„Die deutschen Banken tun sich schwer, eine nachhaltige Fintech-Strategie aufzubauen“

Die Auswahl- und Integrationsprozesse bei Bank-Fintech-Kooperationen dauern häufig viel zu lange. Das Softwareunternehmen Temenos hat daher einen digitalen Marktplatz geschaffen, um Banken und Fintechs zusammenzubringen, wie Dirk Emminger im Gespräch erläutert.


Dirk Emminger, Director Business Development bei der Temenos Deutschland GmbH
Dirk Emminger, Director Business Development bei der Temenos Deutschland GmbH

BANKINGNEWS: Trotz disruptiver Ideen und Produkte scheint der Fintech-Markt eher national zu funktionieren: Deutsche Fintechs bauen Lösungen für den deutschen Markt und kooperieren mit deutschen Banken. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen?

Dirk Emminger: Das sehe ich nicht ganz so schwarz und weiß. Wir haben in Deutschland durchaus international erfolgreiche Fintechs. Nicht jede Kooperation springt sofort ins Auge, wenn die Marketing- und Werbetrommel etwas zurückhaltender gerührt wird. Grundsätzlich können wir aber festhalten, dass die internationalen Fintechs – gerade aus dem B2B-Bereich – deutlich präsenter am Markt auftreten und es eher schaffen, große Themen zu bewegen. Die deutschen Banken tun sich hingegen weiterhin schwer, eine nachhaltige Fintech-Strategie aufzubauen.

Sie haben einen globalen Fintech-Marktplatz ins Leben gerufen. Welche Idee steht dahinter?

Wir haben zwei Dinge festgestellt: Zum einen wollen und können wir als Dienstleister nicht jedes Technologie-Nischenthema besetzen. Zum anderen haben Banken Probleme mit der technischen Anbindung, dem Betrieb und der Governance bei Kooperationen mit Fintechs. Nehmen wir das Beispiel Biometrie und Zugang: Wir können nicht zehn Experten für Fingerprint-Authentifizierung, zehn für Voice und zehn für Gesichtserkennung engagieren. Daher kooperieren wir mit einem Anbieter, der sich auf dieses Thema fokussiert. Wir kümmern uns darum, dass wir ihn sauber in unseren Marktplatz und in unsere Lösungen integrieren. Auch beim Accounting steht eine börsennotierte Firma wie wir natürlich bei den Banken höher im Kurs als eine 30 Mitarbeiter starke Firma ohne Track Rekord.

Sie beschreiben den MarketPlace als Ökosystem. Wer „lebt“ in diesem Ökosystem?

Auf der Anbieterseite rund 50 Dienstleister – das heißt Fintechs – mit über 100 Lösungen. Auf der Nachfrageseite unsere Kunden, also Banken. Wir bezeichnen es als Ökosystem, da wir durch Veranstaltungen und aktiven Austausch die beiden Parteien vernetzen und aktiv Lösungen in unseren Angeboten platzieren. Sucht etwa eine Bank in einer Ausschreibung nach einem Core Banking für Kryptos, nach einem Krypto-Trading-System oder einem Wallet-Anbieter, dann können wir das aktiv zusammen anbieten.

Kann theoretisch jedes Fintech dort seine Lösungen anbieten?

Über die Jahre haben wir einen strengen Auswahlprozess etabliert. Es gingen rund 900 Bewerbungen ein, wir haben mehr als 400 Interviews und über 200 Due Diligences durchgeführt, etwa 100 Fintechs sind im Onboarding-Prozess und 55 live auf der Plattform.

Vor einigen Jahren waren es die Payment-Fintechs, die wie Pilze aus dem Boden schossen. Was sind heute die Themen, denen sich die Start-ups widmen?

Themen wie Blockchain bzw. Distributed Ledger, Krypto Trading und Identity Management sind wohl die aktuellsten Themen, die in unserem MarketPlace vertreten sind. Spannend sind aber auch alle Fintech-Lösungen, welche die Bank neben der Bereitstellung einer Technologie auch bei Prozessen unterstützen. Aktuell konzentrieren sich viele Fintechs – unter anderem getrieben durch PSD2 und weitere Regularien – auf bestimmte Prozesse oder auf konkrete Produkte, wie etwa die Bereitstellung von Services oder Marktplätze für klassische Produkte.

„Der War for Talents wird weitergehen“

Immer mehr Banken gründen eigene Labs und Digitaleinheiten. Dreht sich der aktuelle Trend des Kooperierens bald in Richtung Selbstentwickeln?

Schwierig – schaut man hinter die Labs, sind es häufig Consultants aus großen oder mittelgroßen Beratungshäusern und Freelancer, die Lösungen in den Labs mit einer verhältnismäßig geringen Anzahl an eigenen Mitarbeitern entwickeln. Der Hintergrund dessen ist, dass die Ressourcen für eine vollständige Eigenentwicklung nur schwer am Markt zu finden sind – Stichwort „War for Talents“. Dieser wird in meinen Augen noch weitergehen. Eine vielversprechende Alternative ist der direkte Zugriff auf Lösungen über die Cloud.

Was ist die größte Herausforderung, wenn eine Bank mit einem Fintech kooperiert?

Vor allem die Öffnung gegenüber Dritten. Außerdem gestaltet sich der Auswahlprozess eines geeigneten Partners und seine Integration in die Systeme und Prozesse der Bank häufig sehr zäh. Da vergehen mitunter drei Jahre. Das ist natürlich viel zu langsam.