Initial Coin Offerings (ICOs) strahlen sowohl für Investoren als auch für Start-ups eine faszinierende Anziehung aus und versprühen einen Hauch von Science-Fiction. Jedoch kommen sie nicht ohne bitteren Beigeschmack daher. In einem jüngst veröffentlichten Hinweisschreiben erklärt die BaFin, dass es sich bei ICOs „um höchst spekulative Investments“ handele. Sie betont außerdem: „Wie bei den meisten Trends zieht das hohe öffentliche Interesse an ICOs auch Betrüger an.“ Das New Yorker Research-Unternehmen Satis Group kommt zu dem Ergebnis, dass über 80 Prozent aller ICOs mit Betrug zu tun haben.
ICOs – der neue „Neue Markt“?
Auf der anderen Seite bieten ICOs eine neue Chance zur Finanzierung junger Tech-Start-ups. Remo Nyffenegger und Fabian Schär von der Universität Basel haben ermittelt, dass das investierte Kapital in den Jahren von 2014 bis 2017 um 15.000 Prozent gestiegen ist. Bei erfolgreichen ICOs können Start-ups in kurzer Zeit enorme Beträge einsammeln, indem sie sogenannte Tokens an die Investoren ausgeben. Der Token fungiert als Pendant zur Aktie bei einem Börsengang, jedoch werden keine Anteile am Unternehmen erworben. Bei einem Erfolg des Start-ups kann der Wert des Tokens über den anfänglichen Ausgabepreis steigen und später als Zahlungsmittel dienen oder andere verbriefte Rechte enthalten. In einem Whitepaper wird das Projekt vorgestellt, um potenzielle Investoren zu überzeugen. Derzeit scheinen es viele Investoren mit der Lektüre jedoch nicht so genau zu nehmen. Die Devise heißt: „Lieber dabei sein, als etwas zu verpassen.“ Man fühlt sich unweigerlich an den Hype des Neuen Markts erinnert. Der Ausgang ist bekannt. Laut der Informationsplattform Tokendata sind 59 Prozent der 902 im Jahr 2017 durchgeführten ICOs gescheitert oder stehen kurz davor.
Welche Schlüsse sollten Banken daraus ziehen?
Die Bankbranche sollte vor allem auf die Gründe schauen, aus denen viele Start-ups überhaupt den Weg eines ICOs wählen. Sie sehen darin einen scheinbar leichten Weg, um an Kapital zu gelangen, welches sie über eine reguläre Finanzierung nicht erhalten hätten. Die Banken sollten sich die Frage stellen, ob sie sich besser auf die Bedürfnisse und die speziellen Anforderungen von jungen Start-ups einstellen müssen. Einige Banken scheinen in einen Dornröschenschlaf versunken zu sein und haben nicht gemerkt, dass Science-Fiction die Gebrüder Grimm längst abgelöst hat. Dies ist kein Plädoyer dafür, dass Banken, Investoren und Start-ups Hals über Kopf auf den Zug – oder die Rakete – der ICO-Finanzierung aufspringen sollen. Es ist jedoch an der Zeit, gemeinsam mit der Aufsicht moderne Finanzierungslösungen zu entwickeln, die jungen Unternehmen Wachstum ermöglichen können – mit geringen regulatorischen Hürden auf der einen und hohen Sicherheitsstandards auf der anderen Seite.