„Bei Nachhaltigkeit geht es vor allem um andere“

Geschäftsführer der Steyler Bank, Norbert Wolf, erläutert im Gespräch u.a. das angebotene Anlageuniversum und thematisiert die sozialen Projekte der Bank sowie die Auswirkungen der andauernden Niedrigzinsphase auf ihr Geschäftsmodell. Interview: Thorsten Hahn


Norbert Wolf ist Geschäftsführer der Steyler Bank GmbH. Seit seiner Berufung zum Geschäftsführer im Jahr 1997 schärfte er das Profil der Steyler Ethik Bank als nachhaltiges Finanzinstitut. Unter seiner Führung wandelte sich die Bank zu einem modernen Finanzdienstleister, der die gesamte Palette von Bankdienstleistungen anbietet – vom Girokonto, über die Geldanlage und Baufinanzierungen, bis hin zur professionellen Vermögensverwaltung.

BANKINGNEWS: Ethikbanken und kirchliche Kreditinstitute mit ethischem Geschäftsmodell gibt es schon seit Jahrzehnten. Die Steyler Bank existiert bereits seit 1964. Wie erklären Sie sich die Popularität von nachhaltigen Finanzdienstleistungen in den letzten Jahren?

Norbert Wolf: Diese Popularität findet sich in erster Linie in der Berichterstattung der Presse. Im professionellen Investmentbereich hat das Interesse an Nachhaltigkeit zwar auch enorm zugenommen, in der privaten Anlage jedoch eher weniger. Das Thema Nachhaltigkeit rückt aber insbesondere durch den Gesetzgeber in Form von beauftragten Studien oder den von großen Unternehmen geforderten Nachhaltigkeitsberichten immer stärker in den Fokus.

Wer sind die Kunden der Steyler Bank?

Unsere Kunden kommen schwerpunktmäßig aus dem katholischen Milieu. Das hat natürlich auch mit unseren Gesellschaftern und unserem eigenen Hintergrund zu tun. Die Steyler Missionare sind im katholischen Umfeld eine bekannte Ordensgesellschaft mit vielen Freunden und Förderern – daraus rekrutieren sich auch die Kunden der Steyler Bank. Unser Kunde ist typischerweise etwas älter, häufig über 50, und in der Regel vermögender als der typische Genossenschaftsbankkunde. Vor allem in den letzten Jahren ist unser Kundenstamm um viele überwiegend nachhaltigkeitsorientierte Kunden ohne christlichen Hintergrund gewachsen. Diese Kunden verbindet jedoch ein Wertegerüst, das mit unseren christlichen Werten sehr gut vereinbar ist. In dieser Hinsicht ist ein kleiner Wandel zu erkennen.

Das Zahlungskontengesetz (ZKG) hat sich geändert. Seit Dezember 2016 müssen Banken Kunden dabei unterstützen, wenn sie ihr Konto wechseln möchten. Hat dieser Wegfall von Bürokratiehürden dazu geführt, dass die Kunden jetzt schneller und leichter zu Ihnen kommen?

Das kann ich leider nicht bejahen. Das ZKG mag den Kunden den Bankwechsel erleichtert haben, aber wir haben davon nichts bemerkt. Ich denke, dass die Kunden, die zu uns kommen, sich bewusst dazu entschieden haben, egal ob es Erleichterungen gibt oder nicht.

„Das Eigenkapital arbeitet für die Menschen“

Inwiefern unterscheidet sich die Steyler Bank von Ethikbanken wie der GLS Bank und anderen Kirchenbanken wie der Pax-Bank?

Das kommt auf die Perspektive an: In Bezug auf unsere Gesellschafter sind wir einzigartig. Wir haben einen Hauptgesellschafter – das ist die katholische Ordensgesellschaft der Steyler Missionare, formaljuristisch in Form einer gemeinnützigen GmbH. Das Eigenkapital, was hier liegt, arbeitet aber nur formell für den Gesellschafter. Tatsächlich arbeitet es für die Menschen, denen die Missionare weltweit zur Verfügung stehen. Und das ist ein gravierender Unterschied zu allen anderen Mitbewerbern. Bei uns geht es nicht darum, dass das Eigenkapital für jemanden mehr Geld erwirtschaftet, sondern wohin das erwirtschaftete Geld fließt – nämlich in unsere sozialen Projekte.

Ist das Ihren Kunden bewusst und auch wichtig?

