BANKINGNEWS-Streitthema: Europäische Einlagensicherung

Gefahr für die Eurozone oder wichtiger Baustein zur Vollendung der europäischen Bankenunion? Daniel Quinten, Vorstandsmitglied beim Bundesverband der Deutschen Volksbanken, und Raiffeisenbanken und Othmar Karas, früherer Erster Vizepräsident des Europaparlaments, debattieren über die geplante europäische Einlagensicherung EDIS.


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Eine Europäische Einlagensicherung bedeutet, dass die Einlagen aller Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union noch sicherer werden. Die gemeinsame Bündelung von Liquidität ermöglicht es, im Krisenfall noch besser gegenzulenken und die Einlagen der Sparer effektiver und effizienter zu sichern. Als Chefverhandler des Europäischen Parlaments ist es mir gelungen, nach neun Jahren Stillstand und Blockade einen Kompromiss im Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments zu erzielen. Damit ist ein wichtiger Beitrag zur längst überfälligen Vollendung der Bankenunion gelungen. Denn die Schaffung einer Europäischen Einlagensicherung ist neben gemeinsamer Aufsicht und Abwicklung deren dritte Säule. Diese wird seit Jahren von vielen Seiten gefordert. 

Der ausverhandelte Kompromiss sieht vor, dass durch einen Europäischen Einlagensicherungstopf jede nationale Einlagensicherung bis zu zehnmal mehr Liquidität zur Verfügung hat, um bei finanziellen Schieflagen gegenzulenken beziehungsweise Spareinlagen zu sichern. Der bewährte dezentrale Bankensektor mit Institutssicherungssystemen (IPS) – zum Beispiel in Deutschland, Österreich, Italien, Spanien und Polen – wird dabei anerkannt und in eine gemeinsame Regelung integriert. Das heißt für Institute des dezentralen Bankensektors, dass sie alle finanziellen Mittel, die heute zur Verfügung stehen – und darüber hinaus – weiterhin für ihr bewährtes Modell und Präventivmaßnahmen einsetzen können. Alle europäischen Banken das gemeinsame System letztlich nutzen, um den Einlagenschutz zu erhöhen. 

Der Ausschussbericht beschränkt sich im ersten Schritt auf ein Rückversicherungsmodell mit Bereitstellung von Liquidität, wobei alle ausgeborgten Gelder zurückzuzahlen sind. Das heißt: keine Mitversicherung, keine Vollversicherung und keine Risikoteilung. In einem zweiten Schritt sollen die Effektivität dieses Modells sowie mögliche weitere Schritte zur Vollendung der Bankenunion, die an klare Konditionen und weitere Risikoreduktionsmaßnahmen geknüpft sind, evaluiert werden. Hier habe ich durchgesetzt, dass alle Bedenken und Besonderheiten des dezentralen Bankensektors vor der Festlegung weiterer Schritte berücksichtigt werden müssen – einschließlich der erstmaligen Prüfung eines eigenen Einlagensicherungssystems sowie einer niedrigeren Zielausstattung für das IPS. Letztlich geht es darum, unnötige Barrieren im Binnenmarkt abzubauen und den Mehrwert europäischer Zusammenarbeit zu realisieren. Es geht darum, endgültig alle Lehren aus der Finanzkrise von 2008 zu ziehen. 

Othmar Karas

Die Errichtung eines EDIS wird häufig mit der Vollendung der Bankenunion gleichgesetzt. Das ist falsch! Einleger können bereits heute ihre Gelder bei Banken in der gesamten EU anlegen, ohne sich Sorgen machen zu müssen. Der Schutz der Einlagen bis zu einer Höhe von 100.000 Euro pro Einleger und Bank ist gesetzlich vorgeschrieben. 

Der die Bankenunion voranbringen will, sollte sich auf die regulatorische Behandlung von Staatsanleihen in den Bankbilanzen (RTSE) und das sogenannte „Ring-fencing“ durch Host-Staaten konzentrieren. Gerade Letzteres macht es für Banken teuer beziehungsweise unattraktiv, grenzüberschreitend Geschäfte zu erbringen, weil Host-Mitgliedstaaten eigene zusätzliche Anforderungen an Liquidität und Kapital für ausländische Banken und deren Tochtergesellschaften stellen. Alles offene Handlungsfelder, die nichts mit EDIS zu tun haben. 

