BANKINGNEWS im Interview mit Kai Pfersich

Das Buch „Neustart Bank“ beschäftigt sich im Kern mit einem Bauplan für mehr Beratungsqualität im Bankgewerbe und könnte nicht besser in die aktuelle Zeit hineinpassen, in der die Banken aufgerufen sind deutlich am Image in der Bevölkerung zu arbeiten. BANKINGNEWS: Herr Pfersich, die Ideen zu Ihrem Buch sind vor der Finanzkrise entstanden, kommt dem Start…


Das Buch „Neustart Bank“ beschäftigt sich im Kern mit einem Bauplan für mehr Beratungsqualität im Bankgewerbe und könnte nicht besser in die aktuelle Zeit hineinpassen, in der die Banken aufgerufen sind deutlich am Image in der Bevölkerung zu arbeiten.

BANKINGNEWS: Herr Pfersich, die Ideen zu Ihrem Buch sind vor der Finanzkrise entstanden, kommt dem Start des Buches die Krise gelegen?

Pfersich: Die Ideen sind konkret in den letzten 12 Monaten entstanden, da war die Finanzkrise schon absehbar. Die damit verbundene berechtigte Kritik an den Banken wie auch die populistische Häme waren ein starker Impuls, das Buch tatsächlich zu schreiben. Der vorläufige Höhepunkt in diesen Tagen hilft meinem Buch, sind doch alle Beteiligten sensibel und suchen nach Lösungen.Sollte sich die Krise zur echten Banken- und Währungskrise entwickeln, geht das Buch eventuell in der dann entstehenden Panik unter. Aber ich bin sehr optimistisch: Immer mehr Bankmitarbeiter, deren Führungskräfte und auch die Kunden suchen einen neuen Weg der Kooperation. Und den gibt es!

BANKINGNEWS: Ihr Buch mahnt zur Rückkehr zu einer kundenorientierten Beratung, die Krise mahnt die Banken zu organisatorischen Veränderungen und die Politik fordert mehr Transparenz und neue Gesetze. Denken Sie nicht, da kommt bei den Banken die Veränderung der Beratungsleistung derzeit an letzter Stelle?

Pfersich: Die Beratungsleistung ist bei allen (Vertriebs-)Banken in der Fläche die zentrale Kernleistung. Sie muss daher parallel zu den organisatorischen Veränderungen schnell weiterentwickelt werden. Produkte und Dienstleistungen kommen standardisiert aus den Bankfabriken, die Vertriebsbanken produzieren dagegen rentable Kundenbeziehungen. Und das geht in Zukunft nur mit einem neuen Verständnis der Dienstleistung „Beratung“. Die Banken tun aus meiner Sicht gut daran, endlich selbst einen großen Schritt nach vorne zu gehen, anstatt sich vom Gesetzgeber mittels „MiFID-2“ dazu zwingen zu lassen.

BANKINGNEWS: Sie fordern die Banken auf, wieder zum Start zurückzukehren und sich wieder auf die Tugenden zu besinnen, die dem Kunden zum Erfolg verhelfen. Die quirin bank AG geht derzeit mit der flächendeckenden Einführung der Honorarberatung einen solchen Weg. Aber es ist kein Spaziergang für die Bank. Können sich die anderen Banken vor diesem Hintergrund überhaupt einen Neustart leisten?

Pfersich: Stimmt, das ist erstmal kein Spaziergang. Daher wird der entscheidende Schritt von einer großen Bank oder Bankengruppe getan werden müssen. Ein relativ kleines Institut, noch dazu ein Newcomer, bleibt vermutlich in der Nische limitiert. Die Frage ist nicht, ob die Banken sich einen Neustart leisten können, die Frage ist: Können sie es sich leisten, auf ihn zu verzichten. Das „weiter so“ ist seit Anfang Oktober 2008 endgültig zur Sackgasse geworden.

BANKINGNEWS: In Ihrem neuen Buch geht es im Kern um die wirksame Beratung. Können Sie in wenigen Sätzen die Kernidee dieser Art von Beratung skizzieren?