Der Slogan unserer Bank ist: „Wo Geld Gutes schafft“. Ich hoffe doch, dass diese Botschaft bei unseren Kunden auch ankommt, denn das ist für uns ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal. Wenn ein Kunde mit uns Anlagegeschäfte betreibt und dafür auch die ein oder andere Provision bezahlt, dann kann er sicher sein, dass der nach Abzug der Kosten erzeugte Gewinn in soziale Projekte fließt.

Dann haben Sie hoffentlich mit Ihrem Gesellschafter nicht den gleichen Zwist wie die Stadtsparkasse Düsseldorf mit dem Oberbürgermeister.

Ganz im Gegenteil. Unser Gesellschafter weiß schließlich genau, dass wir als Bank auch ein Fundraiser sind. Auf der einen Seite möchten wir für professionelles Banking und gute sowie nachhaltige Vermögensanlagen stehen. Auf der anderen Seite steht das Fundraising. Denn wir haben auch Kunden, für die Geld keine große Bedeutung mehr hat, die sich aber sicher sein wollen, dass mit diesem Geld etwas Gutes getan wird.

„Ein Missionar ist oftmals gleichzeitig Zahnarzt oder Augenoptiker“

Was sind denn typische Projekte, in denen sich die Steyler Missionare engagieren?

Norbert Wolf besuchte im Februar 2017 den Unterricht der Steyler Schule in Muvalia im indischen Bundesstaat Gujarat, die 470 Schulkindern den Zugang zu Bildung ermöglicht.

Unsere sozialen Projekte finden in viele Sektoren statt. Ein Missionar ist auch immer ein Seelsorger: Er hat die Priesterweihe empfangen, das Gelübde der Armut abgelegt und ist daher natürlich vor allem dort tätig, wo eine Ortskirche unterstützt oder erst noch etabliert werden muss. Die Steyler Missionare sind in über 80 Ländern unterwegs und betreiben dort vielfältige soziale Projekte wie die Verbesserung von Landwirtschaft, Gesundheit und Ausbildung. Ein Missionar ist auch oftmals gleichzeitig als Zahnarzt oder Augenoptiker tätig. Im indischen Indore zum Beispiel befindet sich neben dem Missionshaus auch eine Zahnklinik. Dort habe ich selber schon auf dem Zahnarztstuhl gesessen und wurde von einem unserer Missionare behandelt. In Nsawam in Ghana ermöglichen wir in dem von uns gegründeten Orthopedic Training College jährlich über 6.000 Kindern eine orthopädische Behandlung und haben die Zahl der Ausbildungsplätze von 31 auf 60 erhöhen können.

„Es geht um die nächste Generation“

Nachhaltigkeit wird je nach Ethikbank sehr unterschiedlich definiert. Was bedeutet der Begriff für Sie?

Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit benutzen wir die Schlagwörter „Bewahrung der Schöpfung“, „Frieden“ und „Gerechtigkeit“. In diesen Begriffen findet sich meiner Meinung nach vieles wieder, wofür wir stehen. Bei Nachhaltigkeit gibt es aber auch immer einen Zukunftsaspekt, denn es geht dabei um die nächste Generation. Nachhaltigkeit hat gar nichts mit dir persönlich zu tun, es geht dabei vor allem um andere. Das wird leider häufig vergessen.

Kehren wir zurück zum Bankgeschäft. Sie legen auch eigene nachhaltige Fonds auf. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, welche Anlage Sie darin aufnehmen und welche nicht?

Die Basis für unser ethisches Anlageuniversum kommt von einer Nachhaltigkeitsagentur, die uns die Operationalisierung unserer Themen liefert. Wir schließen Geschäftsfelder, die dem Kriterium „Bewahrung der Schöpfung“ widersprechen, von vornherein aus. Das trifft zum Beispiel auf die Rüstungsindustrie zu. Dann sind noch Positivkriterien zu beachten. Es wird untersucht, wie progressiv Unternehmen sind und wie sie in Bezug auf soziale und ökologische Aspekte zu bewerten sind. Dort hat man einen Best-in-Class-Ansatz entwickelt, durch den sozusagen die besten Unternehmen einer Branche ausgewählt werden. Und so ergibt sich bei uns ein Anlageuniversum, das etwa 500 Unternehmen umfasst. Zum Schluss können der Aktienfondsmanager oder der Rentenfondsmanager schließlich die finanziellen Kriterien anwenden.

