Commerzbank erwartet Rezession – keine Zinssenkung im Oktober

 FRANKFURT (Dow Jones) – Von Herbert Rude – Die Commerzbank rechnet mit einer Rezession in der Eurozone im Winterhalbjahr. „Die Staatsschuldenkrise legt sich wie Mehltau über die Wirtschaft“, sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Bank, am Freitag in Frankfurt vor Journalisten. Die Frühindikatoren seien zuletzt eingebrochen, besonders der Einkaufsmanagerindex der Eurozone. Die Indikatoren dürften in den…


 FRANKFURT (Dow Jones) – Von Herbert Rude – Die Commerzbank rechnet mit einer Rezession in der Eurozone im Winterhalbjahr. „Die Staatsschuldenkrise legt sich wie Mehltau über die Wirtschaft“, sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Bank, am Freitag in Frankfurt vor Journalisten. Die Frühindikatoren seien zuletzt eingebrochen, besonders der Einkaufsmanagerindex der Eurozone. Die Indikatoren dürften in den kommenden Wochen wegen der Staatsschuldenkrise weiter fallen. Im vierten Quartal werde die Wirtschaftsleistung um 0,2% schrumpfen und im ersten Quartal 2012 um 0,1%. Für das gesamten Jahr 2012 erwartet die Commerzbank nun eine Stagnation, wobei Deutschland mit einem Wachstum von 0,8 Prozent an einer Rezession vorbeikommen soll.

Die Europäische Zentralbank EZB werde den Leitzins vermutlich bis April auf 1% senken, sagte Michael Schubert, Analyst der Commerzbank für die Geldpolitik. Die Inflationserwartungen gingen zurück, und die Risikowahrnehmung an den Märkten nehme stark zu. „Erwartungen an eine Senkung schon im Oktober dürften aber enttäuscht werden“, sagte er. Dafür werde sich im Direktorium der EZB noch keine Mehrheit finden, außerdem könnte die Glaubwürdigkeit bei einem Kurswechsel um 180 Grad innerhalb von nur drei Monaten weiter beschädigt werden.
Die Notenbank wird die angespannte Geldmarktversorgung der Banken im Oktober Schubert zufolge voraussichtlich erst einmal über einen Zwölfmonatstender lindern. Auch eine Wiederaufnahme der Käufe von so genannten Covered Bonds sei möglich. Ebenfalls denkbar sei eine Ausweitung des Leitzinsbandes mit einem Senken des Satzes für die Einlagenfazilität . Ein solcher Schritt dürfte aber von den Märkten als Zeichen der Uneinigkeit aufgefasst werden, weil er nach Kompromiss aussehe, meinte Schubert. „Mit allen diesen geldpolitischen wird aber nur Zeit erkauft“, so Schubert.
Krämer erwartet, dass beim Eindämmen der Risiken weiter der Weg zur Transferunion beschritten werden dürfte. „Dabei wird der Stress bis zum Jahresende wohl weiter steigen“, so der Chefvolkswirt. Der Rettungschirm müsse ausgeweitet werden, er sei für Käufe italienischer Bonds zu klein. Zugleich untergrabe aber die Skepsis in der Bevölkerung der Geberländer die langfristige Glaubwürdigkeit der Garantiezusagen. Die Nehmerländer sparten mit Ausnahme Irlands weniger als erhofft.
Die Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz Griechenlands nimmt Krämer zufolge zwar zu, zugelassen wird sie seiner Meinung nach aber nur dann, wenn die EZB in großem Stil Anleihen der anderen Schuldenländer kaufe. Das wiederum kollidiere damit, dass die EZB ihre Politik mit den deutschen Zielen versöhnen müsse, nachdem sie sich bereits mit Axel Weber und Jürgen Stark, zwei deutschen Gegnern großer Anleihenkäufe, überworfen habe. Langfristig, auf Sicht von fünf bis zehn Jahren, werde die Eurozone vermutlich in einer Kern-Euro-Union enden, meint Krämer.
Von Herbert Rude, Dow Jones Newswires, +49(0)69-29725217,
herbert.rude@dowjones.com

 

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