„Gedrucktes ist tot“ – Wo ein Geisterjäger irrt

Vor genau vier Jahrzehnten hielt ein Filmzitat von Dr. Egon Spengler, seines Zeichens der analytische Kopf der Science-Fiction-Fantasy-Truppe „Ghostbusters“, Eingang in unserem Sprachschatz. Hat er Recht behalten? Zehn Jahre Print hat die BANKINGNEWS hinter sich gebracht – wie steht es aber um die Zukunft?


White Paper: Thorsten Hahn bei der Lektüre

Auf den ersten Blick sprechen die nackten Zahlen eine eindeutige Sprache: Konnten im Jahr 2011 in Deutschland noch rund 18,8 Millionen Tageszeitungen verkauft werden, waren es 2023 laut Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger nur noch 12,8 Millionen Exemplare. Damit korreliert auch der Rückgang der Beschäftigten in der Druckindustrie von circa 151.000 im Jahr 2012 auf 110.000 in 2022, wie das Statista Research Department festhält. Der Grund liegt auf der Hand: Digitale Medien sind leicht zugänglich und können auf verschiedenen Geräten wie Smartphones, Tablets und Laptops gelesen werden. Diese Mobilität und Bequemlichkeit machen sie für viele Menschen attraktiver als gedruckte Medien – zudem sind sehr viele Angebote kostenlos und 24/7 verfügbar. 

Was spricht da noch für eine Zeitung?

Immer noch ziemlich Vieles. Denn gedruckte Zeitungen schaff en eine konzentrierte Leseumgebung und -atmosphäre ohne die Ablenkungen, die bei der Nutzung von Online-Plattformen auftreten. Pop-up-Werbung, Benachrichtigungen oder Links zu anderen Webseiten stören oft die Konzentration und den Lesefluss. Und da kommen wir gleich an einen weiteren Punkt, der für die digitale Nutzung gegeben sein muss: Man benötigt elektronische Geräte, die nur mit Strom laufen und meistens eine Internetverbindung brauchen. Ist der Akku leer oder die Netzabdeckung schlecht, nützt auch das schönste E-Paper nichts mehr. Und auch in Sachen Datenschutz gilt: Beim Lesen einer gedruckten Zeitung wurden noch nie persönliche Daten erfasst oder verfolgt. Im Gegensatz dazu sammeln Online-Zeitungen und -Portale eifrig Daten über das Leseverhalten ihrer Nutzer. Viele Leserinnen und Leser möchten jedoch nicht ihre Daten anonymen Konzernen preisgeben. 

Doch die Vorteile von Druckerzeugnissen bestehen nicht allein in den Defiziten der digitalen Medien. Ein nicht zu unterschätzender Faktor bei Zeitungen ist das physische Gefühl, etwas in der Hand zu halten. Das Umblättern von Seiten und der Geruch von frischem Druck können – zumindest bei Älteren, die diese Gewohnheit noch kennen – als angenehm und vertraut empfunden werden. 

Gedruckte Zeitungen bieten zudem oft ein ansprechendes Layout und Design, das visuell ansprechend ist. Das Zusammenspiel von Text, Bildern und Grafiken ist in der Regel sorgfältig gestaltet und kann auf Papier eine andere Wirkung erzielen als auf dem Bildschirm. Aber das wichtigste Argument ist die Glaubwürdigkeit. Eine Studie der Universität Mainz fand heraus, dass Printmedien im Vergleich zu Online-Medien als zuverlässiger und glaubwürdiger wahrgenommen werden. 

So blicken gedruckte Medien häufig auf eine lange Tradition zurück und werden oft mit gründlicher journalistischer Arbeit in Verbindung gebracht. Viele Menschen assoziieren gedruckte Zeitungen mit sorgfältiger Berichterstattung und investigativem Journalismus. Das mag auch daran liegen, dass der Produktionsprozess aufwändiger und kostspieliger ist, was eine zusätzliche Hürde für minderwertige oder unseriöse Inhalte darstellt.  

Einer weiteren Untersuchung des Reuters Institute for the Study of Journalism zufolge, werden Printmedien oft als weniger anfällig für Fake News und Desinformation angesehen als digitale und stellen damit eine wertgeschätzte Alternative zu Online-Zeitungen dar.  

Zehn Jahre BANKINGNEWS

Aus all diesen Gründen bestand für Thorsten Hahn, Geschäftsführer des BANKINGCLUB, nie ein Zweifel daran, die von ihm herausgegebene Zeitschrift BANKINGNEWS von Beginn an als gedrucktes Fachmagazin an die Mitglieder zu verschicken.  

Für den Bankexperten ist die Analogie zwischen der sinkenden Zahl an Bankfilialen und fallenden Auflagen von gedruckten Zeitschriften offensichtlich. „In Zeiten fortschreitender Digitalisierung ist klar, dass – Bankniederlassungen wie Print-Publikationen – als physische Institutionen nicht mehr in der Zahl benötigt werden, wie das früher der Fall war“, so Hahn. Übrig blieben am Ende nur diejenigen, die ein hochwertiges Angebot und Kundenerlebnis böten, das man im Netz nicht findet. „Gedrucktes ist nicht tot. So wie eine seriöse Bankberatung für wichtige Vorhaben vor Ort, schätzen anspruchsvolle Menschen weiterhin Lesequellen, die gut recherchierte Informationen liefern. Und das ist mein Anspruch, diesen vorhandenen Bedarf mit der BANKINGNEWS zu bedienen.“ 

Digitale und soziale Medien stehen für Schnelllebigkeit und Dynamik. Wer sich bewusst und gelassen mit Inhalten oder Themen auseinandersetzen will, greift zum Print. Das Gefühl, sich mit einem Buch oder einer Zeitung in die Sonne, ein Café oder an das Meer zu setzen, wird niemals alt.