„Es gibt weltweit kein vollkommen nachhaltiges Unternehmen“

Bei einem Rüstungsunternehmen wie zum Beispiel Heckler & Koch ist der Fall ziemlich eindeutig. Aber wie sieht es bei einem Unternehmen wie Daimler aus, das klar in der Automobilbranche zu positionieren ist, aber darüber hinaus noch zahleiche Verflechtungen besitzt. Wie trennscharf kann man so ein Unternehmen bewerten?

Wir haben damals Daimler ausgeschlossen als noch die EADS-Beteiligung bestand. Mittlerweile hat der Bund die EADS-Beteiligung bei der KfW geparkt. Das Thema Rüstung ist also bei Daimler raus. Es bleibt die Frage: Kann man die Automobilindustrie als nachhaltig bezeichnen? Diese Frage ist schwer zu beantworten, denn in der Automobilindustrie findet im Moment ein gewaltiger Transformationsprozess statt. Wir möchten in Unternehmen investieren, deren Produkte den Menschen einen Nutzen bringen und ihnen ein gutes Leben ermöglichen – die also das Leben nicht zerstören, sondern darauf positiv einwirken. Unserer Ansicht nach trifft das auf Autos zu. Eine Waffe dagegen ist ein Produkt, dessen Gebrauch sich eindeutig gegen das Leben richtet. Aber auch wenn die Automobilindustrie für uns investierbar ist, stellt sich trotzdem die Frage, wie das einzelne Unternehmen in Bezug auf Aspekte wie den Produktionsprozess sowie das Verhalten gegenüber Kunden, Mitarbeitern und Lieferanten zu beurteilen ist. Wir haben VW aus unserem Anlageuniversum ausgeschlossen, weil die aktuelle Situation dort sehr unerfreulich ist. Bei Daimler und BMW liegt der Fall anders: Die Vorwürfe gegen sie sind bisher nur spekulativ. Wenn Daimler und BMW wirklich in Korruption bzw. Kartellrechtsverletzungen verwickelt sind, werden wir uns damit beschäftigen müssen. Wir wissen allerdings, dass es weltweit kein vollkommen nachhaltiges Unternehmen gibt. Deswegen ist unserer Ansicht nach ein Konzept vorzuziehen, in dem man so wenige Branchen wie möglich ausschließt. Durch den Best-in-Class-Ansatz gibt man den Unternehmen einer Branche Anreize, Aspekte der Nachhaltigkeit stärker zu beachten. Wenn man sie komplett ausschließen würde, könnte dieser Prozess nur bedingt stattfinden.

Legen Sie diese Maßstäbe auch bei den von Ihnen angebotenen Fremdfonds an?

Dazu muss man zunächst wissen, wie wir zu unseren eigenen Fonds gekommen sind. Wir sind ein „unabhängiger Berater“ und wollen uns in der Beratung nicht von unseren eigenen Fonds dominieren lassen. Denn wir mussten schnell feststellen, dass unsere Vorstellungen von Nachhaltigkeit nicht immer eins zu eins umsetzbar waren. Bei uns finden sich aber nur Produkte, die in irgendeiner Form ein Nachhaltigkeits-Screening hinter sich haben. Wir verwenden vier harte Ausschlusskriterien für Fremdfonds: Rüstung, Atomkraft, grobe Menschenrechtsverletzungen und grobe Arbeitsrechtverletzungen. Wenn diese vier Kriterien nicht zutreffen und auch noch Positivkriterien beachtet werden, ist eine Aufnahme in unsere Fondsliste möglich. Schließlich entscheiden dann reine Finanzkriterien über den Mix im Portfolio.

„Nachhaltiges Investment bedeutet nicht gleich Renditeverlust“

Wie ist das Erfolgslevel Ihrer nachhaltigen Anlagen zu beurteilen? Müssen Ihre Anleger auf Rendite verzichten?

Meinen Erfahrungen nach bedeutet nachhaltiges Investment keinen Renditeverlust. Allerdings haben sich unsere Kunden ja bewusst für eine nachhaltige Anlage entschieden und erwarten deshalb auch nicht, auf allen Hochzeiten gleichzeitig tanzen zu können. Es kann natürlich vorkommen, dass unsere Anleger hin und wieder eine interessante Opportunität verpassen. Über einen Zeitraum von fünf Jahren betrachtet egalisiert sich das jedoch. Nehmen wir zum Beispiel das Deepwater-Horizon-Unglück, nach welchem der Kurs von BP enorm gefallen ist. Als Anleger in nachhaltige Anlagen bin ich davon nicht betroffen. Ich profitiere im Risikobereich davon und spüre die Verluste nicht. Andererseits bin ich aber auch nicht dabei, wenn der Boden erreicht ist und es wieder nach oben geht. Wenn man gut diversifiziert ist und 40 bis 60 Unternehmen im Portfolio hat, dann ist man als ethischer Investor immer auf der richtigen Seite.

