Der Merkels alte Kleider

Guten Morgen, heute ist Donnerstag, der 12. August 2010 ! Chimerikannien: Parallele Wirtschaftsabschwächung in China, USA und UK macht die Anleger Risikoscheu Schwösterland: Schweiz, Österreich und Deutschland stemmen sich gegen den globalen Abschwung Währaktiensen: Währungsmärkte turbulent, Aktien schwächer, Zinsen niedriger Wie oft wechseln Sie Ihre Klamotten? Also bei uns daheim ist das klar geregelt: Montags…


Guten Morgen, heute ist Donnerstag, der 12. August 2010 !

  • Chimerikannien: Parallele Wirtschaftsabschwächung in China, USA und UK macht die Anleger Risikoscheu
  • Schwösterland: Schweiz, Österreich und Deutschland stemmen sich gegen den globalen Abschwung
  • Währaktiensen: Währungsmärkte turbulent, Aktien schwächer, Zinsen niedriger

Wie oft wechseln Sie Ihre Klamotten? Also bei uns daheim ist das klar geregelt: Montags gibt’s frische Socken, Dienstags ein gebügeltes Hemd, Mittwochs eine saubere Unterbüx und so weiter. Meine Frau bekommt dann Dienstags meine Socken, Mittwochs das Hemd… Wir haben uns diese Strategie von Angela Merkel abgeschaut: Unsere Bundeskanzlerin trug unlängst bei der Premiere von Richard Strauß‘ "Elektra" in Salzburg ein fliederfarbenes Kostüm. Der Boulevard stellte mit Entrüstung fest, dass Frau Merkel eben jenes Ensemble bereits bei der Erstaufführung von "Othello" im Jahre 2008 und im Jahr davor bei den Wagner-Festspielen in Bayreuth getragen hatte. Von Paris Hilton wissen wir, dass sie jedes Kleidungsstück nur einmal anzieht und danach über verschiedene Kanäle entsorgt. Vielleicht sollten wir die beiden mal gemeinsam zu Marks & Spencer schicken…

Das Pendant Angela Merkels an den Finanzmärkten sind die Anleiheinvestoren. Diese kaufen heute Bunds, genau so wie sie es auch schon letztes Jahr getan haben, und vorletztes Jahr, und vorvorletztes Jahr auch. Dass der Preis für die Anleihen (gemessen am Bund Future) viel schneller steigt als das allgemeine Preisniveau (zuletzt um 6-7% ggü. Vorjahr), scheint die Anleger dabei nicht zu stören. Mittlerweile kostet ein fliederfarbener Bund Future-Kontrakt mehr als 131 Euro – und beim Kauf gibt es weder Payback-Punkte noch einen Gutschein für den Besuch in einem Freizeitpark. Was ist der Grund für das plötzlich ins schier Unermessliche steigende Interesse an deutschen Bundesanleihen? Dazu müssen wir das Kleeblatt aus Deutschland, Österreich und der Schweiz verlassen und uns jenseits dieses Territoriums der Glückseeligen orientieren: In den USA schwächt sich der wirtschaftliche Aufschwung ab. Das kann jetzt ein ganz gewöhnlicher zyklischer Abschwung sein, beliebter sind indes Theorien mit landläufigen Bezeichnungen wie "Double Dip & Deflation" oder "Japan-Style". In China schwächt sich die Wirtschaft auch ab. Wachstumsraten der Volksrepublik südlich von 10% werden in der Weltgemeinschaft als Rezession wahrgenommen. In Großbritannien schwächt sich das Wachstum ebenfalls ab. Dies wurde im gestern veröffentlichten vierteljährlichen "Inflationsbericht" der Bank of England unmissverständlich dokumentiert.

Wie beim Boxkampf Stefan Raab gegen Regina Halmich stehen sich nun also gegenüber: USA, China und UK in der blauen Ecke (Regina), Deutschland, Österreich und die Schweiz in der fliederfarbenen Ecke (Stefan). Die Anleger geben ihre Wetteinsätze ab. Aktuell stehen die Quoten bei 1:1,20 für Regina und 1:2,30 für Stefan. Heißt: Wenn im Rest der Welt die Konjunkturentwicklung ins Straucheln gerät, werden wir uns davon nicht all zu lange abkoppeln können. Also, denken sich die Anleger, kann es nicht falsch sein, Bunds zu kaufen.

Die Devisenhändler wechseln täglich ihre Unterwäsche, weshalb es ihnen im Vergleich zu den Rentenhändlern ein wenig an Konstanz mangelt. Der Euro war so lange willkommen, wie sich die konjunkturellen Sorgen ausschließlich um die Vereinigten Staaten rankten. Mit China und Großbritannien nun im selben Boot, mutieren Konjunktursorgen zu einer allgemeinen Risikoscheu – mit der Folge, dass die Gemeinschaftswährung so viel Zuneigung genießt wie die Büx vom Vortag. Alleine gestern fiel EUR-USD in der Spitze um über 350 Stellen bis auf 1,2830. Gleichsam der Yen: In Japan gibt es keinen Abschwung, weil sich dort das Thema "Konjunkturzyklus" im Urteil der meisten Marktteilnehmer bereits seit 20 Jahren erledigt hat. JPY stieg gegenüber dem USD gestern kurzzeitig auf ein neues 15-Jahres-Hoch. In den Umkleidekabinen von Nippons Regierung gibt es daher nur ein Thema: Wann, wie, wo und mit wen sollen wir intervenieren?

Heute früh können sich die Märkte ganz allmählich beruhigen. Die Aktienfutures bauen ihre Verluste ab, EUR-USD berappelt sich auf 1,29 und USD-JPY auf 85,40. Die Anleger warten auf den Monatsbericht der EZB, die EWU-Industrieproduktion im Juni und – ganz wichtig – die wöchentlichen Jobless Claims in den USA. Während die heftigen Kursbewegungen von gestern nach einer "technischen Korrektur" schreien, wirkt die Gemütslage der Marktteilnehmer anfällig für eine weitere Eintrübung. Meine Kollegen freuen sich dennoch auf den heutigen Tag: Donnerstags darf ich duschen…

 

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Dies ist ein humoristischer Marktkommentar und keine Anlageberatung. Die Einschätzungen des Autors beruhen auf Informationen, die auf öffentlich zugänglichen, als verlässlich eingeschätzten Informationsquellen basieren. Weitere Informationen finden Sie im Disclaimer.
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Kornelius Purps
Fixed Income Strategist
Director
MRE4FI
UniCredit Research

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Kornelius Purps Corporate & Investment Banking
UniCredit Bank AG

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