Pfersich: „Beratung“ wird in meinem Konzept zur professionell entwickelten und gestalteten Dienstleistung der Vertriebsbanken. „Wirksame Beratung“ ist nach meiner Definition eine Dienstleistung, die eine positive Wirkung auf den Kunden, den Vertriebsmitarbeiter sowie die Bank hat. Vergleichbar mit der Geldanlage besteht ein magisches Dreieck: Dieses Dreieck der wirksamen Beratung (Kunde-Vertriebsmitarbeiter-Bank) muss im Dialog immer wieder neu gestaltet werden. Das geschieht in Zukunft über die verschiedenen Beratungsmodule – genauso wie ein Anlageberater im Konflikt zwischen Sicherheit, Liquidität und Rentabilität den im jeweiligen Fall richtigen Anlagevorschlag entwickelt. „Beratung“ ist also zuerst eine strategische Managementaufgabe der Bank, dann erst eine Tätigkeit am Bankschalter.
Zum Hintergrund:
Beratung ist zunächst eine immaterielle und integrative Dienstleistung: Nicht anzufassen, nicht zu lagern und nur mit der Kooperation des Kunden zu erbringen. Daraus folgt, dass es erstens eine Anzahl konkreter
(konstituierender) Merkmale geben muss, mittels derer Bankkunden die Dienstleistung sinngemäß „anfassen“ können. Heute ist in Banken nicht einmal der Unterschied zwischen „informieren“ und „beraten“ definiert. Und „verkaufen“ löst ebenfalls Klischees und beliebige Interpretationen aus.
Zweitens erfordert die Erbringung einer Dienstleistung den absoluten Willen zur Bestleistung, und zwar genau in dem Moment, wenn Kunde und Berater im Gespräch sind. Vergleichbar mit einer Theateraufführung, wenn sich der Vorhang hebt. Diese Erkenntnis ist trivial, und man ist entsetzt, hört man sich in diesen Wochen bei Vertriebsmitarbeitern von Banken um: Demotivation und Frust über den Vertriebsdruck sowie den herrschenden Führungsstil verhindern in mancher Bank die Erbringung einer Top-Beratungsleistung. Und drittens müssen wir Banker ganz neu mit unseren Kunden über deren notwendige Kooperation sprechen. Wir können nur so gut sein, wie Kunden als Co-Produzenten der Beratungsleistung mitmachen. Banken sind in diesen Wochen dabei, das letzte Stück Vertrauen zu verspielen. Denken Sie nur an den Verkauf der angeblich sicheren Zertifikate. Das Kapitel 3.1. meines Buches wendet sich daher direkt an den Bankkunden.

BANKINGNEWS: Nun sind Sie nicht der Erste mit der Idee, Beratung in Banken zu verändern. Banken haben in den letzten Jahrzehnten Millionen von Euros für Berater in diesem Themenfeld ausgegeben. Warum soll nun ausgerechnet Ihr System von Banken angenommen und vor allem umgesetzt werden?

Pfersich: Weil es das erste Konzept ist, das über 27 Arbeitsfelder alle Aspekte der „Beratung“ systematisch verbindet. Viel Gutes in den Banken ist in der Vergangenheit verpufft, da nicht alle 27 Arbeitsfelder berücksichtigt wurden. Vergleichbar mit dem Bau eines Hauses: Fehlt nur eine tragende Säule, stürzt die Decke ein. Die Gesetze der Statik kann man nicht ignorieren, man kann nur mit ihnen umgehen. Gerade in der Umsetzung ist der komplementäre Ansatz völlig neu.

BANKINGNEWS: Transparenz von Provisionen und sonstigen Gebühren kombinieren Sie mit einem Beratungshonorar je nach Beratungsmodul und empfehlen, einen Teil der Gebühren an den Kunden auszuschütten. Auch hier scheint die quirin bank den radikaleren Weg eingeschlagen zu haben. Dort werden alle Provisionen an den Kunden rückvergütet. Warum dieser Mittelweg?

Pfersich: Ich finde den Weg der quirin bank sehr sympathisch, und er ist sicher für diese Bank der richtige Weg. In meinem Konzept lasse ich jeder Bank die Möglichkeit, individuell für ihr Geschäftsmodell, ihre Kundenstruktur und ihre bilanziellen Voraussetzungen den für sie richtigen Weg zu finden.
Radikal, ohne jeden Mittelweg hingegen ist mein Anspruch an die Transparenz der Preismodelle. Das fängt damit an, dass jede Bank die Preise trennt: Hier die Preise für Produkte und Prozesse und dort die Preise für die Beratung, das Financial-Engineering für den Bankkunden. Heute werden die Preise im Grunde „verschleiert“.

BANKINGNEWS: Sie glauben, dass die Bankkunden die Beratungsleistung der Banken bezahlen werden? Bisher sind alle Versuche in der Breite schnell wieder gescheitert, die Bankkunden wollen Beratung in Banken nicht bezahlen. Wieso sollten sie das in Zukunft tun?

Pfersich: Richtig, ein immer noch großer Teil der Bankkunden will die Beratungsleistung nicht bezahlen. Das will ich selbst, Stand heute, auch nicht. Ist doch die Beratungsleistung weder definiert, noch das Preismodell transparent. Und eine Kontrolle über erbrachte Qualität existiert nicht.
Erst, wenn diese Fragen aus Kundensicht befriedigend geklärt sind, werden Kunden mehrheitlich bereit sein, ein Beratungshonorar zu bezahlen. In meinem Buch gehe ich intensiv auf das Thema „Preise“ ein und entwickle einen praxisnahen Weg für Banken. Darüber hinaus zeigen aktuelle Umfragen, dass bereits heute nahezu die Hälfte aller Bankkunden bereit ist, unter Umständen einen Preis für Beratung zu bezahlen. Es liegt an den Banken, für diese „Umstände“ zu sorgen.

Das Interview führte Thorsten Hahn, Herausgeber der BANKINGNEWS.

Kai Pfersich ist selbstständiger Berater, Coach und Trainer
für firmenspezifische Vertriebsentwicklung mit langjähriger
Erfahrung im Bereich der Banken und Sparkassen. Darüber
hinaus ist er Gastdozent an der Hochschule Liechtenstein
für den Bereich Wealth Management.

Kai Pfersich – Neustart Bank
Vertrauen. Fachkompetenz. Fairness. Ein Bauplan für Beratungsqualität.
ISBN 978-3-86556-182-4
190 Seiten
44,00 EUR
Bank-Verlag Medien, Köln

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