In einem Alltag, in dem wir fast den ganzen Tag vor Bildschirmen verbringen, sind die Momente mit gedruckten Medien besonders wertvoll und bringen uns zur Ruhe. Ich schätze Print, weil es das Erlebnis des Lesens entschleunigt und uns eine wohlverdiente Auszeit von der digitalen Welt ermöglicht.

300 Ausgaben BANKINGNEWS und das 10. Jahr in Print – Herzlichen Glückwunsch! Bei allem digitalen hat Print etwas Besonderes, etwas „Greifbares“ mit Inhalten von heute und morgen. Weiter so!

Ist ein gedrucktes Magazin retro? Absolut nicht: die BANKINGNEWS sind so ein liebevoll kuratiertes Magazin, das alle zwei Monate alle wichtigen Themen kondensiert, dass man alleine schon damit immer auf Ballhöhe ist. Weiter so!

„Mehr Kundenorientierung muss heute beginnen!“

Thorsten Hahn ist Geschäftsführer des BANKINGCLUB und Herausgeber der BANKINGNEWS. Die Redaktion hat mit ihm darüber gesprochen, wo die Branche steht, und welche Herausforderungen sie künftig bewältigen muss. 

BANKINGNEWS: Thorsten, vor knapp zwanzig Jahren hast Du den BANKINGCLUB gegründet, um die Akteure der Finanzbranche miteinander zu vernetzen. Hat das Konzept, Menschen zusammenzubringen, im Zeitalter von Digitalisierung und KI überlebt?

Thorsten Hahn: Nein, im Gegenteil. Obwohl auch Banken immer mehr Aufgaben an Kollege Computer auslagern und die Zahl der Filialen in der Fläche verringern, ist das Netzwerken unter Bankmitarbeitern selbst und mit den Kunden unverzichtbar. Wir bekommen bei unseren Veranstaltungen von den Teilnehmern immer wieder gespiegelt, wie wichtig der persönliche Austausch ist. Auch wenn die direkten Kontakte seltener werden, wird ein Bankberater, der bei der Hausfinanzierung oder Unternehmensgründung persönlich unterstützt, also höherwertige Services erbringt, auch in zehn Jahren noch seine Daseinsberechtigung haben. Auf die klassische Filiale mit Schalterhallen, wo ich mein händisch ausgefülltes Überweisungsformular abgebe, trifft das eher weniger zu. Die Filiale sollte bleiben, aber das Wie sollten Banken dringend überdenken. 

Trotz Digitalisierung, Automatisierung und immer mehr KI-Einsatz sind in der deutschen Finanzbranche aktuell über 60.000 Stellen unbesetzt. Was bedeutet das? 

Das ist kein Widerspruch, denn die meisten Arbeitskräfte fehlen ja im IT-Bereich. Und deshalb kommt die Digitalisierung in der Branche nach meinem Eindruck nur kleinschrittig voran. Gerade dort ist der Wettbewerb um fähige Köpfe besonders hart, denn die Banken fischen gemeinsam mit anderen Branchen in einem sehr kleinen Pool. Die HR-Abteilungen müssen sich gut überlegen, wie sie ihre Unternehmen künftig attraktiv aufstellen, um sich abzuheben. Nur mit Boni allein funktioniert das nicht mehr. Gerade für jüngere Arbeitnehmer muss das Image des Unternehmens passen und die Aufgaben sinnstiftend sein. Geldinstitute sollten eine technologie-offene Kultur pflegen, in der sich ITler verstanden fühlen und weiterentwickeln können. 

Was bedeutet die immer stärkere Verbreitung von Kryptowährungen? 

Sie sind für Banken Fluch und Segen zugleich. Zunächst einmal stellen Bitcoin, Ethereum und Co. eine potenzielle Konkurrenz für traditionelle Bankdienstleistungen dar. Mit diesem neuen Geld können Menschen ganz ohne Banken bezahlen, überweisen und Werte speichern. Diesen hängt jedoch der Geruch des Halbseidenen an. Vielen Menschen fehlt das Vertrauen. Und da liegen die Chancen für die etablierten Banken und Sparkassen, denen die meisten Menschen vertrauen. Wenn sie selbst beispielsweise Krypto-Wallets oder Handelsplattformen für ihre Kunden anbieten oder in die Entwicklung von Blockchain-basierten Finanzprodukten investieren, bin ich sicher, dass sie in Zukunft die Nase vorn haben können. 

Wo steht Banking im Jahr 2034? 

Insgesamt wird das Banking in den nächsten Jahren sicherlich schneller und technologieorientierter werden. Klassische Filialdienstleistungen werden dann hoffentlich vom Kunden selbst und zu hundert Prozent digital erledigt. Den Kunden bei seinen finanziellen Aktivitäten zu unterstützen und ihn vor schlechten Entscheidungen zu bewahren, sollte jedoch nicht bis 2034 warten. Neun von zehn Kunden wünschen sich eine persönliche Begleitung bei Finanzentscheidungen. Natürlich werden heute Antragsstrecken gebaut, die ein Kunde selbst ausfüllen kann. 90 Prozent der Eingabefelder sind seine persönlichen Daten. Er sucht jedoch jemanden, der oder die ihm die finanzielle Entscheidung und die Auswirkungen erläutert. Mehr Kundenorientierung muss heute beginnen! 

Tipp: Sie möchten gerne weitere Fachartikel aus der aktuellen BANKINGNEWS 300 lesen? Dann lesen Sie hier den Leitartikel zum Thema Open Finance oder einen Beitrag zur Next Gen-Strategie der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe.