„Azubis eng in den Arbeitsalltag einbinden“

In vielen Fällen versagt jede Theorie, sobald sie Anwendung im praktischen Szenario finden muss. Um diesen Umstand zu verhindern, fährt die Santander Consumer Bank das Modell der Azubi-Filiale. Im Gespräch erläutert Nicole Hamacher, HR Generalist Talent & Qualification, die Hintergründe des Modells.


Früh übt sich: Eine Woche lang erhalten ausgewählte Auszubildende der Santander Consumer Bank die Möglichkeit, die Geschicke einer Filiale zu leiten. Sie beraten Kunden, machen Abschlüsse und müssen in dieser Zeit ihr Haus repräsentieren.

BANKINGNEWS: Im März 2015 beschrieb die Santander Consumer Bank in einem Gastartikel das Projekt „Azubi-Filiale“. Handelte es sich hierbei um ein Experiment oder was steckte genau dahinter?

Nicole Hamacher: Wir legen viel Wert darauf, unsere Auszubildenden während der Ausbildung möglichst eng in den Arbeitsalltag und -ablauf einzubinden. Konkrete Projekte sind da eine gute Möglichkeit. Die Idee zur Azubi-Filiale entstand bereits 2014 aus der Überlegung heraus, den Auszubildenden ein Projekt anzubieten, bei dem sie möglichst eigenverantwortlich arbeiten können. Nach einer intensiven Vorbereitungs- und Recherchephase startete die Azubi-Filiale dann zunächst als Pilot. Vor dem damaligen Start waren wir natürlich besonders gespannt auf die Resonanz. Nachdem wir von allen Beteiligten durchweg positives Feedback erhielten, entschlossen wir uns dann dazu, das Projekt fortzusetzen.

Bis jetzt reagierten unsere Kunden immer positiv

Ihre Auszubildenden erfuhren durch dieses Projekt einen sehr großen Vertrauensvorschuss. Hatte Ihr Haus überhaupt keine Bedenken, dass man die jungen Leute eventuell zu früh ins kalte Wasser wirft oder die Kunden das Modell nicht tolerieren?

Nein, so völlig ins kalte Wasser möchten wir weder unsere Kunden noch unsere Auszubildenden werfen. Das Projekt wird deshalb von Azubis aus dem zweiten und dritten Lehrjahr betreut, die schon ihre ersten Erfahrungen mit dem Kunden und dem Filialleben gemacht haben. Doch damit nicht genug: Vor dem Projekt wird das Projektteam auf ein fünftägiges Intensivseminar in unserem Schulungscenter in Krefeld geschickt. Hier erhalten sie von unseren Schulungsleitern eine intensive Vorbereitung, die auch unseren neuen Filial-Mitarbeitern zuteil wird. Zusätzlich steht der Filialleiter jederzeit vor Ort für Rückfragen der Auszubildenden zur Verfügung. Dies hat nicht nur den Vorteil, dass er seine Kundschaft bereits kennt, sondern die Azubis stehen im Fall der Fälle auch nicht ganz alleine da. Am Tag der Eröffnung wird die Filiale mit entsprechenden Plakaten, Tischaufstellern und Informationen bestückt. Die Kundschaft wird zusätzlich beim Betreten der Filiale direkt angesprochen und auf die besondere Situation hingewiesen. Bis jetzt reagierten unsere Kunden immer positiv.

Nach welchen Kriterien wählen Sie die Mitarbeiter aus, die für eine Woche die Kontrolle über eine Filiale übernehmen?

Das Projekt wird ausgeschrieben und die Bewerbungen, die wir erhalten, prüfen wir natürlich gründlich. Wir schauen uns die Schulnoten der Bewerber an und holen uns auch Feedback bei den Vorgesetzten ein. Eine aufgeschlossene und freundliche Art sowie ein gewisses vertriebliches Talent sind dabei natürlich von Vorteil.

Ende des letzten Jahres haben Sie das Modell erneut in Oberhausen gefahren. Ihr Vorstand Ulrich Leuschner lobte das eigenständige und motivierte Arbeiten der jungen Kollegen. Sehen Sie darin auch die Stärke des Modells, dass Auszubildende auf positive Art und Weise in die Verantwortung genommen werden?

Absolut. Die angehenden Mitarbeiter entscheiden erstmalig vollkommen selbstständig und alleine. Dabei agieren sie so selbstständig wie unsere ausgebildeten Mitarbeiter in unseren Filialen und genießen den Wissensaustausch untereinander. Lediglich kurz vor Vertragsabschluss prüft der Filialleiter noch einmal abschließend den Vertrag und nimmt den Abschluss dann gemeinsam mit den Lehrlingen vor.

Stagniert der Vertrieb nicht etwas, wenn Kunden ausschließlich von „jungen Leuten“ beraten werden, oder interessieren Sie diese Zahlen womöglich in dieser Zeit gar nicht?

Durch die intensive Vorbereitung im Schulungscenter ist das Azubi-Team schon mit sehr gutem Handwerkszeug ausgerüstet. Neben der vorherigen Schulung bereiten sie ihre Woche in der Filiale vorab weiter vor. Zum Beispiel machen sie mit Kunden bereits im Vorfeld telefonisch Termine aus und laden sie in die Filiale ein – ihre Woche ist damit ziemlich durchgeplant. Dennoch wird natürlich in dieser Woche nicht so streng auf die Zahlen geschaut.

Einhellig positives Feedback der Azubis erhalten

Wie ist das Feedback der Auszubildenden?

Wir haben seit der Pilotphase einhellig positives Feedback von allen Azubis erhalten. Dabei genießen die Auszubildenden besonders das eigenständige Entscheiden und den Austausch untereinander. Sie sind alle an verschiedenen Standorten tätig und der gemeinsame Einsatz fördert den weiteren Ausbau des Wissens- und Erfahrungsschatzes. In einem sind sich alle einig: Die Woche vergeht wie im Flug und ist eine besonders aufregende, spannende aber auch intensive Zeit. Der Besuch des Vorstands, der Vertriebsdirektoren und der Presse sind natürlich ein besonderes Highlight für die Auszubildenden. Die Schulungen im Vorfeld und die Woche in der Filiale schweißen die Gruppe dann innerhalb kürzester Zeit zu einem gut funktionierenden Team zusammen.

Wir werden das Projekt definitiv fortführen

Was plant Ihr Haus für die nähere Zukunft in Bezug auf das Thema Ausbildung?

Wir haben mit dem Projekt der Azubi-Filiale so positive Erfahrungen gemacht, dass wir dieses auch in den kommenden Jahren fortführen möchten. Ein weiteres neues Angebot für unsere Auszubildenden ist das sogenannte Prüfungs-TV – eine eLearning-Plattform auf Videobasis, mit deren Hilfe sich unsere Auszubildenden auf ihre bevorstehenden Abschlussprüfungen vorbereiten können. So können sie nicht nur bereits vorhandenes Wissen vertiefen, sondern sich auch bei Problemfächern einfach Hilfe holen. Zudem bieten wir unseren Auszubildenden derzeit noch unser Projekt „Doing Business“ an. Dabei erhalten drei Azubis die Möglichkeit, in London ein College zu besuchen. Auf dem Stundenplan steht europäische Bankgeschichte und englische Wirtschaft. Zusätzlich vertiefen sie ihre Englischkenntnisse, was für das künftige Arbeitsleben nur von Vorteil sein kann.