Der Akademisierungswahn

Autor: Julian Nida-Rümelin Euro: 16,00 256 Seiten, Taschenbuch ISBN: 978-3-89684-161-2 edition Körber-Stiftung Mehr Infos erhalten Sie mit einem KLICK auf diesen LINK! Julian Nida-Rümelin ist kein Unbekannter. Er war Kulturstaatssekretär im Kabinett Gerhard Schröder I und ist zudem noch Professor der Philosophie in München. Die Vorwürfe, er schütze bloß sein eigenes Klientel, neige zu sozialer…


Autor: Julian Nida-Rümelin

Euro: 16,00

256 Seiten, Taschenbuch

ISBN: 978-3-89684-161-2

edition Körber-Stiftung

Mehr Infos erhalten Sie mit einem KLICK auf diesen LINK!

Julian Nida-Rümelin ist kein Unbekannter. Er war Kulturstaatssekretär im Kabinett Gerhard Schröder I und ist zudem noch Professor der Philosophie in München. Die Vorwürfe, er schütze bloß sein eigenes Klientel, neige zu sozialer Härte und wolle sich bloß nach unten abgrenzen, verwundern hier nicht. Wenn Akademiker mehr verdienen, länger und gesünder leben sowie weniger von Arbeitslosigkeit betroffen sind, warum sollte man diesen Kreis dann klein halten? Wer so argumentiert, hat Nida-Rümelins Botschaft nicht verstanden.

„Verhängnisvoller bildungsökonomischer Irrtum“

Nida-Rümelin bezeichnet diesen Einwand als einen  „verhängnisvollen bildungsökonomischen Irrtum“. Nur auf den ersten Blick sei dies richtig. Eigentlich muss man nur die Statistik richtig lesen, um diesen Einwand zu entkräften. Das Realeinkommen der Akademiker stagniert oder sinkt sogar. Soviel zum Thema, ein Hochschulabschluss ist eine Gelddruckmaschine. Das Einkommen von Meistern und Technikern liegt sogar ein wenig höher als das von Akademikern. Nach dieser Logik müssten also alle einen Meisterabschluss anstreben. Diese nicht-studierte Berufsgruppe ist auch nicht von einer hohen Arbeitslosigkeit betroffen. Dieses harte Schicksal trifft in erster Linie Leute ohne Berufsbildungs- oder sogar ohne Schulabschluss. Dass eine fehlende Schulbildung und/ oder Ausbildung keine guten Voraussetzung ist, ist nun wirklich nichts Neues.

Höhere Jugenarbeitslosenquote trotz höheren Akademikeranteils

All diese Zahlen belegen, dass die Argumente für eine allumfassende Akademisierung in erster Linie Wunschdenken sind. Deutschland hat ein duales Ausbildungssystem, auf das die ganze Welt neidisch schaut. Warum sollen Auszubildende schlechter behandelt werden als Studierte? Gerade in angelsächsischen Ländern gehen junge Menschen aufs College, um einen Studiengang zu belegen, der als Äquivalent zu einer Lehre gesehen werden kann. Von der Statistik werden sie aber als eingeschriebene Studenten erfasst. Wen wundert‘s, dass GB oder die USA einen höheren Akademikeranteil aufweisen als Deutschland? Dabei haben sie eine höhere Jugenarbeitslosenquote als hierzulande. Allein dieses Argument sollte zum Denken anregen.

Auch in den Universitäten läuft einiges schief

Natürlich darf bei einem solchen Werk, gerade wenn es von einem Professor geschrieben wird, eine Kritik an den Bolognaprozess nicht fehlen. Dies behandelt er im dritten Teil, die den Titel trägt „Zur Krise akademischer Bildung“. Nida-Rümeling kritisiert, dass durch die Bolognareform viele wichtige Grundgedanken europäischer Universitätskultur und -verständnisses einfach aufgegeben wurden, um sich international auszurichten. Dieses Ziel, damit steht Nida-Rümelin nicht alleine, ist gescheitert. Als Beispiel nennt er einige durch Bologna hervorgerufene Fehlentwicklungen. Diese sind eine Unterscheidung zwischen berufsfeld- und wissenschaftsorientierten Studiengängen, die Verschulung der Bachelorstudiengänge, die Einrichtung eines Ein-Fach-Bachelors und die zwangsläufige Konventionalisierung der Lerninhalte durch detaillierte Modulbeschreibungen.

Manche Probleme ändern sich nie

Dass Nida-Rümelin Professor ist, merkt man bei der Lektüre. Teilweise liest es sich wie ein philosophischer Essay. Wer Probleme hat, solchen Ausführungen zu folgen oder gar automatisch abschaltet, sobald nach dem tieferen Sinn von Wissen gefragt wird, sollte dieses Werk lieber nicht kaufen. Gleiches gilt für Fremdwörter und Fachbegriffe.
Wenn Nida-Rümelin nach dem Wissen fragt, geht er nicht oberflächlich auf das Thema ein. Vielmehr fragt er nach dem tieferen Grund und was Wissen eigentlich ist. Ganz im Stil eines Philosophen geht er hierbei auf Aristoteles und Platon zurück und erläutert an deren Ausführungen das Problem. Wer aber denkt, hier werde nur auf tote Klassiker verwiesen und ein Professor versucht mit seiner humanistischen Bildung zu brillieren, der irrt. Nida-Rümelin zeigt überzeugend, dass manche Probleme zeitunabhängig sind. Manchmal müsse man alte Klassiker lesen, um Probleme von heute zu verstehen.
Ein Vorteil ist die Dreiteilung des Inhalts. Im ersten Teil behandelt Nida-Rümelin Grundlegendes, im zweiten geht er auf die Krise der beruflichen Ausbildung und im letzten Kapitel auf die der akademischen Bildung ein.
Eine Lektüre des Buches ist durchaus empfehlenswert, denn es wirft einen anderen, einen philosphischen Blick auf die Debatte, ohne aber den Bezug zur Realität aus den Augen zu verlieren.