Deutschland hat im vergangenen Jahr einen wichtigen Zwischenschritt auf dem Weg zu einer klimaneutralen Energieerzeugung erreicht: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik wurde in 2023 mit fast 52 Prozent die Hälfte des verbrauchten Stroms durch Erneuerbare Energien (EE) erzeugt. Damit Deutschland seine ehrgeizigen Klimaziele erreicht, muss die Zahl der Solar- und Windenergieanlagen allerdings noch steigen. Denn die Bundesregierung will schon 2030 mehr als 80 Prozent des Stromes aus Sonne, Wind und Co. generieren.
EE-Ausbau in Deutschland: jährliche Investitionskosten von 42 Milliarden Euro
Das Ausbauziel bei Solaranlagen liegt laut dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) bis zum Ende der Dekade bei 215 Gigawatt (GW), was einem jährlichen Zubau von 22 GW entspricht. Die Investitionskosten im Solarbereich liegen nach aktuellen Marktpreisen jährlich bei rund 15,5 Milliarden Euro. Die Ausgaben für den Ausbau im Windbereich liegen bei knapp 26,6 Milliarden Euro, denn bei Windkraftanlagen an Land (Onshore) sollen pro Jahr etwa 10 GW zugebaut werden; bei Windkraftanlagen auf See (Off shore) sind es jährlich rund 2,7 GW, die bis 2030 entstehen müssen.
Damit belaufen sich die Investitionskosten für den jährlichen Zubau im Wind- und Solarbereich insgesamt auf etwa 42 Milliarden Euro. Geht man von einer durchschnittlichen Fremdkapitalquote von 80 Prozent in den Projekten aus, müssten Kreditinstitute jährlich rund 34 Milliarden Euro zur Verfügung stellen, was nur einem Bruchteil der gesamten Kreditsumme von 2,74 Billionen Euro entspricht, die von Finanzhäusern pro Jahr in Deutschland an Unternehmen und Privatpersonen vergeben werden. Banken müssten also nur rund 1,2 Prozent ihrer jährlichen Kreditsumme in den Ausbau von Erneuerbaren Energien investieren, damit Deutschland seine Klimaziele erreicht.
Energiewende-Projekte scheitern häufig an fehlendem Kapital
Banken könnten entscheidend zum Gelingen der Energiewende beitragen. Sie müssten nur bereit sein, in diesem Bereich noch mehr gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Denn viel zu häufig scheitert die Umsetzung wichtiger Energiewende-Projekte daran, dass Projektentwickler aus dem Bereich der Erneuerbaren Energien keine Finanzierung finden – und daran tragen auch immer wieder die Banken eine Mitschuld. Denn obwohl die Entscheider in den Geldhäusern gerne mehr im Bereich Nachhaltigkeit unternehmen würden, mangelt es leider immer noch an Personal mit dem entsprechenden Know-how.
Was in den Banken darüber hinaus noch zu häufig fehlt, sind standardisierte Prüfprozesse, die eine effiziente Abwicklung von Neugeschäftsanfragen im EE-Bereich überhaupt ermöglichen und Projekte umgesetzt werden können. Zwischen Kreditanfrage und Auszahlung liegen oft mehr als sechs Monate – Tendenz steigend. Das ist verwunderlich, denn Banken müssten eigentlich händeringend auf der Suche nach nachhaltigen Finanzierungsmöglichkeiten sein, weil sie angehalten sind, in diesem Bereich mehr zu machen – aus regulatorischer Sicht, aber auch aus Sicht der Öffentlichkeit.
Die Finanzierung eines EE-Projekts ist gut mit einer Finanzierung im Immobilienbereich zu vergleichen, was in den meisten Finanzhäusern eine gängige Assetklasse darstellt. Gerade bei Projektvolumen zwischen zwei und etwa 25 Millionen Euro gibt es einen großen Bedarf an zusätzlichen Finanzierungsmöglichkeiten. Hier klafft eine riesige Lücke, die Banken noch viel häufiger füllen müssten.
Banken brauchen mehr Know-how
Doch dafür muss auch das Know-how in den Finanzhäusern weiter ausgebaut werden. Auch benötigen viele Banken in diesem Bereich standardisierte und durchdachte Prozesse, damit die Finanzplanung und die Umsetzung der Projekte endlich effizienter ablaufen kann. Damit wäre sowohl Banken als auch den betroffenen EE-Projektentwicklern deutlich geholfen – und dem Klima natürlich auch. Und darauf kommt es am Ende an.
Jonas Klose
Jonas Klose ist Mitgründer und Co-Geschäftsführer von Pine Valley Capital. Die Corporate-Finance-Boutique versteht sich als Bindeglied zwischen Projektentwicklern und Kapitalgebern.
Tipp: Sie wollen noch mehr Beiträge aus der aktuellen BANKINGNEWS lesen? Dann lesen Sie hier das Vorstandsinterview oder hier eine Auswertung der Arbeitgeberattraktivität in der Finanzbranche.