle nach Hause mussten, hatte auch alles direkt online zu laufen. Es gab keine Schonfrist. Dabei war unsere Ausgangssituation vergleichsweise gut. Bereits vor Corona hatten wir die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, um mindestens einen Tag zuhause arbeiten zu können. Aber haben alle Mitarbeiter dazu auch die Fähigkeit gehabt? Natürlich nicht!
Was bedeutete das für die interne und externe Kommunikation?
Die Wege, um mit Kunden und Mitarbeitern zu kommunizieren, waren nicht auf „online pur“ eingestellt. Das war für viele ein Schock. Für mich hatte es zumindest eine Sache extrem vereinfacht: Ich musste mit niemandem hier im Haus darüber diskutieren, die interne Kommunikation völlig auf digitale Füße zu stellen. Schnell habe wir eine neue Telefonplattform geschaltet, um Mitarbeiter mit so genannten „All Staff Calls“ zu erreichen. Auch haben wir ein TV-Studio eingerichtet, um Veranstaltungen sowohl mit Kunden als auch Mitarbeitern zu streamen. Das war vorher alles undenkbar. Innerhalb der ersten drei bis vier Monate haben wir ein Konzept für digitale Events erstellt, um den Kontakt zu den Kunden zu halten. Bilateral funktionierte das schon gut, weil wir bereits Videobanking eingeführt hatten, was bis dato eine kaum beachtete Spielwiese war. Mit Corona gingen die Nutzerzahlen dann steil nach oben.
Was geschah darüber hinaus?
Wir haben die Chance genutzt, das eingesparte Geld, das wir jetzt nicht mehr vor Ort für physische Events ausgeben konnten, in den Ausbau virtueller Formate zu stecken. Wir haben eine Social-Media-Strategie entworfen und diese innerhalb weniger Monate umgesetzt. Auf X bleiben wir aus Hygiene-Gründen, unser LinkedIn-Profil ist von 300 auf über 6000 Follower gewachsen, wir sind extrem erfolgreich auf Instagramm und YouTube und auch Facebook haben wir neu aufgesetzt. Wir unterscheiden sehr klar, auf welchem Kanal wir mit welchen Themen an bestimmte Zielpersonen herantreten. So haben wir es geschafft, dass wir mittlerweile im oberen Drittel der Banken im Social-Media-Bereich gelistet werden. Wir haben die Webseite auf neue Füße gestellt, angefangen vor drei Jahren die ersten digitalen Werbekampagnen zu starten und SEO eingeführt.
Machen sich diese Umstellungen auch auf der Ertragsseite bemerkbar?
Ganz klar ja. Wir haben ein E-Commerce-Konzept aufgebaut und wollten ganz bewusst aus dem Bereich Kommunikation und Marketing heraus selbst Leads generieren, nach Zielkunden suchen und relevante Adressen einholen. Denn während der Pandemie ging auf klassischem Wege nichts mehr. Wir fahren in diesem Bereich also wie ein klassisches regionales Performance-Team, nur dass die Anlasskanäle, mit denen wir auf uns aufmerksam machen, digital sind. Wir holen inzwischen sieben bis neun Prozent der Kunden über diesen Weg rein – Tendenz steigend.
Nun liegt die Pandemie hinter uns. Setzt die Bethmann Bank diesen Weg jetzt fort?
Seit gut einem Jahr durchlaufen wir einen Prozess der Rekalibrierung und schauen, wo es sich lohnt, physisch präsent zu sein und wo besser auf virtuelle Formate gesetzt werden sollte. Derzeit zeichnet sich ab, dass wir uns als Bank einen großen Gefallen tun, hybrid zu fahren. Eines unserer großen Flaggschiffe war „Bethmann trifft“ mit Bettina Böttinger. Dieses TV-Format wurde bislang zweimal durchgeführt. Der Aufwand dafür war immens, denn es wurde hybrid ausgestrahlt. Aber es hat sich nachweislich gelohnt. Wir hatten eingeladene Kunden vor Ort im Studio, 500-600 Zuschauer schauten live dem Stream zu und insgesamt konnten wir mit 80.000 Klicks bis heute auf unserem YouTube-Kanal für so eine relativ kleine Bank eine enorme Reichweite erzielen. Wir hatten dazu interessante Protagonisten, wie den Bestseller-Autoren Frank Schätzing oder die Astrophysikerin Suzanna Randall eingeladen, die wir dann auch für unsere online-magazin interviewt haben, um eine 360-Grad-Perspektive zu erhalten.
