German Dream in der Deutschen Bank

Ein Ende zieht auch immer einen neuen Anfang nach sich. In diesem Fall bedeutet das Ende von John Cryan auf der Brücke der Deutschen Bank den Anfang einer neuen Ära. Denn mit Christian Sewing übernimmt seit langer Zeit mal wieder kein Investmentbanker das Ruder des Hauses, das in den letzten drei Jahren fast neun Milliarden…


Den Blick in die Zukunft gerichtet: Christian Sewing, der neue Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank.

„Niemand wird uns etwas schenken. Wir werden kämpfen müssen, und ich bin mit meinem Team dazu bereit. Denn es lohnt sich! Es wird Zeit, dass wir unser Potenzial endlich voll und ganz ausschöpfen.“ Diese Worte stammen nicht etwa von einem Profi-Fußballtrainer, der seine Spieler vor dem alles entscheidenden Spiel im Abstiegskampf einschwört, sondern von Christian Sewing, dem neuen Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bank. Bereits kurz nach seiner Ernennung veröffentlichte das Institut eine Nachricht, in der sich der 47-Jährige an seine Kolleginnen und Kollegen wendet. Neben einem Hauch von Aufbruchstimmung vermittelt das Schreiben vor allem eine Botschaft: So kann und wird es nicht weitergehen.

Eine andere Haltung wäre der Öffentlichkeit und vor allem den Aktionären auch nicht vermittelbar. Nachdem der Brite John Cryan den tief im Dreck steckenden Karren nicht befreien konnte, soll es nun ein Deutsch-Banker durch und durch regeln. Dabei verkörpert der Ostwestfale Christian Sewing, der es nach seiner im Jahre 1989 begonnenen Ausbildung in Bielefeld bis an die Spitze des Konzerns geschafft hat, so etwas wie den „German Dream“.

Entsprechend wird seine Vita und seine Qualifikation auch von Aufsichtsratschef Paul Achleitner unterstrichen: „Christian Sewing hat in seinen mehr als 25 Jahren bei der Deutschen Bank konstant bewiesen, dass er führungsstark ist und eine große Durchsetzungskraft hat“, so Achleitner. Vor allem das Wort „konstant“ sticht hierbei heraus. Konstanz wäre das, was man dem Institut auf dieser Position für die nächsten Jahre wünschen würde. Dass man sich dieses Mal nicht bei der Konkurrenz bedient hat, erklärt Achleitner ebenfalls: „Wir setzen auf die innere Kraft unserer Bank, auf die vielen großen Talente, die wir haben.“

Im Profi-Fußball nennt man so etwas Stallgeruch. Vielleicht ist genau das nun auch gefragt. Christian Sewing kennt sich mit Verantwortung aus: Bereits im Januar 2015 stieg er zum Mitglied des Vorstands auf. Mit Frank Strauß verantwortete er den Unternehmensbereich Privat- und Firmenkunden (inklusive der Postbank). Nun muss er sich um das große Ganze kümmern, zusammen mit seinen Stellvertretern Garth Ritchie und Karl von Rohr.

Die Erwartungen sind hoch, das weiß auch Sewing, sodass er in seinem Schreiben an die Mitarbeiter durchaus starke Worte wählt. Aufgrund der aktuellen Herausforderungen, die sich der Bankbranche aktuell stellen, müsse man sich dringend weiterentwickeln und zu langsame Prozessstrukturen überdenken: „Wir müssen klarer und schneller entscheiden, wir müssen besser zusammenarbeiten, wir müssen den Teamgeist in den Mittelpunkt stellen.“

Doch werden Sewings Worte in Bezug auf die Zielsetzung härter: Er fordert die Gewinnung eine Jägermentalität. Schließlich seien die Ziele verfehlt worden, was das Führungsteam nicht mehr akzeptieren werde. „Hier werden wir harte Entscheidungen treffen und umsetzen.“ Das klingt fast nach einer Drohung. Einen Wink mit dem Zaunpfahl hat er auch für den Investmentbereich, denn Sewing wolle sich dort zurückziehen, wo das Haus nicht mehr ausreichend rentabel arbeiten kann.

Der neue Vorstandsvorsitzende kommuniziert seine klaren Vorstellungen, die in dem Appell enden, dass man sich weniger auf sich selbst, sondern vielmehr auf die Kunden konzentrieren müsse. In den turbulenten letzten Jahren kann man es Deutsch-Bankern fast gar nicht verübeln, wenn dieser Aspekt in Vergessenheit geraten ist. Man darf gespannt sein, ob die interne Lösung der vormals ruhmreichen Bank den Weg in eine bessere Zukunft ebnet. Vor 29 Jahren dachte Christian Sewing bestimmt nicht an diese Chance.