Wer erinnert sich nicht an das Aktienjahr 2015? Nach fulminanten Start, der den DAX in weniger als vier Monaten um 25 Prozent in die Höhe katapultierte, stellte sich kurze Zeit später der große Katzenjammer ein. Erst der Crash am Rentenmarkt, dann das Ringen um den „Grexit“, danach Börsencrash und Konjunkturunsicherheiten in China, der VW-„Dieselgate“-Skandal und die Terroranschläge in Paris: Immer neue Negativschlagzeilen machten den Börsen zu schaffen. Dabei waren doch die meisten Kapitalmarktteilnehmer davon ausgegangen, dass nach dem guten Auftakt alles so bleiben würde. DAX-Prognosen von 13.000 Punkten und mehr machten schon die Runde, bevor es wieder ungemütlich wurde und die Kurse zeitweise deutlich unter die 10.000-Punkte-Marke rutschten.
Andere Vorzeichen als im letzten Jahr
2016 steht dagegen unter ganz anderen Vorzeichen als 2015, denn für die meisten Aktienanleger ist der Start in das Jahr mehr als unbefriedigend ausgefallen. Das Ungemach deutete sich bereits am ersten Handelstag im Januar an, als die chinesische Börse um sieben Prozent einbrach und andere Handelsplätze mit in die Tiefe riss. Bis Mitte Februar setzten sich die Kursverluste ungebremst fort, da schlechte Wirtschaftsdaten und der anhaltende Verfall des Ölpreises die Befürchtung aufkommen ließen, dass die Weltwirtschaft auf eine neue Rezession zusteuern könnte. Insbesondere in den beiden größten Volkswirtschaften der Welt, in den USA und in China, gab es eine Vielzahl von enttäuschenden Konjunkturdaten, aber auch Japan und Europa konnten sich von diesem Trend nicht abkoppeln.
Viele Aktienbörsen verzeichneten den schlechtesten Jahresbeginn seit vielen Jahrzehnten, und wenig überraschend wurden die Erwartungen an das Aktienjahr 2016 deutlich nach unten revidiert. Viele Analysten trauen dem Aktienmarkt für den Rest des Jahres nur noch wenig Positives zu. Zu Recht? Oder liegen die Marktteilnehmer wieder genauso falsch wie im vergangenen Jahr, als man nach dem Verlauf der ersten drei Monate so zuversichtlich auf die weitere Entwicklung des restlichen Jahres schaute?
Unklares Bild bezüglich Kurserholung
In den vergangenen Wochen konnten die Aktienmärkte ihre zuvor erlittenen Verluste zumindest teilweise wieder wettmachen. Die Kurserholung ist in erster Linie darauf zurückzuführen, dass sich viele Konjunkturdaten zuletzt stabilisiert haben. Allerdings ist das Bild keineswegs eindeutig: Während der im Januar und Februar zu beobachtende Abwärtstrend gestoppt zu sein scheint, gibt es bislang noch wenig belastbare Hinweise, die für eine nachhaltige wirtschaftliche Erholung sprechen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Verfassung der Weltwirtschaft im 1. Quartal 2016 ihren Tiefpunkt erreicht haben könnte, schätzen wir dennoch als vergleichsweise hoch ein. Jedoch gilt auch hier die alte Binsenweisheit, dass ein einzelner Monat noch nicht unbedingt einen neuen Trend definiert. Von daher kommt den nächsten Daten eine besondere Bedeutung zu, um die Frage beantworten zu können, ob der untere Wendepunkt beim globalen Konjunkturzyklus erreicht ist.
Entwicklung auch von Unternehmensgewinnen abhängig
Ob sich die Erholung an den internationalen Aktienmärkten fortsetzt, wird daneben auch von den Unternehmensgewinnen abhängen. Denn deren Entwicklung ist zumindest mittel- bis langfristig der wohl wichtigste singuläre Einflussfaktor für die Kurse börsennotierter Unternehmen. Dass sich die Weltleitbörse, der US-amerikanische S&P 500, seit gut einem Jahr seitwärts bewegt und die Marke von 2.000 Punkten bislang nicht nachhaltig überwinden konnte, hat sehr viel damit zu tun, dass die Unternehmensgewinne seitdem auf der Stelle treten. Der Blick auf die Gewinnerwartungen des Jahres 2016 verheißt zunächst wenig Gutes. Nach dem Minus von einem Prozent im letzten Jahr wird für dieses Jahr ein Plus von knapp zwei Prozent erwartet – immerhin. Dabei wird für das erste Quartal für den S&P 500 ein Gewinnrückgang von mehr als acht Prozent gegenüber dem Vorjahr prognostiziert. Dies liegt vor allem an den deutlich reduzierten Ertragserwartungen für die Unternehmen aus dem Energiesektor. Aber selbst wenn man diese Branche aus der Betrachtung ausklammert, bleibt es bei einem erwarteten Gewinnrückgang von rund zwei Prozent für den S&P 500 ex. Energy.
Allerdings haben wir im Moment den Eindruck, dass sowohl die Verbesserung des makroökonomischen Umfelds, wie er in den jüngst besseren Frühindikatoren zum Ausdruck kommt, als auch die höheren Rohstoffpreise noch nicht in den Schätzungen der Mikroanalysten berücksichtigt wurden. Besonders augenscheinlich ist dies bei den Gewinnprognosen der Energieunternehmen. So zeigt sich, dass ein sehr enger Zusammenhang zwischen der Höhe des Ölpreises und den Gewinnen der Ölunternehmen besteht. Doch während sich der Ölpreis seit Mitte Februar um mehr als 50 Prozent erholt hat, wurden die Gewinnprognosen Woche für Woche weiter nach unten revidiert. Von daher halten wir es für sehr wahrscheinlich, dass viele Ölunternehmen die Ertragserwartungen übertreffen werden. Aber nicht nur die höheren Ölpreise und die besseren Frühindikatoren erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass die Gewinnerwartungen mittlerweile zu pessimistisch geworden sind. Auch der US-Dollar gehört zu den Faktoren, der bei den US-Unternehmen zu einem geringeren Gegenwind, vielleicht sogar zu Rückenwind bei den zukünftigen Ergebnissen führen kann.
Skepsis ist überzogen
Alles in allem sind wir von daher optimistisch, dass sich die derzeit zu beobachtende äußerst skeptische Erwartungshaltung hinsichtlich der Unternehmensergebnisse als übertrieben negativ herausstellen wird. Sollte sich diese Einschätzung bestätigen, wäre dies ein positives Signal für die weitere Kursentwicklung und könnte dazu beitragen, dass der S&P 500 endlich aus seiner Seitwärtsbewegung nach oben ausbricht – und andere Indizes, wie den DAX, mit nach oben zieht. Dann könnte sich die derzeitige Skepsis gegenüber Aktien als genauso falsch erweisen wie die Euphorie im Frühjahr und Sommer 2015.