Wie wirkt sich die Niedrigzinsphase auf das Geschäft der Steyler Bank aus?

Enorm. Ein wichtiger Teil unseres Geschäftsmodells ist schließlich, dass unsere Kunden ihre Zinsen spenden. Da sie im klassischen Einlagengeschäft gar keine Zinsen mehr bekommen, ist das aktuell nicht mehr möglich. Es sind zwar noch Altverträge zu berücksichtigen, aber im Grunde genommen ist das Neugeschäft in dieser Hinsicht tot. Witzigerweise ist das Volumen der Kunden, die sich dafür entschieden haben, ihre Zinsen zu spenden, sogar gestiegen.

„Viele Kunden sind auch unsere Fans“

Wie gehen Sie damit um, dass durch das Wegfallen dieser Zinsspenden auch weniger Spielraum für gemeinnütziges Engagement vorhanden ist?

Hier sind wir natürlich gefordert, kreativ zu sein. Eine unserer Überlegungen ist zum Beispiel, dass auch im Fondsgeschäft bestimmte Gewinne gespendet werden können. Die Zinsspenden fehlen natürlich trotzdem. Dieser Verlust wird aufgefangen durch gesteigerte Stiftungserträge sowie durch Nachlässe. Denn wir haben auch einige Kunden, die sich entschieden haben, uns im Todesfall das bei uns angelegte Vermögen zu spenden.

Haben Sie mit dem Gedanken gespielt, Negativzinsen für Privatkunden einzuführen?

Ich glaube, dass ich zu den ersten gehörte, die sagten, dass der Kunde eigentlich Negativzinsen zahlen müsste – aber das ist allein meine persönliche Meinung. Wir haben zu einem ähnlichen Thema eine Umfrage durchgeführt und unsere Kunden gefragt: „Könntet ihr euch vorstellen, auch einen Beitrag zu leisten?“ Die Umfrage ist zwar nicht repräsentativ, aber die Ergebnisse haben uns trotzdem sehr positiv überrascht. Da waren Kunden dabei, die sagten, dass sie kein Problem damit hätten, uns Beträge zwischen 500 und 1000 Euro zu spenden. Es gab natürlich auch den ein oder anderen, für den das nicht in Frage kam. Mir zeigte das aber, dass viele Kunden auch unsere Fans sind.

„Wir können nicht Treiber der Digitalisierung sein“

Eines der großen Buzzwords der heutigen Zeit ist „Digitale Transformation“. Wie wird das Thema in der Steyler Bank behandelt?

Als kleines Bankhaus können wir natürlich nicht einer der Treiber der Digitalisierung sein. Ich persönlich bin neuen technischen Entwicklungen gegenüber total offen. Da wir zum Rechenzentrum der Genossenschaftsbanken gehören, sind wir natürlich auch davon abhängig, was aus dieser Richtung auf uns zukommt. Wir arbeiten jedoch zurzeit mit der ADG Montabaur an der Implementierung einer Videoberatung. Da viele unserer Kunden nicht in unserer Region ansässig sind, kommt uns das sehr gelegen.

Wie sehen Sie die Zukunft der nachhaltigen Geldanlage?

Ich glaube, dass dieses Thema nicht mehr wegzudenken ist. Es beschäftigt nicht nur Banken, sondern auch Unternehmen, Städte und Kommunen. In meinen Augen ist Nachhaltigkeit für die jüngere Generation ein viel wichtigeres Thema, als das bei den alten Bossen der Fall war. Für diejenigen, die jetzt Führungsverantwortung übernehmen, hat Nachhaltigkeit eine völlig andere Bedeutung als für jemanden, der sich schon bald aus dem Berufsleben verabschieden wird. Das wird der Treiber sein: Wenn es immer mehr Unternehmen gibt, die das Thema Nachhaltigkeit von oben denken, kann es endlich richtig Fahrt aufnehmen.