Compliance- und Risikomanager suchen organisatorische Vaskularität

Wie selten zuvor beschwören derzeit alle Beteiligten, dass Politik, Banken und Wirtschaft gemeinsame Sorge für den Finanzplatz Deutschland tragen. Das Einvernehmen bezüglich gemeinsamer übergeordneter Ziele war beim gerade zu Ende gegangenen 19. Deutschen Bankentag in Berlin, dem Treffpunkt der Spitzen von Politik und Wirtschaft aus dem In- und Ausland, deutlich zu erkennen. „Jeder trägt besondere…


Wie selten zuvor beschwören derzeit alle Beteiligten, dass Politik, Banken und Wirtschaft gemeinsame Sorge für den Finanzplatz Deutschland tragen. Das Einvernehmen bezüglich gemeinsamer übergeordneter Ziele war beim gerade zu Ende gegangenen 19. Deutschen Bankentag in Berlin, dem Treffpunkt der Spitzen von Politik und Wirtschaft aus dem In- und Ausland, deutlich zu erkennen.
„Jeder trägt besondere Verantwortung auf seinem Gebiet und jeder ist verpflichtet, die gemeinsame Verantwortung anzunehmen und wieder ein Gleichgewicht der Interessen herzustellen“, so formulierte es Bankenpräsident Andres Schmitz. An konkreten Maßnahmen hat es mit Blick auf die Kreditwirtschaft in der Tat bislang nicht gemangelt. Als Stichpunkte sind die neuen Kapital- und Liquiditätsregeln unter Basel III zu nennen, das Restrukturierungsgesetz mit Bankenabgabe, Kapitalaufschläge für systemrelevante Institute, europäische Stresstests, die Regulierung der Derivatemärkte oder neue Meldepflichten und nachhaltigere Vergütungsregeln.
 
Doch wer wüsste mehr über die Konsequenzen einer gesetzlichen Regulierungswut als die Compliance-Experten – als diejenigen, die regulatorische Initiativen adaptieren, umsetzen und überwachen müssen? Mittlerweile ist die Fülle neuer Regeln und die Art, wie diese möglicherweise zusammenwirken, ein ernsthaftes Problem für die gesamte Branche. Beispiel: Geldwäschebekämpfung. Immer mehr gesetzliche Initiativen wirken auf die Compliance-Manager ein, denen es erkennbar schwer fällt, den Überblick zu wahren. Mit dem Geldwäschebekämpfungsergänzungsgesetz und  Novellierungen des Kreditwesengesetzes, insb. § 25c KWG, sind jüngst erneut einige Änderungen fällig geworden, die auch und vor allem die Geldwäschebeauftragten tangieren. Mit der Ausweitung auf sonstige strafbare Handlungen und der unmittelbaren Unterstellung des Geldwäschebeauftragten unter die Geschäftsleitung eines Instituts müssen vielfach auch organisatorische Maßnahmen ergriffen werden.
 
Hinzu kommt das am 17. März durch den Deutschen Bundestag verabschiedete Schwarzgeldbekämpfungsgesetz, das Deutschland noch wirksamer vor Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung schützen soll. Marktmanipulation, Insiderhandel und Produktpiraterie werden künftig auf entsprechenden internationalen Druck Vortaten des Geldwäschestraftatbestandes. Dem noch immer nicht genug, will der Gesetzgeber die nationalen Vorschriften gegen Geldwäsche abermals verschärfen. Ein vom Ministerium ausgearbeiteter Entwurf zur “Optimierung der Geldwäscheprävention” ist jüngst vorgelegt worden. Doch den Adressaten so richtig zur Kenntnis gelangt, ist der Referentenentwurf offenbar noch nicht. Im Rahmen der Fachtagung "Compliance for Banks", dem jährlichen Branchentreffen der Compliance Officer in Köln, ließen sich die Details nur unzureichend interpretieren. Erkennbar ist: Die deutschen Banken fühlen sich nunmehr an der Grenze ihrer Belastbarkeit angekommen.
 
Wolfgang Gabriel, Geldwäschebeauftragter und Leiter Financial Crime bei der SEB Bank AG, Ralf Inderwies, Geldwäschebeauftragter und stellvertretender Chief Compliance Officer der Sparkasse Aschaffenburg-Alzenau, sowie Kai Hempel, Leiter Kapitalmarkt- und Betrugscompliance bei der HSH Nordbank, sprachen sich im Rahmen der Podiumsdiskussion sektorübergreifend für eine Reduzierung des regulatorischen Aufwands aus. Neuerliche Gesetzesinitiativen passen nicht mit dem Bürokratieabbau zusammen, den sich die Bundesregierung zum Ziel gesetzt hat, so die einhellige Meinung der Compliance-Experten. Nicht zu jeder Handlung und Tat müsse auch ein gesetzliches Rahmenwerk oder eine regulatorische Initiative geschaffen werden. Zu selten basiere heute das wirtschaftliche Handeln auf den Tugenden des ehrbaren Kaufmanns, als da sind: Gegenseitiges Vertrauen, Verlässlichkeit, Anstand und Maß.
 
„Eine höhere organisatorische Vaskularität“, sucht auch Thomas Schelmbauer (Foto unten), Chief Operating Officer bei der Wiener Valartis Bank AG. Gemeint ist damit die Reduzierung des „organisatorischen Fetts im Unternehmen“, das Prozesseffektivität lähme, meint Schelmbauer. Als Vaskularität wird gemeinhin eine starke Sichtbarkeit von Venen bzw. Blutgefäße am Körper bezeichnet, die erst ab einem sehr geringen Körperfettanteil möglich ist. Auf Bodybuilding-Wettkämpfen zählt die Vaskularität als Bewertungskriterium. „Eine hohe Vaskularität und dem damit verbundenen geringen Körperfettanteil macht harte Muskelkonturen sichtbar“, erklärt Schelmbauer. Ähnlich soll es auch mit der Integration von Risikomanagement- und Compliance-Einheiten im Unternehmen funktionieren.

 

Thomas Schelmbauer, Valartis Bank AG.

 

Nach aktuellen Untersuchungen unterwerfen sich zwei Drittel der Kreditinstitute sogar freiwilligen Verhaltensrichtlinien, die zum Teil über die Compliance-und Risikomanagement-Vorschriften des Gesetzgebers hinausgehen. Nicht zuletzt dadurch soll verloren gegangenes Vertrauen zurückgewonnen, die Reputation wieder ausgebaut, die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen sichergestellt werden. Und: Die wachsenden Compliance-Aktivitäten zahlen sich auch finanziell aus. 87 Prozent der europäischen Kreditinstitute sind überzeugt davon, dass interne Compliance-Programme einen positiven Einfluss auf den Markt- und Börsenwert des eigenen Unternehmens haben. Vier von zehn sehen hier sogar einen herausragend wichtigen Kursfaktor.

Doch die Umsetzung der erforderlichen Compliance-Aktivitäten weist in einigen Häusern noch erhebliche Defizite auf. So bereitet vor allem die Einführung der hauseigenen Verhaltensregeln drei von vier Instituten Schwierigkeiten. Größte Hindernisse sind Konflikte mit den operativen ertragbringenden Geschäftsaufgaben, fehlender Rückhalt im Top-Management sowie mangelndes Umsetzungs-Know-how. Hier müssen mitunter noch weitreichende organisatorische und technische Anpassungen vorgenommen werden, deren Spannweite von Schulungsmaßnahmen über die Installation von Kontrollmechanismen bis hin zu einer entsprechenden IT-Unterstützung reicht.

 

 

 

Impressionen zur Fachtagung "Compliance for Banks 2011" in Köln.