Aktuelle empirische Studien mit einer hohen repräsentativen Güte, etwa seitens des Fraunhofer Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation, weisen darauf hin, dass neben der Bewältigung der gegebenen und zumindest in Europa noch länger anhaltenden Niedrigzinsbedingungen auch die Notwendigkeit einer forcierten Digitalisierung und einer Erfüllung regulatorischer Maßgaben die Banken vor große Herausforderungen stellen. Diese anwendungsbezogenen Forschungsergebnisse decken sich vollauf mit den unmittelbaren Rückmeldungen aus der Praxis. Aus Sicht sowohl der empirischen Bankforschung als auch der Bankpraxis ist dabei zudem der Aufbau veränderter Geschäftsbereiche (u.a. für die immer dominanteren mobilen bzw. Multikanal-Banking-Funktionen) sowie die Realisierung neuer Projekte für das Risikomanagement und die Fraud-Prophylaxe von Bedeutung. Letztere Projekte bringen wiederum einen hohen Aufwand für die Anpassung der in Banken oftmals „historisch gewachsenen“ und veralteten IT-Systeme mit sich. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Analysten für das deutsche Bankwesen mit seiner vergleichsweisen hohen Anbieterdichte für zukünftige Zeiträume von erheblichen Ergebnislücken ausgehen, die sich auch durch Kostensenkungen und einen (sozialverträglichen) Stellenabbau nicht hinreichend kompensieren lassen.
Zukunftsgestaltung durch unternehmerisches Handeln – Fintechs als Ansporn
Diesen strukturellen Anforderungen mit Fusionen zu begegnen, ist eine von mehreren sinnvollen und derzeit in der Bankenlandschaft auch verstärkt genutzten Handlungsmöglichkeiten. Fusionen sind allerdings kein „Allheilmittel“, sondern ein genuin unternehmerischer Akt, der nach eigenem Ermessen nur durch die Berücksichtigung zusätzlicher strategischer Parameter einen langfristigen Nutzwert erbringen kann. Dabei sollten beispielsweise potentielle Konkurrenten in Form von Direktbanken, Fintechs und vergleichbaren Wirtschaftsakteuren weniger als „Bedrohung“, sondern vielmehr als unternehmerischer Ansporn gesehen werden. Diese Akteure bieten insbesondere innovative Lösungen für den Zahlungsverkehr, die aber – ein entsprechendes technologisches Bewusstsein und die Bereitschaft zur Modernisierung der IT-Infrastruktur (s.o.) vorausgesetzt – auch von „klassischen“ Banken erbracht werden können. Selbst bei einer weitergehenden „Besetzung“ des Bereiches Zahlungsverkehr durch Fintechs muss dies kein zu dramatisierender Nachteil sein, da sich dann Banken wiederum stärker ihren Kernkompetenzen widmen können. Und genau hierin liegt, unternehmerisch-strategisch betrachtet, die Zukunft. Diese Kompetenzen umfassen nicht nur die qualifizierte Vermögens- und Anlageberatung, wie sie in Zeiten eklatanter Niedrigzinsen umso wichtiger wird, sondern – sofern es dem gesetzten Tätigkeitsprofil der Bank entspricht – ebenso eine fachlich versierte Beratung von Mittelständlern und Firmenkunden „vor Ort“. Bei solchen Leistungsangeboten besteht berechtigter Grund zu der Annahme, dass eine Substitution durch Fintechs nicht stattfinden wird. Dabei können, organisatorisch repräsentiert durch Filialen, auch die Nähe zum (potentiellen) Kunden und die Vertrautheit mit den regionalen Gegebenheiten entscheidende Wettbewerbsfaktoren darstellen. Allerdings wäre es eine trügerische Hoffnung, von einer weitgehenden Aufrechterhaltung von Bankfilialnetzen auszugehen.
Keine Substitution, aber Handlungsnotwendigkeiten
Gerade der jüngere Kundenkreis und als „Digital Natives“ zu charakterisierende Kunden suchen Filialen nur selten auf. Dies darf aber nicht bedeuten, dass selbst Core-Filialen irgendwann überflüssig werden – vielmehr ist das Gegenteil der Fall: Diese Filialen werden sogar an Bedeutung zunehmen, sofern es ihnen gelingt, das strategische Tandem aus Nähe zum Kunden und neuen Produkten/Services zu nutzen, durch die tatsächlich Bedürfnisse gedeckt oder geweckt werden. Zu denken ist neben der qualitativ hochwertigen Beratung mit einem versierten Kundenbeziehungs-Management beispielsweise auch an die gezielte Integration von Formaten wie „Hackathons“ in das Filialbanking. Ein „Weiter so“ im von zunehmender Margenerosion betroffenen Standardgeschäft würde hingegen in letzter Konsequenz selbst die besten Filialen unangenehm tangieren.
Banking in Deutschland und international ist trotz aller Belastungs- und Risikofaktoren keine Rolltreppe, auf der alle nach unten fahren. Viele qualifizierte Bank- und Finanzdienstleistungen sind nicht substituierbar und werden auch zukünftig ein integraler Bestandteil des Wirtschaftslebens (Private, Unternehmen) sein. Allerdings werden sich die Marktverhältnisse merklich ändern und jene Häuser, die sich dem Anpassungsdruck entziehen wollen, werden mittelfristig zu den Verlierern gehören. Durch die im Vergleich zu früheren Zeiträumen höhere Wechselbereitschaft von Bankkunden (Abwanderung zu anderen Banken und Alternativanbietern) kann diese Entwicklung noch verschärft werden, wobei der Grad einer solchen Verschärfung natürlich von weiteren Faktoren wie der Leistungsstärke und Gebührenstruktur der jeweiligen Bank abhängen dürfte. Umso wichtiger ist für Entscheidungsträger in Banken eine frühzeitige und zukunftsweisende strategische Weichenstellung.