Chance vertan!

Wann war ich das letzte Mal in einer Bankfiliale? Und vor allem, warum sollte ich? Ich habe doch meine App für die normalen Aktivitäten mit meiner Bank: Überweisungen, Kontostandsabfrage, Geldautomatensuche. Sicherlich ist innovativ in den letzten Jahren nicht viel passiert, es deckt aber meinen Grundbedarf. Anspruchsvoller werde ich, wenn es um komplexere Themen geht, zum…


Historisch niedrige Zinsen und der stete Wunsch, ein eigenes Haus zu besitzen, haben auch mich und meine Frau letztes Jahr diese Entscheidung fallen lassen. Nachdem das passende Objekt gefunden wurde, startet die Suche nach einer finanzierenden Bank. Um eine Kreditzusage fällen zu können, benötigen die Kreditinstitute bzw. die Vermittler eine Menge Unterlagen (Grundbuchauszüge, Kaufvertragsentwurf, Objektbilder, Grundrisse, Verbindlichkeiten, Gehaltsmitteilungen, etc.). Da man mehrere Angebote vergleichen sollte, habe ich für diesen Zweck einen Ordner mit vielen Unterordnern auf Google Drive angelegt und den Link jeweils für die Ansprechpartner der verschieden Institute freigegeben. Ja, ich hatte durchaus ein mulmiges Gefühl, Google meine Daten anzuvertrauen, aber mangels sicherer Alternative war das der bequemste Weg und wurde auch so angenommen.

Nach der Zusage und dem Kauf ging es dann in die Sanierung des Objekts. Da wir ohne Bauleiter oder Architekt selber alles geleitet haben, mussten mehrere Zahlungsabrufe beantragt werden, die ihrerseits ebenso eine Menge Nachweise gefordert haben (Rechnungen, Überweisungsbelege, Fotos).

Umständlich und unpersönlich

Leider bin ich mit meinem „Google-System“ gescheitert, da die Mitarbeiter meiner Bank keinen Zugriff auf das Internet hatten. Damit hätte ich im Jahr 2015 nicht gerechnet und musste somit auf die Variante E-Mail zurückgehen. Mit dem letzten Zahlungsabruf haben wir dann noch ein Abschlussschreiben bekommen, das war‘s.
Wir haben einem Unternehmen auf mindestens 15 Jahre unser Vertrauen ausgesprochen und uns fest gebunden. Und alles was kommt, ist ein unpersönliches Abschlussschreiben. Dabei hätte diese Bank soviel Potenzial, sich als wichtiger Partner für uns zu etablieren.

Ein Szenario

Auf der Suche nach einer finanzierenden Bank stoßen wir auf ein Portal eines bekannten Kreditinstituts, welches darauf aber nicht nur alleine agiert. Vielmehr ist es eine Plattform für Banken, Vermittler, Kunden und am Hausbau notwendige Gewerke – ein digitales Ökosystem sozusagen. Hier können wir bequem und sicher alle notwendigen Unterlagen bereitstellen, inklusive Statusanzeige, was noch fehlt und welche bereits bearbeitet und auch akzeptiert oder abgelehnt worden sind. Das System schlägt uns parallel Gewerbe für die notwendigen Arbeiten vor: natürlich alle verifiziert und von anderen Plattformnutzern bewertet und empfohlen. Auch der Austausch mit anderen Kunden ist möglich und schnell sind darunter die richtigen Experten identifiziert, die mit viel Engagement authentische und kompetente Hilfe bieten. Die sonstigen Finanzprodukte, die aufgrund unseres persönlichen Profils vorgeschlagen werden, empfinden wir nicht als Werbung sondern eher als gut gemeinten Hinweis (Rechtschutz, Haftpflicht etc.). Auch wir sind auf den Geschmack gekommen und teilen fleißig unseren Baufortschritt inklusive Bildern und Videos und überzeugen auch Bekannte und Freunde von diesem Portal. Woanders suchen, Preise vergleichen, skeptisch sein? Haben wir uns abgewöhnt. Wir fühlen uns wohl und vertrauen.
Das oben beschrieben Szenario bedient die drei Eckpfeiler der digitalen Transformation wie aus dem Lehrbuch: Disruption (Einbeziehung von portfoliofremden und neugedachten Dienstleistungen, Kunden-beraten-Kunden-Effekte), Plattform („the winner takes it all“) und Netzwerkeffekte (Empfehlungen).
Wir hätten uns über einen derartigen Service bei unserer Hausbank sehr gefreut.

Bildnachweis: yuriz via istockphoto.de

Lesen Sie auch

Fachbeiräte