EDIS würde zusätzliche Risiken schaffen. Um Moral Hazard zu vermeiden, müssten Preiskontrollmechanismen geschaffen werden. Eine mögliche Überlastung eines nationalen Einlagensicherungssystems ist vor allem in Mitgliedstaaten denkbar, bei denen der Bankenmarkt stark konzentriert ist. Hier kann ein EDIS aber nicht helfen. Ein Insolvenzfall einer Bank in einem solchen Land zöge unverzüglich und systembedingt Dominoeffekte in anderen Ländern nach sich. Wichtiger wäre daher die Abwicklungsregeln in Bezug auf große Banken zu verbessern, um die Funktionsfähigkeit des Abwicklungsmechanismus sicherzustellen.

Diese Probleme werden vom Vorschlag des ECON nicht adressiert. Vielmehr glaubt man dort, ein Rückversicherungsmodell sei weniger gefährlich, weil es sich „nur“ um Kredit des DIF zugunsten der nationalen Einlagensicherung handele. Das ignoriert zum einen alle bankaufsichtlichen und kaufmännischen Regeln für das „Kreditrisiko“, zum anderen den Umstand, dass die EU-Kommission im Rahmen der Überarbeitung des Krisenmanagements für Banken (CMDI) die insolvenzrechtliche Position der nationalen Einlagensicherung bewusst schwächen will, wodurch deren Verluste steigen und eine Rückzahlung der geliehenen Mittel an den DIF unwahrscheinlicher wird. 

Zudem berücksichtigen die EDIS-Vorschläge der EU-Kommission und des ECON nicht die Besonderheiten von Institutssicherungssystemen. Der Ansatz des ECON, sie zunächst vollständig EDIS zu unterwerfen und erst später zu prüfen, ob sie anders behandelt werden sollten, ist nicht logisch. EDIS sollte den bestehenden Schutz nationaler Systeme nicht absichtlich schwächen. 

Daniel Andreas Quinten

European Deposit Insurance Scheme

Die europäische Einlagensicherung European Deposit Insurance Scheme (EDIS) ist ein System zur Absicherung von Bankeinlagen innerhalb der Europäischen Union. EDIS ist Teil der umfassenderen Bankenunion, die die EU nach der Finanzkrise 2008 ins Leben gerufen hat. Ziel ist es, die Finanzstabilität zu erhöhen und das Vertrauen in das Bankensystem zu stärken. Das System soll sicherstellen, dass Bankeinlagen bis zu einem bestimmten Betrag –derzeit 100.000 Euro pro Einleger und Bank – in allen teilnehmenden Ländern geschützt sind. 

Die Umsetzung bleibt jedoch eine komplexe Aufgabe, denn EDIS ist nicht unumstritten. Sie hängt von den Fortschritten bei der Risikominderung in den Bankensystemen der Mitgliedstaaten sowie der politischen Einigung ab. Letztere muss zwischen den Mitgliedstaaten erfolgen und ist primäre Voraussetzung, um die notwendigen Gesetzgebungsmaßnahmen zu verabschieden. Daher besteht für die Einführung noch kein Zeitplan. Zudem müssen für die Realisierung verschiedene technische Hürden überwunden werden, wie zum Beispiel die regulatorische Angleichung nationaler Einlagensicherungssysteme.  Dennoch bleibt es ein zentrales Ziel der europäischen Finanzpolitik. Die EU-Institutionen arbeiten kontinuierlich daran, die Voraussetzungen zu schaffen und die verbleibenden Hürden zu überwinden, um EDIS so bald wie möglich zu realisieren.  

Hauptziele:

Einheitliche Absicherung: Sicherstellen, dass Bankeinlagen in allen Mitgliedstaaten der Bankenunion gleichwertig abgesichert sind. 
Vertrauensstärkung: Vertrauen der Sparer in die Sicherheit ihrer Einlagen stärken, unabhängig davon, in welchem EU-Land ihr Institut ansässig ist. 
Systemische Stabilität: Die Stabilität des europäischen Bankensystems erhöhen, indem die Risiken von Bankenkrisen besser verteilt und gemanagt werden.