Corona war also ganz gewiss nicht toll, aber wir haben es trotzdem – oder gerade deswegen – hinbekommen, in den letzten vier Jahren unsere Bank deutlich zu modernisieren. Den Abstand, den die Bethmann Bank zu einer digital aufgestellten Bank im Marketing und Kommunikationsbereich hatte, den haben wir inzwischen nahezu geschlossen. Das hätte ich mit ziemlicher Sicherheit nicht in diesem Tempo geschafft, wenn andere Rahmenbedingungen geherrscht hätten.
Ein sehr analoger Vertriebsweg ist die Filiale. Warum schaffen es Neobanken ohne auszukommen?
Ich bin der festen Überzeugung, wenn die Neobanken ein bestimmtes Profil mitbringen, einen bestimmten Kundentypen und ein bestimmtes Angebot haben, dann kommen sie ohne Filialen aus. Das, was wir hingegen machen, funktioniert nicht ohne Vor-Ort-Präsenz. Wir benötigen zwar keine großen Hallen mehr, da wir kein Kassengeschäft machen, aber die Möglichkeit mit Kunden direkt zu sprechen, entweder bei ihnen zuhause oder in einem Konferenzraum, das brauchen wir. Wir haben eine begrenzte Coronazeit gut überstanden, weil wir viele unserer Kunden gut kennen und dadurch keine Delle hatten. Aber ein Gespräch über eine komplexe Vermögenssituation führen oder die Nachfolge eines Unternehmens planen, bei der persönlichen Befindlichkeiten und Wünsche berücksichtigt werden müssen, das funktioniert natürlich viel besser von Angesicht zu Angesicht.
Der persönliche Kontakt bleibt also das Maß aller Dinge?
Bei unserem Geschäftsmodell bleibt der persönliche Kontakt ein wesentlicher Bestandteil im Umgang. Aber man muss als Kunde einfach nicht mehr für alles anreisen. Es wird künftig ein Nebeneinander herrschen. Das Digitale unterstützt dabei. Auch viele Vertragsangelegenheiten, die regulatorisch notwendig sind, aber einfach auch lästig, können wir heute per E-Signing machen. Seit dem ersten November kann man sich auch online identifizieren. Alle Werkzeuge sind hinsichtlich ihrer administrativen Anforderungen zeitschonend konzipiert und damit sehr hilfreich.
Wie verändert das die Beratung?
Unsere Erfahrungsanalysen zeigen, dass die nächste Generation sich permanent online informiert und vergleicht. Ich erkläre das auch immer wieder in Meetings und Vorträgen: Die Leute sind topvorbereitet, und wenn dann ihre Bank nicht über das entsprechende Online-Angebot verfügt, fällt sie hinten runter. Trotzdem kann ich bei vielen unserer Angebote sicher sein, dass auch die jungen Kunden gerne mit ihrem Berater selbst sprechen wollen, wenn es sich um sensible Bereiche handelt.
Die Bethmann Bank veröffentlicht mit Te:nor und Character gleich zwei Kundenmagazine. Welche Ziele verfolgen Sie damit?
Als ich hier angekommen bin, gab es die beiden Magazine schon. Ihren Character haben wir allerdings stark überarbeitet. Indem wir die erfolgreiche gesellschaftspolitische Positionierung verstärkt haben, konnten sich das Magazin als Aushängeschild der Bethmann Bank etablieren. Es erscheint zweimal im Jahr als hochwertiges Kundenbindungsinstrument. Unsere Kunden bestätigen uns das immer wieder. Das Heft liegt lange in den Wohnzimmern und landet eben nicht ungelesen im Papierkorb. Es enthält nur wenige Inhalte mit Bankbezug, denn es geht uns wie gesagt um gesellschaftspolitische Themen, große Ideen, große Köpfe. Wir nehmen thematisch Zielkunden ins Visier, die visionäre Themen anbieten. Ich lasse mich dabei von der festen Überzeugung leiten, dass ein paar sehr wenige, aber dafür wertige Printmagazine ihre Daseinsberechtigung auch in einer digitalen Welt behalten werden.
Aber warum gleich zwei Magazine?
Te:nor haben wir zunächst kritisch analysiert und uns gefragt, ob wir das überhaupt noch brauchen. Und haben uns dann im Rahmen unserer Doppelstrategie auf fast allen digitalen Kanälen dafür entschieden, es als Online-Magazin beizubehalten und es komplett dem Thema Nachhaltigkeit zu widmen. Warum? Kunden und die, die es werden wollen, interessieren sich für unser Leistungsspektrum. Aber eine Marke muss auch eine „Story behind“, einen Sinn oder eine Mission, haben. Bei uns ist das die Nachhaltigkeit oder wie unsere holländischen Kollegen sagen: Investing for better for generations to come. Und diese Geschichte erzählen wir mit Te:nor. Wir haben also Tenor auf neue Füße gestellt, es Kundenmagazin genannt, aber für alle zugänglich gemacht. Wir bestücken es inhaltlich mit vielfältigen Nachhaltigkeitshemen, es können aber auch Bankthemen sein.
Wie erfolgt das Zusammenspiel mit anderen Kanälen?
Mit Instagram haben wir einen Zuführ-Kanal, der ebenfalls so gut wie keine Bankthemen anbietet. Mit Te:nor und Instagram im Verbund spielen wir also unsere Nachhaltigkeitsthemen. Das ist eine gut überlegte Verzahnung, um Leute über das Thema auf uns aufmerksam zu machen. Und wenn Sie dann auch noch zu unserer Zielgruppe gehören, finden Sie darüber auch den Einstieg zu uns und nicht nur über die reine Banksuche. Das hat schon einen strategischen Sinn. Unsere klassischen Bankthemen spielen wir auf LinkedIn. Da geht es mehr um unsere Philosophie und den Sinn, die wir auf der Investmentseite und Finanzierungsseite haben, die andere Teile unserer Gesellschaft anders definieren.
Die Bethmann Bank publiziert einen aufwendigen Nachhaltigkeitsbericht. Welchen Stellenwert nimmt er in der Kommunikationsstrategie der Bethmann Bank ein?
Nachhaltigkeit ist ein ewiger Prozess, ein nie endender Weg und deshalb ist es so wichtig, sich klare Leitlinien zu setzen, zu wissen, wo das Unternehmen den größten Hebel hat und immer wieder Status-Momentaufnahmen zu machen. Darum haben wir im Jahr 2021 unsere Nachhaltigkeitsstrategie konkret formuliert und ausgearbeitet. Dazu gehört auch ein 17-Punkte-Plan bis 2025. Einer dieser 17 Punkte ist der Nachhaltigkeitsbericht, den wir nicht als Obligation verstehen, sondern ausdrücklich wollen. Der Bericht gibt uns die Möglichkeit, allen Mitarbeitern und Stakeholdern jährlich einen vollumfänglichen Überblick zu geben, was die Bank alles in diesem Bereich unternimmt und weiterentwickelt.
Können Sie uns einen Ausblick auf das Jahr 2024 geben?
Zum einen wollen wir auch 2024 unsere Kommunikationskanäle und unsere Werkzeuge weiter professionalisieren und digitalisieren. Das Einladungstool steht da genauso auf dem Programm wie unser Newsletter-Tool und vor allem die Verbindungen unserer Aktivitäten zum Kunden-Datensystem. Auf einer anderen Ebene werden wir aber auch unsere Marke weiter bekannt und intensiver erlebbar machen. Dazu gehört auch, dass wir uns um das Thema „Corporate Wording“ kümmern.
In Zukunft werden viele Informationen und Marketingaktivitäten über „voice over“ laufen – also über Stimme und Spracherkennung oder über KIs, die sich ihre Informationen im Netz zusammen suchen. Um hier erfolgreich zu sein, müssen auch Text und Sprache markengerecht und markenfit überall verfügbar sein. Schauen wir auf unsere Agenda, dann bleibt selbstverständlich weiter unsere Nachhaltigkeit und unsere persönliche Beratung sowie unser sehr breites Wealth Management Angebot im Vordergrund. Weiterhin konzentrieren wir uns auf unsere philanthropischen Aktivitäten, das Female Banking sowie die Unternehmensnachfolge-Beratung.
Interview: Marco Wehr
Alexandra Vitt-Krauß
Head of Communications & Marketing
Alexandra Vitt-Krauß wirkt seit 1993 in den Bereichen Marketing und Kommunikation für die Finanzbranche. Die Wirtschaftsmathematikerin und Volkswirtin verantwortet seit 2019 den Bereich Marketing und Kommunikation des privaten Geldhauses Bethmann Bank. Zuvor war sie unter anderem bei der Deutschen Bank und Sal. Oppenheim in leitender Position tätig.